Diskriminierungsverbot: Was bedeutet das im Zivilrecht?
- 4 Minuten Lesezeit
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, gehört zu einem der umstrittensten Gesetze, die in den letzten Jahren in Kraft traten. Das darin geregelte Diskriminierungsverbot findet sich in verschiedenen Gebieten des Zivilrechts, wie beispielsweise im Vertragsrecht, Mietrecht, Versicherungsrecht u.v.m. Anhand einiger Beispiele, werden rechtliche Folgen aufgezeigt, welche sich für Privatleute in alltäglichen Lebenssituationen ergeben können.
Zivilrechtliche Vorschriften im AGG
Im Privatrecht finden die §§ 1 bis 5 AGG und die §§ 19 bis 21 AGG Anwendung. § 19 AGG verbietet die Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Rahmen eines privatrechtlichen Schuldverhältnisses (z.B. Vertrag). Das Diskriminierungsverbot gilt bereits für die Begründung sowie für die Durchführung und Beendigung des Schuldverhältnisses. Ausgenommen vom Verbot der Benachteiligung sind lediglich familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse.
Privatrechtliche Massengeschäfte
Zunächst bezieht sich das Benachteiligungsverbot auf sogenannte „Massengeschäfte“. Das sind vor allem Verträge, die ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen bzw. bei denen die konkrete Person für den Vertragsabschluss aus Sicht des Anbieters nur von nachrangiger Bedeutung ist. Hierzu zählen alle Schuldverhältnisse, die zu gleichen Bedingungen begründet, durchgeführt und wieder beendet werden. Betroffen sind standardisierte Verträge in Einzelhandel, Gastronomie und Transportwesen, zum Beispiel: Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxifahrten, Shoppingtouren in Warenhäusern, Vertragsverhältnisse mit Restaurants, Diskotheken, Museen, Theatern und auch Internet-Geschäfte. Geschäfte, die Ähnlichkeit mit einem Massengeschäft haben, fallen ebenfalls unter den Schutz des AGG (Reiseverträge etc.).
Privatrechtliche Versicherungen
Bei Privatversicherungen gilt das Benachteiligungsverbot insbesondere für Versicherungsverträge, bei denen typischerweise bestimmte Risikokriterien keine Rolle spielen, etwa bei einer Reisegepäckversicherung.
Weil eine Privatversicherung häufig elementare Lebensrisiken abdeckt, hat der Gesetzgeber das Diskriminierungsverbot darüber hinaus teilweise auf Privatversicherungen ausgedehnt, die auf einer individuellen Risikoprüfung beruhen, vor allem wenn die Ungleichbehandlung auf sozial nicht gerechtfertigten Kriterien basiert. So darf ein Kfz-Haftpflichtversicherer z.B. keinen Unterschied bei den Vertragsbedingungen für ausländische Autofahrer machen. Allerdings ist die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts gemäß § 20 Absatz 2 AGG zulässig, wenn es sich hierbei um einen bestimmenden Faktor für die Risikobewertung handelt. Konkret bedeutet dies, dass der Versicherer Männern und Frauen unterschiedliche Versicherungsbedingungen anbieten darf, wenn das Geschlecht wesentlichen Einfluss auf die Risikoprüfung im Rahmen der Versicherung hat. Ausdrücklich ausgenommen von dieser zulässigen Ungleichbehandlung sind jedoch Kosten, die in Verbindung mit einer Schwangerschaft oder dem Mutterschutz anfallen. Weitere Kriterien (Religion, Behinderung, Alter etc.) können für die Festlegung von Prämien und Leistungen herangezogen werden, sofern dies nicht willkürlich geschieht. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt jeweils dem Versicherer.
Ein absolutes Diskriminierungsverbot besteht allerdings bezüglich Rasse und ethnischer Herkunft, eine Ungleichbehandlung ist diesbezüglich niemals zu rechtfertigen.
Mietrechtliche Schuldverhältnisse
Nach dem Arbeitsrecht ist das Mietrecht am meisten vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz betroffen. Ähnlich wie bei den anderen privatrechtlichen Schuldverhältnissen und der Bezugnahme auf „Massengeschäfte“, schließt § 19 Absatz 5 ausdrücklich Vermietungen vom Diskriminierungsverbot aus, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet. Achtung: Allerdings besteht auch hier das generelle Diskriminierungsverbot in Hinblick auf Rasse und ethnische Herkunft. Damit ist eine Benachteiligung aus diesen Gründen auch Vermietern mit bis zu 50 Wohnungen verboten, wenn sie öffentlich Wohnraum anbieten.
Zudem sind Vermietungen von „Privaten“ ausgenommen, zwischen denen ein besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis besteht. Beispiel: Vermietung von Wohnraum unter Angehörigen auf demselben Grundstück.
Das Benachteiligungsverbot bezieht sich wiederum auf das gesamte Mietverhältnis, d.h. nicht nur das Inserat, der Mietvertrag, sondern auch die Haus- und Nutzungsordnung sind diskriminierungsfrei auszugestalten. Beispiele: Eine Immobiliengesellschaft lehnt die Vermietung an Ausländer grundsätzlich ab; Familien mit Kindern müssen wegen der Kinder nach der Hausordnung öfters Treppenhaus und Keller putzen als die übrigen Mieter.
Diskriminierte Mieter oder Mitbewerber können Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche geltend machen, haben jedoch keinen Anspruch auf Abschluss des Mietvertrages. Beispiel: Verstößt eine Kündigung gegen das Antidiskriminierungsgesetz, so kann der unzulässig gekündigte Mieter von seinem ursprünglichen Vermieter Erstattung der Umzugskosten und Maklerprovision im Zusammenhang mit der Anmietung der neuen Wohnung verlangen.
Rechtfertigungsgründe
Gemäß § 19 Absatz 2 AGG gilt das Diskriminierungsverbot wegen Rasse und ethnischer Herkunft generell für alle sonstigen privatrechtlichen Schuldverhältnisse, bei denen der Vertragsschluss öffentlich angeboten wird (z.B. in einer Zeitungsannonce). Rechtfertigungsgründe für solche Benachteiligungen sieht das Gesetz nicht vor.
Leistungen aus dem Gesundheits- und Bildungsbereich müssen ebenso diskriminierungsfrei angeboten werden. Dies gilt beispielsweise für Reha-Kliniken, Ärzte, Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen und sogar Fahrschulen.
Eine Benachteiligung kann zulässig sein, wenn sie aus tatsächlichen Gründen gerechtfertigt ist, die mit ihr unmittelbar zusammenhängen. Zur Gefahrenvermeidung sind etwa das Zugangsverbot für Männer zu einem Frauenhaus, die altersmäßige Begrenzung des Zugangs zu einem Fahrgeschäft auf der Kirmes oder auch Frauenparkplätze zulässig. Als Rechtfertigungsgrund kommt auch der Schutz der Intimsphäre in Betracht (z.B. getrennte Badezeiten im Schwimmbad). Außerdem können besondere Vorteile aus sozialadäquaten Gründen gewährt werden, zum Beispiel Rabatte für Studenten, Schüler, Behinderte und Rentner.
Geltendmachung der Benachteiligung
Diskriminierte können ihre Ansprüche innerhalb von zwei Monaten geltend machen. Vorsicht: Die zusätzliche Frist von drei Monaten im Arbeitsrecht gilt für die übrigen Bereiche des Privatrechts nicht. Nach Ablauf der Frist kann der Betroffene nur noch rechtlich gegen die Benachteiligung vorgehen, wenn er sie schuldlos versäumt hat.
Das Diskriminierungsverbot spielt also bei einer Vielzahl völlig unterschiedlicher Lebensbereiche eine Rolle. Gerade im Zivilrecht sind in diesem Zusammenhang noch viele Rechtsprobleme ungeklärt. Darum wird ein zeitnaher Rechtsrat von einem Anwalt empfohlen.
(WEL)
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Diskriminierungsverbot?
Rechtstipps zu "Diskriminierungsverbot"
-
14.05.2024 Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.„… eine Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben sollte, ist, wenn er vermutet, dass die Kündigung gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet …“ Weiterlesen
-
05.05.2024 Rechtsanwalt Adrian Jäckel„… das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt (EuGH 19.10.2023 – C-660/20). Nachweis und Dokumentation Für die erfolgreiche Geltendmachung von Ansprüchen ist eine genaue Dokumentation …“ Weiterlesen
-
02.04.2024 Rechtsanwalt und Notar Andreas Krau„… die Abfindung auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt, gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters verstößt. Das BAG wies die Revision des Arbeitnehmers ab und bestätigte die Abweisung …“ Weiterlesen
-
28.03.2024 Rechtsanwalt Marcel Wack„… . Gesetzessystematik: Das Gesetz besteht aus vier Abschnitten: 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1–5): Zielsetzung, Definitionen, Diskriminierungsverbote. 2. Teilzeitarbeit (§§ 6–13): Regelungen zum Rechtsanspruch …“ Weiterlesen
-
07.03.2024 Rechtsanwalt Dieter Schmidt„… gegen Diskriminierungsverbote gem. § 15 Abs.2 AGG. Die Arbeitsgerichte neigen deshalb überwiegend dazu, statt einer Entfristung einen (Entschädigungs-) Anspruch in Höhe von drei Bruttomonatsbeträgen …“ Weiterlesen
-
19.01.2024 Rechtsanwalt Robert Apitzsch„… - und Befristungsgesetz [TzBfG] in Erscheinung. Denn durch das Diskriminierungsverbot nach § 4 TzBfG darf ein Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein Vollzeitbeschäftigter …“ Weiterlesen
-
23.11.2023 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… zur Kündigung ohne Kündigungsgrund berechtigt. Sie müssen sich allerdings an das Diskriminierungsverbot des AGG und an das Verbot der Treuewidrigkeit halten. Dass sich der Arbeitnehmer …“ Weiterlesen
-
19.11.2023 Rechtsanwältin Sonja Willner Abogada„… Anwendung findet, ein Umstand, der für einen berechtigten Aufschrei der Steuerberater geführt hat, da es sich um einen klaren Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot der europäischen Union handelt …“ Weiterlesen
-
07.01.2024 Rechtsanwalt Martin Stier„… Benachteiligung und das verstößt eindeutig gegen das Diskriminierungsverbot für befristet Beschäftigte nach § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen. In diesem Sinne und folgerichtig für einen Anspruch …“ Weiterlesen
-
24.04.2023 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… . Bis zu dem Tag haben Frauen, vergleicht man ihre Arbeitsleistung mit der ihrer männlichen Kollegen, quasi umsonst gearbeitet. Tatsächlich wird in der Bundesrepublik das Diskriminierungsverbot wohl …“ Weiterlesen
-
19.03.2023 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… . Dieser Schutz gilt von Beginn des Arbeitsverhältnisses an. Verstößt der Arbeitgeber mit seiner Kündigung gegen das Diskriminierungsverbot des AGG, ist die Kündigung unwirksam. Im Hinblick …“ Weiterlesen
-
30.01.2023 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… scheitert eine Kündigung an den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, kurz: AGG. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Diskriminierungsverbot des AGG, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam …“ Weiterlesen
-
25.01.2023 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge ab. Nur: Solche Befristungen können wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot angreifbar sein, besonders wenn der Arbeitgeber seine befristeten …“ Weiterlesen
-
21.01.2023 Rechtsanwalt Marco Schneider„… . Eine Änderung die nicht nur vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots und der Gleichbehandlung aus Artikel 3 GG zu begrüßen ist sondern auch gesamtgesellschaftlich wünschenswert …“ Weiterlesen
-
16.11.2022 Rechtsanwalt Dr. Thomas Koeppen„… und welchen Zwecken die Entscheidungen des Algorithmus dienen. 4. Diskriminierungsverbot Die Betriebsparteien stimmen überein, dass vor Einführung eines KI-Systems sorgfältig zu prüfen …“ Weiterlesen
-
31.10.2022 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… , was dieser zu Recht in Anspruch genommen hat. Beispielsweise: Der Arbeitnehmer macht seine Rechte aus dem Nachweisgesetz geltend und bekommt dafür die Kündigung. 3. Diskriminierungsverbot Arbeitgeber …“ Weiterlesen
-
20.09.2022 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… sich abheben und auffallen. Nur scheinen dabei einige Arbeitgeber das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aus den Augen zu verlieren. Anhand eines Beispiels zeigt …“ Weiterlesen
-
19.07.2022 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… wenn bei der Kündigung Höflichkeitsregeln eingehalten werden. Kündigen Sie auch nicht in engem zeitlichen Zusammenhang zu einem Wutausbruch. 5. Diskriminierungsverbot Eine diskriminierende Kündigung verstößt …“ Weiterlesen
-
14.07.2022 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… gegen ein Diskriminierungsverbot In diesen Fällen ist die Kündigung regelmäßig unwirksam, eine Klage würde sich lohnen. Nur: Der Diskriminierungstatbestand lässt sich nicht immer beweisen. Selten …“ Weiterlesen
-
04.07.2022 Rechtsanwältin Ulrike Köllner„… Aufenthalt von mindestens 12 Monaten nachweisen. Derartige Regelungen existieren seit rund 25 Jahren. Jetzt hat der EuGH entschieden, dass diese Regelung nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt …“ Weiterlesen
-
30.05.2022 Rechtsanwalt Jan Paul Seiter„… , dass der Arbeitnehmer berechtigte Ansprüche geltend macht. Diskriminierungsverbot Die Diskriminierungsverbote des AGG sind auch bei Kündigungen außerhalb des KSchG zu beachten, Der Arbeitnehmer darf also …“ Weiterlesen
-
10.03.2022 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… zu kündigen. Einen wirksamen Schutz vor Kündigungen bietet hier nur das AGG mit seinem Diskriminierungsverbot. Der Arbeitnehmer könnte sich aber nur dann wirksam auf das Diskriminierungsverbot des AGG berufen …“ Weiterlesen
-
23.06.2021 Rechtsanwältin und Notarin Ulrike Schmidt-Fleischer„… eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde beantragt werden. 5. Diskriminierungsverbot Stillende Frauen dürfen aufgrund der stillbedingten Einschränkungen nicht benachteiligt werden, gerade in Bezug …“ Weiterlesen
-
09.06.2021 Rechtsanwältin Bettina Wilmes-Engel„… das Diskriminierungsverbot gem. § 7 AGG i.V.m. § 1 AGG (Benachteiligung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) auszuschreiben …“ Weiterlesen