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Abmahnungsgründe: Was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtig ist

  • 6 Minuten Lesezeit
Abmahnungsgründe: Was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtig ist

Experten-Autor dieses Themas

Abmahnungen haben für viele Arbeitgeber und Mitarbeiter in Unternehmen praktische Relevanz. Zum einen sind sie regelmäßig Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Manchmal wollen Arbeitgeber aber gar nicht kündigen, sondern nur ihren Frust abbauen, dem Arbeitnehmer einen Denkzettel verpassen oder das Verhalten für künftige Entscheidungen über einen Aufstieg des Arbeitnehmers in der Personalakte dokumentieren.  

Eine Abmahnung muss in der Regel drei Funktionen erfüllen: Sie soll das Fehlverhalten dokumentieren, auf Möglichkeiten rechtskonformen Verhaltens in der Zukunft hinweisen und für den Fall des wiederholten Verstoßes Negativkonsequenzen androhen. Arbeitgeber fragen sich häufig, welche Gründe für eine wirksame Abmahnung vorliegen müssen. Arbeitnehmer, die eine Abmahnung vom Arbeitgeber für ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen erhalten haben, fragen sich, welche Gründe einer Überprüfung durch Rechtsanwälte und Arbeitsrichter tatsächlich standhalten könnten.  

Schließlich taucht regelmäßig die Frage auf, ob nicht auch der Arbeitnehmer abmahnen kann, wenn der Arbeitgeber Vertragsverletzungen begeht. Wann ist das sinnvoll und wie sind hier die Voraussetzungen? 

100 Prozent der rechtlich bedeutsamen Abmahnungen sind verhaltensbedingt

Die tatsächlichen Hintergründe von Abmahnungen sind vielfältig. Die Ursachen einer Abmahnung im Arbeitsverhältnis liegen sowohl aus Arbeitgebersicht als auch aus der Sicht ihrer Mitarbeiter oft in bestimmten Verhaltensweisen von Arbeitnehmern, in ihrer Person – Stichwort: Krankheit – oder in einer freien Unternehmerentscheidung – Stichwort: innerbetriebliche und außerbetriebliche Gründe.  

Die in rechtskonformen Abmahnungen ausgewiesenen Gründe sind dagegen zu 100 Prozent verhaltensbedingt. Verhaltensbedingt meint, dass der Grund für die Abmahnung ausweislich im Verhalten des Abmahnungsadressaten liegt. Dies ist der Fall, weil regelmäßig nur Vertragsverletzungen abmahnfähig sind, denen ein steuerbares Verhalten zugrunde liegt. Dies jedenfalls in dem Sinne, dass eine Abmahnung nur in solchen Fällen weitere rechtliche Konsequenzen von Bedeutung in Gang setzen kann – etwa als Vorstufe für eine spätere einschlägige verhaltensbedingte Kündigung. 

Was sind Abmahnungsgründe mit rechtlicher Relevanz? Und was nicht?

Generell müssen sich Abmahnungen, um eine rechtliche Relevanz zu erhalten, auf ein steuerbares Verhalten beziehen. Ansonsten haben sie rechtlich keine Relevanz. Denn nur steuerbares Verhalten kann in Zukunft durch eigene Mitwirkung des Betroffenen verändert werden.  

Der Hinweis des Vertragspartners auf konkrete rechtskonforme Verhaltensmöglichkeiten, der regelmäßig Bestandteil von Abmahnungen ist, ist ansonsten nicht geeignet, das Ziel eines pflichtgemäßen Verhaltens des Vertragspartners in der Zukunft herbeizuführen. So kann beispielsweise eine Krankheit durch den Arbeitnehmer – zumindest im Regelfall – eben nicht durch eigene Verhaltensänderung beseitigt werden.  

Abmahnung ohne rechtliche Relevanz 

Paradebeispiel dafür ist im Arbeitsrecht der alkoholkranke Arbeitnehmer, der immer wieder zur Flasche greift. Hier würde eine Abmahnung mit Blick auf die Einnahme alkoholischer Getränke im Regelfall ins Leere laufen, weil die Krankheit ursächlich für die Einnahme der alkoholischen Getränke ist und das Verhalten des Arbeitnehmers für ihn nicht steuerbar ist. Er ist suchtkrank. Die Warnfunktion der Abmahnung für den Wiederholungsfall kann in solchen Fällen eben nicht erfüllt werden. Die Krankheit sorgt in solchen Fällen dafür, dass ein freier Willensentschluss ausscheidet. Dann stellt das Verhalten des Arbeitnehmers keinen zulässigen Abmahnungsgrund dar.  

Demnach können Arbeitgeber in Fällen, in denen Sie das Arbeitsverhältnis mit dem alkoholkranken Arbeitnehmer langfristig beenden wollen, allenfalls andere Wege als die verhaltensbedingte Abmahnung und darauffolgende verhaltensbedingte Kündigung effektiv beschreiten. Etwa durch Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements und – falls dieses erfolglos bleibt – gegebenenfalls anschließend durch eine Kündigung aus in der Person liegenden Gründen (krankheitsbedingte Kündigung).  

Abmahnung mit rechtlicher Relevanz 

Anders liegt es jedoch wieder, wenn ein Arbeitnehmer zwar krank ist, aber der Arbeitgeber dennoch ein steuerbares Verhalten angreift: Ein typisches Beispiel hierfür ist ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Demnach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Hier lässt sich die nicht unverzügliche oder verspätete Anzeige der Krankheit selbstverständlich wirksam vom Arbeitgeber abmahnen. So wird dem Arbeitgeber in der Folge, wenn noch weitere einschlägige Arbeitsvertragsverstöße vorliegen, sogar möglicherweise eine wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels verhaltensbedingter Kündigung möglich.  

Praxistaugliche Abmahnungsgründe für Arbeitgeber

(Weitere) Abmahnungsgründe aus Arbeitgebersicht können in der Praxis immer Verstöße des Arbeitnehmers gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sein. Beispielsweise: 

  • Genesungswidriges Verhalten: Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist und während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit Verhaltensweisen an den Tag legt, die eine baldige Genesung erschweren oder verhindern. 

  • Alkoholgenuss eines Arbeitnehmers während der Arbeitszeit, wenn ein Alkoholverbot im Unternehmen besteht und seitens des Arbeitnehmers keine Alkoholsuchtkrankheit vorliegt. 

  • Verstoß gegen die Wahrheitspflicht. 

  • Fälschung von Dokumenten oder die Vorlage von gefälschten Dokumenten, die dem Nachweis arbeitsrechtlich relevanter Tatsachen gegenüber dem Arbeitgeber dienen, z. B. gefälschter Waffenschein bei Berufswaffenträgern oder gefälschter Führerschein bei Berufskraftfahrern. 

  • Verstoß gegen betriebliches Rauchverbot

  • Arbeitszeitbetrug, z. B., wenn Arbeitnehmer einen früheren Arbeitszeitpunkt oder einen späteren Arbeitszeitpunkt auf der Stempel- oder Chipkarte vermerken mit der Zielrichtung, die tatsächliche Arbeitszeit umfangreicher aussehen zu lassen, als diese tatsächlich war. 

  • Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften (§ 15 Arbeitsschutzgesetz, ArbSchG). 

  • Verstoß gegen die Arbeitspflicht. 

  • Beleidigung des Arbeitgebers, Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden. 

  • Verstoß gegen den Datenschutz, z. B. Arbeitnehmer gibt schützenswerte Daten an Dritte heraus. 

  • Missbrauch des Dienstwagens, z. B., wenn ein Dienstwagenüberlassungsvertrag abgeschlossen wurde, in dem die Nutzung durch Dritte ausgeschlossen wurde. 

  • Eigentumsdelikte im Arbeitsverhältnis. 

  • Private Internetnutzung während der Arbeitszeit, wenn ein Verbot besteht. 

  • Verweigerung des Arbeitnehmers, an einer betriebsärztlichen Untersuchung teilzunehmen, wenn hierzu eine Verpflichtung besteht (vgl. § 3 Abs. 4 S. 1 u. S. 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, TVöD). 

Abmahnung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer

Was nicht allgemein bekannt ist: Auch Arbeitnehmer können Arbeitgeber für pflichtwidrige Verhaltensweisen abmahnen. In der Regel greifen Arbeitnehmer darauf nicht zurück, da sie für ihre Kündigung keine vorherige Abmahnung benötigen. Das heißt, wenn der Arbeitnehmer unzufrieden ist, kann er einfach so kündigen. Er braucht im Gegensatz zum Arbeitgeber regelmäßig keinen Kündigungsgrund.  

Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer fristlos kündigen will, weil er das Unternehmen so schnell wie möglich verlassen möchte. In diesem Fall kann eine Abmahnung durch den Arbeitnehmer Voraussetzung für die fristlose Kündigung sein. Auch wenn der Arbeitnehmer hofft, den Arbeitgeber durch die Abmahnung zu einem vertragsgerechten Verhalten zu bewegen, kann eine solche Abmahnung sinnvoll sein. Das könnte der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise eine unverzichtbare Fachkraft ist oder wenn das Problem nur der unmittelbare Chef ist und der Arbeitnehmer sich auf diese Weise nach oben hin Gehör verschaffen will.  

Schließlich kann es unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein, Vertragsverstöße des Arbeitgebers auf diese Weise zu dokumentieren. Beispiel: Der Arbeitgeber verlangt immer wieder Überstunden unter Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz. Der Arbeitnehmer fürchtet, aufgrund der Überlastung Fehler zu machen und dann eine Kündigung zu riskieren. In diesem Fall könnte eine Abmahnung hilfreich sein, alternativ eine Überlastungsanzeige.  

Praxistaugliche Abmahnungsgründe für Arbeitnehmer

Abmahnungsgründe aus Arbeitnehmersicht können in der Praxis immer Verstöße des Arbeitgebers gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sein, wie beispielsweise: 

  • mangelnde oder verspätete Entgeltauszahlung 

  • Datenschutzverstöße zulasten des Arbeitnehmers, insbesondere Nutzung eines sogenannten Keyloggers zur Überwachung des Arbeitnehmers 

  • unterlassene oder fehlerhafte Bruttomonatsgehaltsbescheinigung oder Jahressteuerbescheinigung 

  • unterlassener Nachweis nach dem Nachweisgesetz trotz vorheriger Anforderung eines solchen Nachweises 

  • Beleidigung des Arbeitnehmers 

  • unterlassene Beschäftigung des Arbeitnehmers nach vorheriger Aufforderung 

  • Eigentumsdelikte zulasten des Arbeitnehmers 

  • unterlassene Ausstellung eines Zwischenzeugnisses nach vorheriger Aufforderung 

  • unterlassene bezahlte Freistellung für gesetzlich vorgesehene Fortbildungsmaßnahmen nach vorheriger Aufforderung 

  • unterlassene bezahlte Freistellung zum Zwecke des Erholungsurlaubs 

Foto(s): ©Adobe Stock/Atstock Productions

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