Abschaffung Wartezeit im Medizinstudium: macht eine Klage dagegen Sinn?

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Wer Medizin studieren will, war / ist nicht selten bereit, etliche Wartesemester in Kauf zu nehmen, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden, wenn z.B. die Abiturnote nicht reicht.  

Allerdings wurde bzw. wird die Berücksichtigung der Wartezeit bei der Studienplatzvergabe im Bereich Medizin als Reaktion auf Urteile des BVerfG 2017 Schritt für Schritt abgeschafft: mithilfe eines neu formulierten Staatsvertrages, Zustimmungsgesetzen der Länder und durch Transformationsgesetze. Das hat seit Anfang 2020 direkte Auswirkungen auf die Regelungen zur Studienplatzvergabe: Wartezeiten werden seitdem nicht mehr mit der ursprünglichen Gewichtung berücksichtigt, ab 2022 gar nicht mehr. Dass Studienplatzbewerber*innen gegen Ablehnungen klagen, weil Wartesemester nicht mehr wie bisher bei der Studienplatzvergabe berücksichtigt wurden, war deshalb nur eine Frage der Zeit.

Über einen solchen Fall hat nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden (OVG Lüneburg, Beschluss v. 18.11.2020, Az.: 2 NB 247/20).  

Abschaffung Wartezeitenquote bei Studienplatzvergabe Medizin Schritt für Schritt

Seit Herbst 2019 steht fest: In den Studiengängen Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie wird bei der Studienplatzvergabe die Berücksichtigung von Wartezeiten bzw. Wartesemestern schrittweise bis zum Jahr 2022 abgeschafft.

Nach Entscheidungen des BVerfG 2017 wurden die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen und die neuen Regelungen für das Vergabeverfahren für das Sommersemester 2020 erstmals angewendet: Wartezeiten bzw. Wartesemester wurden erstmals nicht mehr mit derselben Gewichtung bei der Studienplatzvergabe berücksichtigt wie bisher. Stattdessen wurde eine zusätzliche Eignungsquote eingeführt. Zwar gibt es Übergangsregelungen für die Jahre 2020 und 2021.

Aber spätestens für Semester ab dem Jahr 2022 werden Wartesemester bei der Studienplatzvergabe im Fachbereich Medizin, Pharmazie etc. keine Rolle mehr spielen. Vor allem für Studienbewerber*innen mit angesammelten langen Wartezeiten ein Problem, da sie ggf. nun umsonst gewartet haben.

Fall vor Gericht: VG Göttingen und OVG Lüneburg 

So auch der Fall eines Studienbewerbers um einen Studienplatz im Bereich Zahnmedizin, der zum Studium im 1. Semester Zahnmedizin zugelassen werden wollte. Er wurde von der Stiftung für Hochschulzulassung abgelehnt – in der Zusätzlichen Eignungsquote (ZQ) wie auch im Auswahlverfahren der Hochschule (AdH). Mit einem Abiturschnitt von 2,5 und nach Berechnung seines Rangplatzes im jeweiligen Vergabeverfahren hatte er die Zulassungsvoraussetzungen zum Zahnmedizin-Studium schlichtweg deutlich verfehlt.

Der Studienplatzbewerber bezweifelte aber die Rechtmäßigkeit der Auswahl und die Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des Auswahlverfahrens. So zweifelte er u.a. an der Rechtmäßigkeit der neuen Auswahlvorschriften in Niedersachsen wie z.B. der Regelung, die dazu führt, dass Wartezeiten / Wartesemester bei der Studienplatzbewerbung im Fachbereich Medizin schrittweise bis 2022 nicht mehr berücksichtigt werden.

Also klagte er gegen die Ablehnung zunächst beim Verwaltungsgericht (VG) Göttingen. Das VG ging jedoch davon aus, dass die relevanten Auswahlvorschriften korrekt angewendet wurden, und hatte keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen. Gegen diese Entscheidung richtete der Studienplatzbewerber eine Beschwerde an das OVG Lüneburg.

Erfolglose Beschwerde vor dem OVG 

Aber auch die Beschwerde zum OVG Lüneburg blieb erfolglos – auch das OVG hielt die Entscheidung über die Nichtzulassung für rechtmäßig: Das angewendete Vergabesystem für die Studienplätze sei verfassungsmäßig und keine Fehler in der Durchführung ersichtlich. Es bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Vergaberegelungen und der Abschaffung der Wartezeit mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Zulassungsverfahren – und damit auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung im konkreten Fall.

Vor allem auch die reduzierte Berücksichtigung der Wartezeit bei der Vergabe von Studienplätzen würde den Studienbewerber nicht in Grundrechten verletzen und damit die Ablehnung seiner Bewerbung nicht rechtswidrig machen. Denn aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 12 Abs. 1 GG folge lediglich ein Anspruch auf sachgerechte Auswahlentscheidung und korrekte Anwendung geltenden Rechts. Daran gebe es in seinem Fall keine Zweifel.

Mein Fazit: Klagen wegen Abschaffung der Wartezeitenquote lohnen nicht 

Vor allem wer nun schon lange auf einen Studienplatz gewartet hat und sich um die Anrechnung seiner Wartezeit bei der Studienplatzvergabe „betrogen“ fühlt, will dagegen natürlich mit einer Studienplatzklage vorgehen – verständlich.

Eine Studienplatzklage aber allein auf die Abschaffung der Wartezeitenquote zu stützen, erscheint nach diesem Urteil nicht sinnvoll. Will man dennoch gegen eine Ablehnung vorgehen, sollte man sich allerdings auf andere Punkte stützen können, um nicht Schiffbruch vor Gericht zu erleiden.

Sie haben Fragen zu einer Studienplatzklage – unabhängig von der Abschaffung der Wartezeitenquote? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf – telefonisch in Köln unter 0221/1680 6590 oder per E-Mail an info@die-hochschulanwaeltin.de oder über das anwalt.de-Kontaktformular.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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