Arbeitsgericht verurteilt Arbeitgeber auf Mindestlohn wegen Scheinpraktikums

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Das Landesarbeitsgericht München hat kürzlich einen Versicherungs- und Finanzvermittler zur Zahlung von ausstehendem Lohn, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt EUR 50.000,00 verurteilt. Die Firma hatte fünf Jahre lang eine Mitarbeiterin als angebliche „Praktikantin“ beschäftigt. Die Praktikantin war voll in den Betrieb integriert und ersetzte durch ihre Arbeitskraft einen normal bezahlten Mitarbeiter. Zusätzlich musste die Praktikantin sogar noch den privaten Garten des Chefs pflegen. Während des „Praktikums“ erhielt die angebliche Praktikantin gerade einmal EUR 300,00 pro Monat für ganze 43 Wochenstunden zzgl. unbezahlter Überstunden. Im Ergebnis kam die Praktikantin damit auf einen durchschnittlichen Stundenlohn von etwa EUR 1,75.

Das Landesarbeitsgericht hat nun unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung geurteilt, dass das Anstellungsverhältnis „sittenwidrig“ ist. Die Richter sprachen der angeblichen Praktikantin die Differenz zwischen dem tatsächlichen Stundenlohn von etwa EUR 1,75 und dem gesetzlichen Mindestlohn von EUR 8,50 pro Stunde, insgesamt über EUR 50.000,00 brutto, zu.

Die Rechtsanwaltskanzlei PSS Rechtsanwälte aus Wiesbaden begrüßt dieses Urteil. „Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber versuchen, die Mindestlohnregelungen durch Konstruktionen, wie Praktika oder ähnliches, zu umgehen. Dabei sind die gesetzlichen Ausnahmen vom Mindestlohn in § 22 Mindestlohngesetz eindeutig normiert. Der Fall vom OLG München konnte insoweit eindeutig nicht unter den Tatbestand des § 22 Mindestlohngesetz subsumiert werden“, wie Rechtsanwalt Dr. Perabo-Schmidt konstatiert. Die Rechtsanwaltskanzlei PSS Rechtsanwälte berät sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zu allen Fragen des Arbeitsrechts. Wir freuen uns auf Ihren Kontakt. 

Auszug aus dem „Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG)

„§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie

1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,

2. ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,

3. ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder

4. an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.

Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

(2) Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.

(3) Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen.

(4) Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.“


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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