Arzthaftung und Schmerzensgeld in Österreich – was Patienten bei Behandlungsfehlern zusteht

  • 7 Minuten Lesezeit

Medizinrecht: Behandlungsfehler, Behandlungsvertrag, Arzthaftung und fehlende Aufklärung

Wenngleich auch das Niveau der medizinischen Versorgung in Österreich hoch ist, so gibt es doch immer wieder Fälle von Behandlungsfehlern. Hier lesen Sie, welche Rechte Sie als Patient haben.

Grundsätzlich fallen die Arzthaftung und das Schmerzensgeld in den Bereich des Schadenersatzes, d. h. es gelten die gleichen Grundsätze wie bei anderen Fällen von schuldhaft verursachten Schäden.

Wir wollen im Folgenden einen Überblick über die Arzthaftung geben, welche Pflichten den Arzt treffen und wie ein Patient zu seinem Recht kommen kann.

Für jede Art von Schadenersatz, also auch Schmerzensgeld im Rahmen der Arzthaftung, müssen einige Voraussetzungen vorliegen.

Zuerst einmal muss ein Schaden vorliegen. Im Rahmen von medizinischen Behandlungen können dies Beeinträchtigungen der Gesundheit sein oder gar der Tod eines Patienten.

Damit ein Anspruch auf Schadenersatz (Schmerzensgeld) entsteht, muss der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung verursacht sein. Im Rahmen von medizinischer Versorgung kann diese verursachende Handlung oder Unterlassung in einer fehlerhaften Aufklärung oder einer fehlerhaften Behandlung (Kunstfehler) bestehen.

Der Schaden muss rechtswidrig verursacht sein, sich also aus der Verletzung einer Verpflichtung des Arztes ergeben. Diese Rechtswidrigkeit ergibt sich bei der Arzthaftung daraus, dass zwischen Arzt und Patient ein Behandlungsvertrag abgeschlossen worden ist, in dem sich der Arzt zu einer sachgerechten, dem Stand der Medizin entsprechenden Behandlung verpflichtet. Tritt ein Schaden auf, so bedeutet dies einen Verstoß gegen eben diesen Behandlungsvertrag.

Schließlich muss die Schädigung auch noch schuldhaft passiert sein: War es dem Arzt vorzuwerfen, dass der Patient den Schaden erlitten hat? Verschulden kann in Fahrlässigkeit oder Vorsatz bestehen.

Weil diesem Thema eine besonders große Bedeutung zukommt, wollen wir uns die Pflichten des Arztes bei Aufklärung und Behandlung etwas näher ansehen.

Grundsätzlich muss jeder Arzt nach den allgemein anerkannten Regeln der Medizin und den üblichen Qualitätsstandard vorgehen. Seine Pflichten ergeben sich aus dem (formfreien) Behandlungsvertrag. Die wichtigsten Pflichten des Arztes sind:

  • Untersuchung des Patienten
  • Erhebung von Befunden
  • Erstellung einer Diagnose, basierend auf den Befunden
  • Information und Aufklärung des Patienten
  • Behandlung des Patienten
  • unter Umständen die Überweisung an (andere) Fachärzte
  • Zusätzlich gibt es auch noch eine Reihe von Nebenpflichten, die der Arzt beachten muss:
  • Dokumentation der Behandlung (Krankengeschichte) und die Pflicht, den Patienten in diese Dokumentation Einsicht nehmen zu lassen
  • Verschwiegenheitspflicht
  • Informationspflicht gegenüber dem Patienten
  • Anzeigepflicht und Meldepflicht (z. B. gegenüber Behörden)

Wichtig ist es festzuhalten, dass der Arzt zwar die Behandlung nach dem Stand der Medizin durchführen muss, dass er aber nicht für den Erfolg der Behandlung verantwortlich ist. Denn keine medizinische Behandlung hat eine 100 %ige Erfolgsaussicht! Allerdings muss der Arzt im Rahmen der Informationspflicht den Patienten über die Erfolgsaussichten und Risiken der Behandlung aufklären. Tut er das nicht und tritt ein Schaden ein, so haftet der Arzt im Rahmen seiner Aufklärungspflichten, wenn der Patient bei korrekter Aufklärung die Behandlung abgelehnt hätte.

Die Aufklärungspflicht des Arztes – Behandlungsfehler in Österreich & Entschädigung

Damit eine Aufklärung korrekt durchgeführt wurde, muss sie verschiedene Kriterien erfüllen. Der Arzt muss den Patienten über die Art der Behandlung informieren, über Risiken und etwaige Folgen der Behandlung sowie über alternative Behandlungen. Auch die Aufklärung darüber, was eine Unterlassung der Behandlung für Folgen haben kann, gehört zum Gespräch, das der Arzt mit dem Patienten führen muss.

Diese Aufklärung muss so erfolgen, dass der Patient sie auch verstehen kann. Es genügt nicht, dem Patienten einfach ein paar Formulare zum Durchlesen zu geben, sondern der Arzt muss dem Patienten die geplante Behandlung auch mündlich erklären und sicherstellen, dass der Patient die Aufklärung auch verstanden hat.

Die Aufklärung muss vom Arzt dokumentiert werden, weil ihn die Beweislast trifft, den Patienten ordentlich aufgeklärt zu haben.

Bei schwerwiegenden Behandlungen wie Operationen muss dem Patienten auch genügend Zeit bleiben, um alles in Ruhe zu überdenken. Die Dauer dieser Bedenkzeit hängt von der Schwere der Behandlung und ihrer Dringlichkeit ab. Wenn eine Aufklärung nicht möglich ist, z. B. weil der Patient nach einem Unfall bewusstlos ist und die Behandlung sofort durchgeführt werden muss, um sein Leben zu retten, kann eine Aufklärung natürlich nicht durchgeführt werden. 

Fehler bei der Behandlung – Arten der Behandlungsfehler im Medizinrecht 

Fehler im Rahmen der Behandlung (auch Kunstfehler genannt) werden nach einem Maßstab beurteilt, dem das Wissen und Können der Medizin zugrunde liegen. Der Arzt muss so kompetent und sorgfältig sein, wie es dem Standard seiner Berufsgruppe entspricht.

Einige Beispiele für Behandlungsfehler sind u. a. eine fehlerhafte Diagnose oder die fehlerhafte Durchführung einer Operation (z. B. Vergessen von Material im Körper des Patienten; unabsichtliche Verletzung anderer Organe) oder eine schlechte Organisation (z. B. Zeitmangel bei der Behandlung, fehlende Ausstattung).

Wenn die Voraussetzungen für Schadenersatz nun gegeben sind, dann stellt sich die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes (Schmerzensgeld) und wie er gerichtlich durchsetzbar ist.

Ansprüche auf Schadenersatz können aus unterschiedlichen Schäden resultieren. Denkbar ist Schadenersatz unter anderem für

Kosten weiterer Behandlungen und Pflege (wenn zum Beispiel durch eine falsche Behandlung weitere Behandlungen notwendig werden)

Verdienstentgang (wenn der Patient wegen der falschen Behandlung seinem Erwerb nicht nachgehen kann)

Unterhalt für Angehörige (wenn zum Beispiel ein Patient aufgrund falscher Behandlung gestorben ist und unterhaltsberechtigte Kinder hinterlässt)

Schmerzensgeld für erlittene Schmerzen (körperlicher und seelischer Natur), Verunstaltungen oder Trauer

Umbau einer Wohnung, wenn der Patient infolge eines Kunstfehlers auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Die Kriterien, die die Gerichte anwenden, um die Höhe eines Schadenersatzes festzustellen, beinhalten unter anderem die folgenden Punkte:

  • Art der Verletzung/Schädigung
  • Dauer und Stärke der Schmerzen sowie ihre Wahrnehmungsfähigkeit
  • Notwendigkeit von Folgeoperationen
  • Schwere der Folgeoperationen
  • Dauer des Krankenhausaufenthaltes
  • Dauer einer ambulanten Behandlung
  • Schwere des erlittenen Schadens
  • Alter des Patienten und berufliche Situation bzw. Aussichten
  • Erwartete Dauer des Leidens
  • Psychische Dauerfolgen

Speziell Schmerzen sind eine sehr subjektive Angelegenheit und für einen Fremden ist es schwierig einzuschätzen, wie schwer die Schmerzen für den Betroffenen tatsächlich waren. In der Praxis hat sich eine Unterteilung von Schmerzen in drei Kategorien entwickelt:

Leichte Schmerzen: Der Patient kann sein Leben weiterführen, sich von den Schmerzen ablenken und unter Umständen sogar arbeiten. In diesem Fall werden 24 Stunden durchgehende Schmerzen mit ca. 110 Euro bewertet.

Mittlere Schmerzen: Der Patient wird zur Hälfte von den Schmerzen dominiert, kann also noch gewisse Handlungen setzen. 24 Stunden durchgehende Schmerzen werden hier mit ca. 220 Euro bewertet.

Schwere Schmerzen: Der Patient wird von den Schmerzen dominiert, kann sich durch nichts von den Schmerzen ablenken. Hier werden 24 Stunden durchgehende Schmerzen mit ca. 330 Euro bewertet.

Wenn es in einem Gerichtsverfahren um die Klassifizierung der Schmerzen geht, wird meist ein Sachverständiger beauftragt, die Schmerzen des Patienten einzustufen.

Einige konkrete Beispiele für in der Vergangenheit von österreichischen Gerichten zuerkannten Schadenersatz für Schmerzen und körperliche Schäden zeigen die Bandbreite an Beträgen.

Für Schmerzen nach einem Rippenbruch wurden 1.502 Euro zuerkannt.

Eine mangelhafte kieferorthopädische Behandlung (falsch eingestellte Zahnspange) bei einem Kind führte zu einem Schadenersatz von 3.997 Euro.

Die Schädigung von Nerven nach einer fehlerhaften Entfernung der Weisheitszähne wurde mit 12.000 Euro abgegolten.

Für schwerwiegende Hirnschädigungen durch Sauerstoffmangel bei der Geburt wurde durch ein österreichisches Gericht ein Betrag von 87.207 Euro zugesprochen.

Wie kann ein Patient nun den Schadenersatz bei einem österreichischen Gericht einklagen? Zuerst sollte man sich einen Rechtsanwalt suchen, der mit dieser Art von Prozess bereits Erfahrung hat. Er hat Praxis im Umgang mit Ärzten und Sachverständigen, kann abschätzen, welche Unterlagen hilfreich sind, und weiß, was an Schadenersatz realistisch ist.

Besonderheiten der Gerichtsverfahren um Arztfehler –Behandlungsfehler & Arzthaftung in Österreich

Die österreichische Rechtsprechung hat speziell für Prozesse wegen Arzthaftung einige Regeln entwickelt, die dem geschädigten Patienten zugutekommen. Normalerweise muss ja der Kläger zweifelsfrei beweisen, dass der durch ihn erlittene Schaden durch den Beklagten verursacht wurde. Dies ist gerade bei Prozessen um Kunstfehler eine sehr hohe Hürde, und so hat der Oberste Gerichtshof einige Entscheidungen gefällt, die diese Hürde für den durch einen Arztfehler Geschädigten senken.

So genügt es, wenn der Kläger (Patient) beweist, dass der durch ihn erlittene Schaden mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit durch den Kunstfehler des Arztes verursacht wurde.

Wenn diese Wahrscheinlichkeit belegt ist, dann muss der beklagte Arzt (oder das Krankenhaus) beweisen, dass die von ihm begangene Sorgfaltsverletzung „mit größter Wahrscheinlichkeit“ nicht die Ursache für den Schaden des Patienten war. Hier findet also eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten statt. Sie soll den Nachteil des Patienten gegenüber dem Arzt ausgleichen, denn der Arzt hat immer mehr Informationen über die Details der Behandlung zur Verfügung als der Patient, der seine Informationen ja nur vom Arzt bekommen kann.

Auch bei der Verletzung der Aufklärungspflicht besteht eine Beweislastumkehr. Der Arzt (bzw. das Krankenhaus) muss beweisen, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung über die Behandlung seine Zustimmung zur Behandlung erteilt hätte.

Ansprüche auf Schadenersatz müssen grundsätzlich binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger geltend gemacht werden (§1489 ABGB). Nach 30 Jahren sind Ansprüche auf Schadenersatz dann endgültig verjährt.

Wenn Sie als Patient ihren Anspruch auf Schadenersatz evaluieren und gegebenenfalls durchsetzen wollen, wenden Sie sich am besten an einen entsprechend erfahrenen Rechtsanwalt. Gleiches gilt, wenn Sie als Arzt oder Krankenhaus mit Forderungen nach Schadenersatz konfrontiert sind. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann die Chancen bei einem Gerichtsverfahren deutlich verbessern oder einen Prozess durch eine außergerichtliche Einigung überhaupt vermeiden.

Foto(s): Pixabay License


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Hannes Wiesflecker

Beiträge zum Thema