Auch für Scheinbewerber Antidiskriminierungsschutz?

  • 1 Minuten Lesezeit

Das Bundesarbeitsgericht legte mit Beschluss vom 18.06.2015 dem Europäischen Gerichtshof unter anderem folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Hintergrund dieses Beschlusses bildete der Fall eines Volljuristen, der bereits 2001 seine Ausbildung abgeschlossen hatte und überwiegend selbstständig tätig war. Gleichwohl bewarb er sich bei einem Versicherungskonzern auf ein "Trainee-Programm 2009".

Die Bewerbung des Volljuristen blieb erfolglos, worauf er eine Entschädigung in Höhe von 14.000,00 € verlangte und schließlich entsprechende Klage erhob.

Das BAG kam „aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens“ des Klägers zu der Einschätzung, dass dieser sich gar nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hatte. Damit sei der Kläger aber nach deutschem Recht nicht als „Bewerber“ und „Beschäftigter“ i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG anzusehen.

Das europäische Recht, welches durch das deutsche AGG umgesetzt werden sollte, verwende aber nicht die vorbezeichneten Begriffe, sondern schütze den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Damit sei unklar, ob das europäische Recht nicht vielleicht das Vorliegen einer formalen Bewerbung ausreichen lassen würde (BAG, Beschl. v. 18.06.2015, 8 AZR 848/13 (A)).

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Michael Kaufmann

Die Vorlage des BAG an den EuGH betrifft eine interessante Fallkonstellation: Immer wieder kommt es vor, dass durchgreifende Zweifel daran bestehen, ob ein abgelehnter, aber nicht grundsätzlich ungeeigneter Bewerber, der im Nachhinein Entschädigungsansprüche geltend macht, sich überhaupt tatsächlich mit dem Ziel der Einstellung an den stellenausschreibenden Arbeitgeber wandte.

Da die Grenzziehung im Einzelfall durchaus nicht einfach ist, wird es interessant sein, wie der EuGH diese Frage beantworten wird.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Michael Kaufmann