Außerordentliche Kündigung im öffentlichen Dienst: bei vielen Kurzerkrankungen wirksam?

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Für Angestellte im öffentlichen Dienst gelten im Hinblick auf Kündigungsmöglichkeiten teils besondere Regelungen. So ist eine ordentliche Kündigung von Angestellten im öffentlichen Dienst unter bestimmten Voraussetzungen nicht möglich, wenn der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gilt. Außerordentliche Kündigungen sind aber auch bei Angestellten möglich, bei denen eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist.

Ob häufige Kurzzeiterkrankungen über Jahre hinweg einen Grund für eine außerordentliche Kündigung im öffentlichen Dienst darstellen können, entschied das Bundesarbeitsgericht 2018 (BAG, Urteil v. 25.4.2018, Az.: 2 AZR 6/18).

Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst

Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Angestellter im öffentlichen Dienst nicht ordentlich gekündigt werden. Damit dieser besondere Kündigungsschutz greift, muss der Angestellte / die Angestellte allerdings

  • wenigstens 15 Jahre im öffentlichen Dienst beschäftigt sein,
  • darf den Arbeitgeber in dieser Zeit nicht gewechselt haben und muss zusätzlich 
  • mindestens 40 Jahre alt sein.

Ist das der Fall, besteht besonderer Kündigungsschutz nach dem TV-L – jedenfalls für Angestellte im Tarifgebiet West.

Eine außerordentliche Arbeitgeberkündigung aus wichtigem Grund ist allerdings dennoch möglich. Das regelt § 34 Abs. 2 TV-L i.V.m. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Laut BAG ist eine solche außerordentliche Kündigung u.a. denkbar, wenn der Angestellte wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen nicht arbeitsfähig ist, der Arbeitgeber aber mit hohen Entgeltfortzahlungskosten belastet ist.

Worum ging es vor dem BAG?

Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um den Fall eines Angestellten im öffentlichen Dienst (50 Jahre), dem von seinem Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, gegen die sich der Angestellte zur Wehr setzte. Er war mehr als 15 Jahre ununterbrochen bei diesem Arbeitgeber beschäftigt, der TV-L war anwendbar. Damit war eine ordentliche Kündigung des Mannes nicht möglich (s.o.).

Der Arbeitgeber hatte die außerordentliche Kündigung ausgesprochen, weil der Angestellte über mehrere Jahre immer wieder arbeitsunfähig krank war. So war der Mitarbeiter u.a. zwischen 29.9.11 bis 28.3.13 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, in den anschließenden drei Jahren im Durchschnitt knapp 95 Arbeitstage pro Beschäftigungsjahr. Der Arbeitgeber musste für die Erkrankungsphasen immer wieder Lohnfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) leisten. Vor allem auf die Belastung durch die Entgeltfortzahlung stütze der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung.

Diese Kündigung wollte der Arbeitnehmer aber nicht akzeptieren und erhob Kündigungsschutzklage. Vor dem Landesarbeitsgericht bekam er Recht: ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung habe in den häufigen Erkrankungen nicht vorgelegen, so die Richter. Die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Gegen dieses Urteil legte der Arbeitgeber Revision zum BAG ein.

BAG: Zurückverweisung zur Interessenabwägung im Einzelfall

Die Entscheidung des BAG brachte keine endgültige Entscheidung in diesem Fall. Grundsätzlich sei es zwar möglich, dass häufige Kurzzeiterkrankungen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Gerade wenn der Arbeitgeber für mehr als 30% der jährlichen Arbeitsleistung Entgelt entrichten müsse, ohne dass Arbeitsleistung erbracht werde, sei das eine erhebliche Belastung.

Allerdings urteilten die Richter nicht abschließend. Denn eine umfassende Abwägung der Arbeitgeberinteressen und der Arbeitnehmerinteressen im Einzelfall habe bisher nicht stattgefunden. Bei dieser Abwägung müssten neben der „verwertbaren Restarbeitszeit“ auch andere Faktoren berücksichtigt werden. Die Abwägung müsse allerdings das LAG vornehmen. Hierbei sei u.a. zu bedenken, dass der Arbeitnehmer noch etliche Jahre bis zum Renteneintritt an den Arbeitgeber gebunden sei – ggf. über die Dauer der Jahre eine zu hohe Belastung für den Arbeitgeber durch zahlreiche Arbeitsausfälle wegen Kurzzeiterkrankungen und damit verbundene Entgeltfortzahlungsansprüche.

Auswirkungen der Entscheidung 

Häufige Kurzzeiterkrankungen, die mit einer Lohnfortzahlung verbunden sind, können einen Grund für eine Kündigung sein. Das gilt auch im Falle von Angestellten im öffentlichen Dienst, die nicht ordentlich gekündigt werden können. Der wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung ist dann die unverhältnismäßig hohe Belastung des Arbeitgebers durch Entgeltfortzahlungsansprüche des Angestellten.

Wichtig ist allerdings: Es kommt auch hier immer auf den Einzelfall an! Vor allem die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen hat große Bedeutung und muss gründlich und umfassend erfolgt sein.

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