AvP-Insolvenz: Aussonderungsansprüche der Gläubiger

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In dem am 15.09.2020 beantragten vorläufigen Insolvenzverfahren über das Vermögen der AvP Deutschland GmbH  aus Düsseldorf stellt sich die Frage, ob die Gläubiger in Bezug auf ihre Ansprüche das Recht auf Aussonderung haben oder nicht. Die Gelder bei der AvP Deutschland GmbH  sollen auf Treuhandkonten liegen. Die Frage des Aussonderungsanspruchs bei Geld in Insolvenzverfahren ist in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten ungeklärt.

Es kommt letztlich auf die Trennbarkeit und Aussonderungsfähigkeit von Vermögenswerten an. Eine Aussonderung setzt voraus, dass die auszusondernden Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sind. Sobald vertretbare Gegenstände mit anderem Vermögen vermischt werden, lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was Treugut ist. Bei einer Vermischung von fremdem mit eigenem Geld soll ein Aussonderungsanspruch ausscheiden. Werden die Treuhandverträge für unwirksam erklärt, fällt das Aussonderungsgut ebenfalls in die Masse.

Aber: Maßgeblich ist der Wille der Treuhandbindung durch den Treuhänder, nicht bloße Ordnungsmängel. Die Trennung und Herausgabe fremden Geldes aus der Insolvenzmasse darf nicht auf gegenständlich unterscheidbare Geldbestände beschränkt bleiben. Vertreten wird, als besondere Eingriffskondiktion des Insolvenzrechts erlaube § 48 Satz 2 InsO vielmehr eine betragsmäßige Aussonderung der in der Masse vorhandenen Bereicherung (nach Tilman Rauhut, Aussonderung von Geld, ISBN 978-3-16-155980-8 in Vorbereitung).

In dem Urteil des Bundesgerichtshofes - IX ZR 49/10 - wird ausgeführt, dass die Frage der Aussonderung von einem Anspruch gegenüber Treuhändern in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt sei:

a) Der Treuhandvertrag als solcher ist im Gesetz nicht geregelt. Unter welchen Voraussetzungen Treugut gemäß § 47 InsO in der Insolvenz des Treuhänders ausgesondert werden kann, ist ebenfalls nicht geregelt und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abschließend geklärt. 

In dem BGH-Urteil vom 10.02.2011 – IX ZR 49/10 - scheiterte ein Aussonderungsrecht eines Gläubigers nur daran, dass sich die Schuldnerin nicht an die vertraglichen Absprachen gehalten, sondern die Kundengelder vertragswidrig zu eigenen Zwecken verwandt und mit eigenem Geld vermischt hatte. Die beiden Vorinstanzen hatten aber noch ein Aussonderungsrecht für den entschiedenen Einzelfall bejaht.

In dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 27.04.2017 – IX ZR 198/16 - wird hingegen festgehalten, dass eine geringfügige Vermischung mit eigenem Geld unschädlich sei. Letztlich kommt es auch nicht auf die Vermischung an, sondern auf die Trennbarkeit. Eine derartige Trennbarkeit dürfte überwiegend vorgelegen haben.

Zu bedenken ist, dass das Treugut aufgrund formaler Mängel nicht einfach in die Masse fallen kann. Vielmehr findet in Ansehung einer seit Jahrzehnten ungeklärten Lage eine Minderung des Treuegutes statt. Fehlt beispielsweise ein Drittel des Treueguts, so stünden dem Empfänger auch nur zwei Drittel zu. Eine Übereignung von Treuegut aufgrund formeller Mängel in die Insolvenzmasse wäre unverhältnismäßig und stellte schlichtweg eine Enteignung dar. Freilich bietet die Rechtspraxis eine Umdeutung von Aussonderungsklauseln in Absonderungsklauseln an. Damit würden direkte Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter außerhalb des Insolvenzverfahrens in Ansprüche innerhalb des Insolvenzverfahrens umgeschaffen werden. Es würde dann § 171 InsO Verwendung finden. 

Fazit: Die Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit von Treuhandverträgen in der Insolvenz hat sich in der Debatte zugunsten der Gläubiger verbessert und geht in Richtung Umschaffung von Aussonderungsrechten in Absonderungsrechte. Die Versorgung der Bevölkerung durch Apotheken ist lebenswichtig. Gefragt ist in der derzeitigen Situation eine Unterstützung wie bei Air Berlin durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau an den Insolvenzverwalter und die betroffenen Apotheken.


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