Baunachbarklage – Anspruch auf baurechtliches Einschreiten

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Die Entscheidung:

Der VGH Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 14.08.2018, 5 S 2083/17, zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der Nachbar einen Anspruch auf Einschreiten der Baurechtsbehörde nach § 65 S. 1 LBO hat im Falle eines Überschreitens der hinteren Baugrenze durch eine weitere Terrasse mit Stützmauer.

Das aus der Vorschrift abzuleitende Erschließungsermessen bei Verletzung einer nachbarschützenden Norm könne sich ausnahmsweise zu einem Anspruch auf Einschreiten der Baurechtsbehörde verdichten („Ermessensreduktion auf Null“), wenn jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Eine solche Ausnahme komme aber grundsätzlich nur bei besonderer Intensität der Störung oder Gefährdung eines wesentlichen Rechtsguts des Nachbarn sowie dann in Betracht, wenn die verletzte drittschützende Vorschrift unzumutbare Beeinträchtigungen verbiete. Dies gelte wiederum dann nicht, wenn der Baurechtsbehörde sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite stünden.

Darüber hinaus stehe dem Nachbar ein Anspruch auf Erlass einer gegen den Bauherrn gerichteten Abbruchanordnung nicht schon deshalb zu, weil die Baurechtsbehörde ihm gegenüber wegen der Rechtsverletzung zur Folgenbeseitigung verpflichtet sei. Vielmehr beschränke sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf das Verhältnis zwischen dem Anspruchsberechtigten und der verpflichteten Behörde.

Zu einem Eingriff in die Rechte des Bauherrn sei die Behörde nur auf Grund und nach Maßgabe einer im Verhältnis zum Bauherrn wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage befugt. Das insoweit nach § 65 S. 1 LBO eröffnete Ermessen sei auch nicht allein deshalb auf Null reduziert, weil die Baurechtsbehörde außer der Verletzung des Nachbarrechts auch die gegenüber dem Nachbarn bestehende Folgenbeseitigungspflicht zu berücksichtigen habe. Denn sie habe daneben zu berücksichtigen, dass der Bauherr das Bauvorhaben im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung errichtet habe. Das Erhaltungsinteresse des Bauherrn genieße in diesem Fall zumindest den gleichen Schutz, wie wenn der Bauherr von Anfang an ohne Genehmigung gebaut hätte. Eine Verpflichtung zum Einschreiten bestehe für die Behörde auch in diesem Fall nur bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung eines wesentlichen Rechtsguts des Nachbarn.

Nur dann, wenn besonders hochwertige Rechtsgüter gefährdet werden, könne das Ermessen derart schrumpfen, dass nur eine Entscheidung – nämlich ein Einschreiten gegen die Anlage – vom Ermessen gedeckt sei.

Fazit:

Der Nachbar hat grundsätzlich nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baurechtsbehörde. In Ausnahmefällen kann dieses Ermessen so verdichtet sein, dass die Behörde zum Einschreiten verpflichtet ist. Das ist dann der Fall, wenn das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Normen verstößt, welche unzumutbare Beeinträchtigungen verbieten und die Baurechtsbehörde keine sachlichen Gründe für eine Untätigkeit vorbringen kann.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Andreas Klinger

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Sozialrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Gaßmann & Seidel, Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Stuttgart


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