Beim Unfall nicht angeschnallt: Mithaftung?

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Im Falle einer Unfallverletzung im Straßenverkehr bei einem nicht angelegten Sicherheitsgurt kann eine anspruchsmindernde Mithaftung des Geschädigten nur dann angenommen werden, wenn feststeht, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen entweder bei angelegtem Gurt verhindert worden wären, oder jedenfalls weniger schwerwiegend gewesen wären.

In dem entschiedenen Fall (OLG München, Urteil vom 25.10.2019, Aktenzeichen 10 U 3171/18), war es zu einem Unfall gekommen, den der Geschädigte nicht zu vertreten hatte. Er erlitt den Schaden, als der Beklagte mit dem von ihm geführten Fahrzeug übersah, dass der Fahrer eines vor ihm fahrenden Fahrzeuges seine Geschwindigkeit verkehrsbedingt verringern musste, so dass der Beklagte auf das vor ihm fahrende Fahrzeug auffuhr. Das aufgeschobene Fahrzeug wurde auf ein weiteres davor fahrendes Fahrzeug aufgeschoben, das auf die Gegenfahrbahn geriet, wo es mit dem Fahrzeug des Klägers kollidierte.

Der im Fahrzeug des Klägers eingebaute Airbag öffnete sich. Der Kläger hatte den in seinem Fahrzeug vorhandenen Sicherheitsgurt nicht angelegt. Er wurde bei dem Unfall schwer verletzt.

Das Gericht äußerte sich eingehend zu der Frage, ob der Geschädigte deswegen seine Ansprüche gekürzt hinnehmen muss, weil er keinen Gurt angelegt hatte. Dies, obwohl ihn ansonsten keine Schuld an dem Unfall Ereignis traf.

Zunächst stellte das Gericht klar, dass bei verschiedenen Verletzungen, bei denen sich der angelegte Gurt unterschiedlich ausgewirkt hätte, zusammenfassend eine einheitliche mit Haftungsquote gebildet werden darf. Bei Verletzungen infolge eines Verkehrsunfalls besteht nur dann eine Anspruchsmindernde Mithaftung des Geschädigten, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre. Dies hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahre 1980 (VersR 1980, S. 824 f.) entschieden. Die Bemessung des Mitverschuldens wegen des nicht Anlegen des Sicherheitsgurtes erfolgt hiernach einheitlich. Zwar mag der Umstand, dass der Kläger sich nicht angegurtet hatte, für jede der von ihm erlittenen Verletzungen von unterschiedlichem Gewicht gewesen sein. Dies führt aber nicht dazu, dass der Geschädigte Schadensersatz nur für die Verletzungen verlangen kann, die er auch erlitten hätte, wäre er angegurtet gewesen.

Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist es aus Gründen praktischer Handhabung geboten, bei verschiedener Auswirkung des Nichtangurten auf einzelne Verletzungen, unter Abwägung aller Umstände der Verletzte also von einer Kürzung seiner Ersatzansprüche verschieden stark getroffen wird, eine einheitliche Mitverschuldensquote zu bilden (vgl. auch BGH, Urteil vom 28.2.12, VI ZR 10/11).

Grundsätzlich können dem Schädiger auch bei der Frage, ob die vom Geschädigten erlittenen Verletzungen ganz oder zum Teil auf das Nichtanlegen des Gurtes zurückzuführen sind, die Regeln des Anscheinsbeweises zugutekommen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Unfall einer der hierfür typischen Gruppen von Unfallabläufen zuzuordnen ist.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes. Die Abwägung und Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des Mitverschuldens sei nach § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmen. Hierbei sei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls insbesondere der Klärung des Unfallhergangs geboten. Zwischen den Parteien war nun der Unfallhergang unstreitig, weshalb die Beklagte zunächst zu 100% für den Unfall hafteten. Und nun das Entscheidende: der Geschädigte hatte sich insgesamt eine Mitverursachungsquote von 30% zurechnen zu lassen, weil er den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte. Dies bedeutete im vorliegenden Fall, dass er lediglich 70% seiner Körperschäden im Wege des Schmerzensgeldes erstattet bekam.

Zudem konnte der Geschädigte nicht seinen vollständigen Erwerbsschaden geltend machen. Auch an dieser Stelle kürzte somit das Gericht. Der Kläger übte vor dem Unfallereignis den Beruf des Werkzeugbauers aus, er hatte demnach für Fahrtkosten zur Arbeitsstätte, Berufskleidung etc. Einsparungen in den Zeiträumen des Verdienstausfalles. Das Gericht hielt im vorliegenden Fall einen pauschalen Abzug von 5% für berufsbedingte ersparte Aufwendungen für sachgerecht. Ein entsprechender Abzug wurde somit auch an dieser Stelle festgestellt.


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Foto(s): Henning Hartmann


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