Beschädigtes Paket

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Es ist noch gar nicht lange her, als ein Otto-Normal-Verbraucher sich kaum vorstellen konnte, Waren in verschiedenen Ländern zu vergleichen und vom Ausland nach Hause liefern zu lassen. Versandkataloge waren zwar verbreitet, aber erst mit dem Zeitalter des E-Commerce wurde es wirklich einfach, Waren aus der ganzen Welt zu bestellen. Dies hat noch einen Vorteil: man kann damit digital ins Ausland reisen und die Preisvorteile daraus ziehen. Schnäppchen in einem anderen Land gejagt zu haben ist ein schönes Gefühl, doch was soll man tun, wenn die gewünschte Ware beschädigt ankommt?

Nehmen wir den Fall Polens, das Land, das in letzter Zeit etwa im Möbelbau und in der Hausausstattungsherstellung EU-weit führt. Immer häufiger kaufen die Verbraucher die Waren direkt bei polnischen Herstellern, denn es ist billiger und oft schneller als bei einem Händler im eigenen Land. Nehmen wir das Beispiel Herrn Müllers. Er wohnt in Deutschland und kauft nun über das Internet bei einem polnischen Unternehmen für sein neues Haus Designerheizkörper. Ein paar Tage nach der Kaufabwicklung bekommt Müller seine Pakete eingeliefert. Sein Glück wird zur Enttäuschung, als er sich die Kartons anschaut. Die gewünschten Heizkörper wurden beschädigt eingeliefert. Wie kann er seine Recht geltend machen?

Gewiss ist eine solche Situation der Albtraum jedes Verbrauchers. Wer ist daran schuld? Wo soll er seine Rechte geltend machen? Eine Reklamation bei den Spediteuren dauert lange und selbst wenn sie erfolgreich wird, bekommt der Verbraucher lediglich den Schadensersatz und nicht das, woran es ihm am meisten liegt – die mangelfreie Ware. Außerdem könnte es immer strittig sein, wo und wann die Ware beschädigt wurde. Diese Streitigkeiten möchte sich jeder Verbraucher sparen. Wie kann man aber seine Rechte gegenüber einem polnischen Unternehmen geltend machen, wenn man seine Ware von Deutschland aus über das Internet gekauft hat?

Zwar gilt generell nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) bei den Verbraucherverträgen das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, doch in der Praxis schreiben fast alle Unternehmen, die die Verträge mit Verbrauchern abschließen, in ihre AGBs hinein, dass das Recht des Staates, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, angewendet wird. Das können sie auch durchaus machen. Man kann davon ausgehen, dass der Kontrahent des Herrn Müller sich auch vorsorglich um eine solche Bestimmung gekümmert hat.

In diesem Fall gilt das polnische Recht, vor allem der Zivilkodex und das Gesetz über die Rechte des Verbrauchers. Gewiss kann man den Lieferanten zur Rechenschaft ziehen und Reklamationen einreichen, doch viel effizienter ist es, seine Rechte aus dem Zivilkodex direkt geltend zu machen.

Was kann der Verbraucher überhaupt verlangen? Nach dem Art. 561 des polnischen Zivilkodexes sind das: die Herausgabe einer mangelfreien Sache oder eine Reparatur. Das Wahlrecht liegt beim Verbraucher.

Nach dem polnischen Recht liegt das Risiko der Beschädigung einer Sache bei dem Verkäufer, solange er die Sache nicht an den Käufer übergibt. Als Übergabe gilt auch die Übergabe an einen professionellen Beförderer. Im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs geht das Risiko nur an den Verbraucher über, wenn er selber den Beförderer bestimmt. Wenn nicht, bleibt das Risiko beim Verkäufer. Wie ist dies zu verstehen?

Bei dem Verbrauchsgüterkauf entscheidet meistens der Verbraucher, wie er seine Ware geliefert bekommen möchte. Doch seine Wahl ist meistens auch beschränkt durch die Möglichkeiten, die vom Verkäufer zur Verfügung gestellt werden. Bedeutet dies, dass der Verbraucher bereits dadurch den Lieferanten bestimmt und dadurch das Risiko der Beschädigung während des Transports trägt? Nein, das wäre der Fall, wenn der Verbraucher namentlich eine Person oder ein Unternehmen, die seine Ware übernehmen und liefern sollte, bezeichnet.

Herr Müller aus dem Beispielfall soll zuerst seinen Kontrahenten in Polen kontaktieren und Bescheid geben, dass die Ware beschädigt bzw. mangelhaft angekommen ist. Nach dem polnischen Postrecht sollte in der Regel jede Beschädigung der Postsendung protokollarisch dokumentiert werden, was die Grundlage einer Reklamation darstellen sollte, doch beim Verbrauchsgüterkauf ist das nicht zwingend notwendig. Darüber hinaus muss der Verbraucher gar nicht seine Reklamationsrechte aus dem Postrecht gegenüber dem Lieferanten geltend machen, sondern lediglich seine Rechte aus dem Zivilkodex. Andere Bestimmungen in den AGBs des Verkäufers sind nach dem polnischen Recht ungültig.

Herr Müller darf also eine Reklamation seiner mangelhaften Heizkörper direkt beim Verkäufer stellen, ungeachtet dessen, ob die Ware während des Transports beschädigt wurde oder ob sie bereits mangelhaft durch den Verkäufer verschickt wurde. Dies stellt eine enorme Begünstigung des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer dar. Der Unternehmer könnte allerdings den Verbraucher bitten, die Forderung gegenüber dem Spediteur an ihn abzutreten. Solche Bitte muss der Verbraucher nicht zwingend befolgen. Aus Kulanz könnte es aber Sinn machen, wenn die Beschädigung wegen schuldhaften Vorgehens des Lieferanten entstanden ist.

Die Verbraucherfragen sind heutzutage äußerst verbraucherfreundlich geregelt. Doch wenn die grenzüberschreitenden Aspekte ins Spiel kommen, könnte die Sache allein wegen der Sprachdifferenzen komplizierter werden. Wir werden Ihnen gerne auch bei der Lösung verbraucherrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit Polen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ihr Kanzleiteam der Kanzlei Sabina Ociepa-Mendel


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