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Gesetzliche Betreuung: Gibt es eine Vormundschaft für Erwachsene?

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Gesetzliche Betreuung: Gibt es eine Vormundschaft für Erwachsene?

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Diese und weitere Fragen sind Gegenstand dieses Ratgebers. Denn ob aufgrund altersbedingter Krankheiten, infolge eines Unfalls oder wegen einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung: Einschränkungen, durch die man als erwachsene Person – manchmal ganz plötzlich – seine rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst erledigen kann, können jeden treffen.  

In solchen Fällen kann nach Unterstützung gesucht und unter Umständen auch ein rechtlicher Betreuer –auch gesetzlicher Betreuer genannt – beantragt werden. Dabei geht es jedoch nicht um eine pflegerische oder gesundheitliche Betreuung.  

Vielmehr unterstützt ein rechtlicher (umgangssprachlich: gesetzlicher) Betreuer einen volljährigen Betroffenen bei verschiedenen rechtlichen Dingen, die dieser nicht mehr selbst erledigen kann. Das können beispielsweise Arzttermine, der Gang zur Behörde oder ein Vertragsgespräch sein. Der rechtliche Betreuer wirkt dabei immer im Sinne des Betroffenen unterstützend mit. Den Umfang der Betreuung regelt § 1815 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Jedoch soll diese Möglichkeit immer als letztes geeignetes Mittel gelten. 

Voraussetzungen zur Bestellung eines Betreuers

Der § 1814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) definiert dabei die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um einen Betreuer zu bestellen. In Absatz 3 wird der Erforderlichkeitsgrundsatz betont. 

(3) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers ist insbesondere nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen 

1. durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Absatz 6 bezeichneten Personen gehört, gleichermaßen besorgt werden können oder 

2. durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, erledigt werden können, insbesondere durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten oder anderen Vorschriften beruht. 

Wie wird die gesetzliche (rechtliche) Betreuung beantragt?

Einleitung des Verfahrens durch Antragstellung (Anregung) 

Um ein Betreuungsverfahren auszulösen, muss zunächst die rechtliche Betreuung beantragt beziehungsweise angeregt werden. Dies kann entweder durch Antrag der betroffenen Person selbst oder – wie in den überwiegenden Fällen – durch Anregung Dritter erfolgen. Dritte sind dabei Personen von außen wie Freunde, Bekannte, Behörden, Ämter usw.  

Wenn diese besorgt sind und vermuten, dass der Betroffene bei der Erledigung seiner Angelegenheiten Hilfe benötigt, kann eine rechtliche (gesetzliche) Betreuung angeregt werden. In diesen Fällen ermittelt und entscheidet das Betreuungsgericht von Amts wegen. 

Der Antrag beziehungsweise die Anregung kann mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Betreuungsgerichts oder formlos schriftlich gestellt werden. Ebenso können Sie sich auch online Formulare ausdrucken oder sich solche zusenden lassen. 

Prüfung der Betreuungsanregung 

Nach dem Bekanntwerden der Umstände prüft das Gericht, inwieweit die vorliegenden Erkenntnisse weiterführende Ermittlungen zur Feststellung einer etwaigen rechtlichen (gesetzlichen) Betreuung des Betroffenen begründen. Dabei wird zuerst einmal der Betroffene selbst über das Verfahren und dessen Verlauf in Kenntnis gesetzt. Der Betroffene kann Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen.  

Sollte der Betroffene jedoch nicht dazu in der Lage sein, die Sachverhalte vollumfänglich zu verstehen, bestellt das Betreuungsgericht zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen einen Verfahrenspfleger, der ihn im gesamten Betreuungsverfahren unterstützt. Verfahrenspfleger können Rechtsanwälte oder Sozialarbeiter, aber auch Vertrauenspersonen aus dem eigenen Umfeld sein. 

Grundsätzlich soll der Betroffene vor der erstmaligen Bestellung eines Betreuers in seinem üblichen Umfeld angehört werden. Durch so einen Besuch soll der zuständige Richter einen Eindruck der gesamten persönlichen Situation des Betroffenen gewinnen. Dabei werden dem Betroffenen der Ablauf des möglichen Betreuungsverfahrens sowie die rechtlichen Folgen daraus erklärt. Gleichzeitig können Vertrauenspersonen des Betroffenen sowie ein gegebenenfalls bestellter Verfahrenspfleger anwesend sein.  

Diesem Hausbesuch kann jedoch auch widersprochen werden. In diesem Fall wird der Betroffene vor Gericht angehört. Weitere Möglichkeiten der Prüfung hat das Gericht durch die Befragung Dritter. 

Anhörung der Betreuungsbehörde 

Gemäß § 279 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) hat das Gericht vor der Bestellung eines Betreuers und vor Einholen eines Gutachtens die Betreuungsbehörde – Behörde der Stadt- und Landkreise, deren Aufgaben im Betreuungsorganisationsgesetz verankert sind – anzuhören. Außerdem kann auf Verlangen des Betroffenen eine ihm nahestehende Person angehört werden, wenn dies keine maßgebliche zeitliche Verzögerung des Verfahrens bedeutet. 

Einholung eines Gutachtens

Ebenso hat das Gericht vor der Bestellung eines Betreuers im Zuge der Beweisaufnahme ein Gutachten eines sachverständigen Arztes für Psychiatrie – oder eines Arztes mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie – über die Notwendigkeit der Betreuungsmaßnahme einzuholen (§ 280 FamFG). Dies ist entbehrlich, wenn der Betroffene selbst die Betreuung angeregt beziehungsweise beantragt und auf die Begutachtung verzichtet hat. 

Das Gericht prüft umfassend alle Umstände. Sieht es Handlungsbedarf und hält es eine rechtliche Betreuung für erforderlich, prüft es, ob eine Betreuungsverfügung oder eine Vorsorgevollmacht vorliegen. Grundsätzlich gilt der Vorrang der Vorsorgevollmacht. Angehörige werden nicht von Amts wegen zum Betreuer bestellt.

Das Betreuungsgericht prüft genau, ob ein Betreuer geeignet ist. Sollten weder eine Betreuungsverfügung noch eine Vorsorgevollmacht vorliegen und benennt der Betroffene auch keine Person, bestellt das Betreuungsgericht einen ehrenamtlichen Betreuer oder einen Berufsbetreuer. 

Betreuung: Die Angst vor Entmündigung

Die Befürchtung, dass man als volljährige Person durch eine Betreuung nicht mehr selbst für sich entscheiden kann und dadurch entmündigt – oder bevormundet – wird, schwebt noch immer über den Köpfen vieler Menschen wie ein Damoklesschwert. Doch Sie können beruhigt sein: eine Entmündigung ist nicht mehr möglich!

Vor über 30 Jahren wurde dieses Vormundschafts- und Pflegerecht komplett abgeschafft. Es wurde durch unser Betreuungsrecht mit seinen einzelnen Aufgabenbereichen ersetzt. Selbst eine rechtliche Betreuung kann grundsätzlich nicht gegen Ihren Willen erwirkt werden. Rechtliche (gesetzliche) Betreuer unterstehen der strengen Aufsicht des Gerichts. Und seit Inkraftsetzung des neuen Betreuungsrechts am 1. Januar 2023 wird der Wunsch nach Selbstbestimmung der betreuten Person (Betroffener) noch stärker als bisher berücksichtigt. Die Pflichten eines Betreuers sind klar in § 1821 BGB (hat § 1901 BGB abgelöst) geregelt. Darin heißt es unter anderem: 

(2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Hierzu hat der Betreuer die Wünsche des Betreuten festzustellen. Diesen hat der Betreuer vorbehaltlich des Absatzes 3 zu entsprechen und den Betreuten bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Dies gilt auch für die Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. 

Sie sehen: Auch mit rechtlicher (gesetzlicher) Betreuung bleiben Betroffene weiterhin handlungsfähig.

Foto(s): ©Adobe Stock/Kaspars Grinvalds

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