Betriebsbedingte Kündigung infolge der aktuellen Krise?

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Die Wirtschaft leidet aktuell erheblich unter Corona und den Folgen. Nach der so genannten Finanzkrise im Jahr 2008 stieg die Zahl der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen deutlich an, obwohl auch damals das Instrument der Kurzarbeit viele Arbeitsverhältnisse retten konnte. Vermutlich werden die Auswirkungen in den nächsten Monaten, vielleicht auch Jahren jedoch viel gravierender sein, weil die wirtschaftlich nachteiligen Folgen mit Wahrscheinlichkeit mehr in die Breite gehen. Ganz besonders trifft es diesmal auch Kleinunternehmen sowie den Mittelstand, wobei z. B. bereits infolge des Wandels in der Automobilindustrie Schwierigkeiten für Unternehmen schon im Jahr 2019 begonnen haben.

Viele Unternehmer werden daher demnächst gezwungen sein, ihren Betrieb neu zu organisieren, neu zu strukturieren bzw. teilweise oder im schlimmsten Fall ganz zu schließen. Nicht immer werden die dadurch entfallenden Arbeitsplätze durch vorgezogenen Ruhestand, Auslaufen von Befristungen und Beendigung von Leiharbeit abgebaut werden können, sondern es wird auch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen.

Hier ist es wichtig, die gesetzlichen Regelungen in den Grundzügen zu kennen und sich bestmöglich auf eine solche Situation vorzubereiten.

Wichtig: Der allgemeine Kündigungsschutz gilt regelmäßig nur in Betrieben mit mehr als 10 vollbeschäftigten Arbeitnehmern (oder einer entsprechenden Zahl Teilzeitbeschäftigter); etwas anderes gilt unter Umständen nur für Arbeitsverhältnisse, die schon vor dem 01.01.2004 bestanden haben; da kann der Schwellenwert bei 5 vollbeschäftigten Arbeitnehmern liegen. Unterhalb dieser Schwellen kann insofern frei gekündigt werden, als es dann auf die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nicht ankommt. Der Arbeitgeber muss dann z. B. bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung nur die maßgebende (vertragliche, tarifliche oder gesetzliche) Kündigungsfrist einhalten. Diese ist regelmäßig von der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig.

Arbeitnehmer, die in einem Betrieb mit mehr Arbeitnehmern arbeiten (Geschäftsführer, Inhaber und Auszubildende werden nicht mitgerechnet) und zumindest ein halbes Jahr im Arbeitsverhältnis stehen, haben hingegen allgemeinen Kündigungsschutz. Das bedeutet als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Kündigung vor allem, dass aufgrund einer Organisationsänderung (z. B. Rationalisierung mit Personalreduzierung) im Betrieb oder aufgrund äußerer Faktoren (signifikanter Rückgang der Aufträge) das Bedürfnis, einen oder mehrere Arbeitnehmer zukünftig zu beschäftigen, dauerhaft entfallen wird. Es muss eine entsprechende Prognose angestellt werden.

Entfällt nur ein Teil der Arbeitsplätze, ist ggf. eine Sozialauswahl durchzuführen, wonach die älteren Arbeitnehmer, diejenigen mit längerer Betriebszugehörigkeit, mit Unterhaltspflichten oder solche, die schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, sozial stärker schutzbedürftig und deswegen erst nach den Arbeitnehmern zu kündigen sind, die sich nach diesen Kriterien als weniger schutzbedürftig erweisen (Sozialauswahl). Dabei muss der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozess die Gründe für die Kündigung und die Richtigkeit der Sozialauswahl darlegen und beweisen.

Wichtig: Von erheblichem Vorteil ist, wenn eine Rechtsschutzversicherung für den Bereich des Arbeitsrechts besteht, weil doch die Kosten eines Kündigungsschutzprozesses ganz erheblich sein können. Beispielsweise muss bei einem Brutto-Monatsentgelt von durchschnittlich 3.000,00 € schon in der ersten Instanz mit Anwaltskosten in Höhe von 1.532 € sowie Gerichtskosten in Höhe von 444 € gerechnet werden. Es gibt auch bei gewonnenem Prozess in der ersten Instanz keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten. Im Vergleich zu dieser Kostenbelastung nimmt sich der Versicherungsbeitrag gering aus.

Besteht eine Rechtsschutzversicherung, kann hingegen ohne Sorge vor den Kosten, ggf. mit Ausnahme einer geringen Selbstbeteiligung, die Kündigung gerichtlich angegangen werden.

Wichtig: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden (also z. B. nachdem die Kündigung persönlich übergeben wurde oder sich im Briefkasten findet). Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist beim Arbeitsgericht nicht vorgeschrieben; jedoch ist unbedingt zu empfehlen, sich von einem ausgewiesenen Arbeitsrechtler, am besten einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, vor Gericht vertreten zu lassen. Die vorgenannte Drei-Wochen-Frist muss unbedingt eingehalten werden.

Wichtig: Auch während einer Arbeitsunfähigkeit darf der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen. Immer noch weit verbreitet ist der Irrglaube, ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig sei, könne während der Arbeitsunfähigkeit nicht gekündigt werden. Im Gegenteil, es sind Konstellationen denkbar, dass gerade aus Gründen häufiger Kurzerkrankungen oder einer lang andauernden Erkrankung die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen kann. Auch Kurzarbeit schützt letztlich nicht vor einer betriebsbedingten Kündigung.

Wichtig: Es besteht bei einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich kein Abfindungsanspruch. Grundsätzlich keine Rechtsvorschrift in Deutschland sieht nämlich bei Kündigung von Arbeitsverhältnissen einen Abfindungsanspruch vor. Auch hier wird häufig noch vom Gegenteil ausgegangen. Der Arbeitgeber kann zwar mit der betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung anbieten unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt. Lässt der Arbeitnehmer deshalb in einem solchen Fall (aber nur in einem solchen!) die Klagefrist ungenutzt verstreichen, erwirbt er einen Abfindungsanspruch gegen den Arbeitgeber.

Abfindungsansprüche können auch aus einem Sozialplan herrühren, den der Betriebsrat des Unternehmens mit der Geschäftsleitung aus Anlass der Änderungen, die sich im Betrieb vollziehen werden, geschlossen hat. Auch in solchen Fällen kann es sich jedoch lohnen, Kündigungsschutzklage zu erheben, um möglicherweise das Arbeitsverhältnis doch zu retten oder zumindest eine höhere Abfindung zu erzielen.

Ansonsten jedoch verschafft niemand einem gekündigten Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch – außer er selbst. Abfindungen werden häufig und regelmäßig im Zuge der gütlichen Beilegung von Kündigungsrechtsstreiten vor dem Arbeitsgericht vereinbart. Häufig sind Arbeitgeber zu einer solchen Lösung bereit, nachdem sie gekündigt haben, weil sie das Risiko nicht auf sich nehmen wollen, nach verlorenem Kündigungsschutzprozess den Arbeitnehmer nicht nur zukünftig weiter beschäftigen, sondern ihm bzw. der Arbeitsagentur das bis dahin aufgelaufenen Entgelt nachzahlen zu müssen.

Die Chance, auf diese Art und Weise – durch eine Einigung vor Gericht – eine Abfindungszahlung zu erreichen, bietet sich einem gekündigten Arbeitnehmer logischerweise aber nur, wenn er rechtzeitig die Kündigungsschutzklage erhebt. Manchmal lässt sich eine solche einvernehmliche Lösung mit Abfindungszahlung auch im Vorfeld schon erzielen. Falls nicht, muss aber wie oben beschrieben rechtzeitig Klage erhoben werden, um die Sache zumindest offen zu halten. Danach kann immer noch weiterverhandelt werden.

Wer als Arbeitnehmer derzeit noch keine Rechtsschutzversicherung im Arbeitsrecht hat und eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht ausschließen kann, sollte überlegen, ob er nicht doch kurzfristig eine Rechtsschutzversicherung abschließt. Dabei ist auch die so genannte Wartezeit zu beachten, bis der Kostenschutz für die Kosten eines Rechtsstreits dann auch eintritt. Diese beträgt nach den Bedingungen des Versicherungsvertrages im Regelfall drei Monate. Geht dem Arbeitnehmer die Kündigung vorher zu, also noch in der Wartezeit, wird die Rechtsschutzversicherung die Kostenübernahme ablehnen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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