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BGH schränkt das Haftungsrisiko für GmbH-Gesellschafter ein

  • 4 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion
Die GmbH gehört zu einer der beliebtesten Rechtsformen für Unternehmen in Deutschland. Ihr besonderer Erfolg ist auch darauf zurückzuführen, dass man zu ihrer Gründung ein vergleichsweise geringes Stammkapital aufbringen muss und andererseits - wie es der Name schon sagt - nur die GmbH selbst mit ihrem Gesellschaftsvermögen gegenüber Dritten haftet. Die GmbH-Gesellschafter müssen anders als bei Personengesellschaften nicht für die Verpflichtungen der GmbH persönlich mit ihrem Privatvermögen einstehen.

Damit die Gläubiger einer GmbH trotzdem angemessen geschützt sind, gibt es zu diesem Haftungsprivileg der Gesellschafter jedoch Ausnahmen, sowohl gesetzliche als auch von der Rechtsprechung entwickelte. Der BGH hat vor kurzem („Trihotel"-Entscheidung vom 16.07.2007) das dadurch entstandene Haftungsrisiko für GmbH-Gesellschafter konkretisiert und deutlich eingeschränkt.

Die Haftung der GmbH-Gesellschafter nach bisheriger Rechtslage

Das grundsätzliche Haftungsprivileg der GmbH-Gesellschafter ist in § 13 Abs. 2 GmbHG verankert, wonach den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet.

Gesetzliche Haftung des Gesellschafters gegenüber der GmbH:

Damit der GmbH auch tatsächlich das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung steht, sind die Gesellschafter allgemein zur Kapitalaufbringung und zur Kapitalerhaltung verpflichtet. Das Gesellschaftskapital darf nicht an sie ausbezahlt werden gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG. Erfolgt dennoch eine solche Auszahlung an einen Gesellschafter, so ist dieser nach § 31 Abs. 1 GmbHG im Innenverhältnis zur GmbH zur Rückzahlung des Kapitals an sie verpflichtet. Ist von ihm der Forderungsbetrag nicht zu erlangen, so haften die übrigen Gesellschafter mit ihrem Vermögen für die Erbringung des Betrags, § 31 Abs. 3 GmbHG.

Richterliche Rechtsfortbildung: Durchgriffshaftung

Nicht alle Fälle von schädigendem Handeln der Gesellschafter zu Lasten der GmbH werden von §§ 30, 31 GmbHG erfasst, so dass die Rechtsprechung im Laufe der Zeit das Modell der Durchgriffshaftung entwickelt hat. Die Durchgriffshaftung erlaubt es den Gläubigern einer GmbH, unmittelbar die Gesellschafter für Verbindlichkeiten in Anspruch zu nehmen, d.h. durch den Schutzmantel des Haftungsprivilegs „durchzugreifen".

Im wesentlichen gibt es dazu drei Fallgruppen: Die „Vermögensvermischung", bei der aufgrund unordentlicher Buchführung nicht festzustellen ist, ob die Vorschriften zur Erhaltung und Sicherung des Stammkapitals eingehalten worden sind. Die „materielle Unterkapitalisierung", die vorliegt, wenn die GmbH mit völlig unzureichendem Stammkapital ausgestattet wird, das ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gerecht wird. Und schließlich der bedeutendste Fall des „existenzvernichtenden Eingriffs".

Ein existenzvernichtender Eingriff liegt vor, wenn die Gesellschafter der GmbH ihr Vermögen soweit entziehen, dass sie ihre Verbindlichkeiten kaum oder nicht mehr erfüllen kann. Die Rechtsprechung hat grundlegend im Fall der Bremer Vulkan AG 2001 (BGHZ 149, 10) entschieden, dass dann die Rechtsform der GmbH mit ihrem Haftungsprivileg missbraucht wird. Weil dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB verstößt, steht den Gesellschaftern das Haftungsprivileg nicht mehr zu. Sie haften vielmehr persönlich und unmittelbar den Gläubigern der GmbH für deren Verbindlichkeiten. In weiteren Urteilen hat der BGH dieses persönlich Haftung der Gesellschafter auch auf mittelbare Gesellschafter ausgeweitet, wenn diese einen beherrschenden Einfluss auf die GmbH haben (BGH 13.12.2004, Az.: II ZR 206/02; II ZR 256/02).

Probleme beim Rechtsinstitut des „existenzvernichtenden Eingriffs"

Kritisiert wurde an diesem Modell der Durchgriffshaftung, dass hier stets Unsicherheiten und Unklarheiten bestanden, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein solcher Eingriff tatsächlich vorlag. Der Durchgriffsanspruch war stets nur subsidiär gegenüber einem vorrangigen Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG. Für Gesellschafter bestand insbesondere bei neueren Finanzierungsmodellen wie etwa dem Leveraged-Buy-Out oder auch innerhalb eines Konzerns z.B. beim Cash-Pooling, ein erhebliches Haftungsrisiko. Weil das Modell rechtsdogmatisch im Gesellschaftsrecht verankert wurde, haftete ein Gesellschafter zudem unabhängig vom Verschulden.

Aktuelles BGH-Urteil („Trihotel") grenzt die Gesellschafterhaftung ein

In seiner aktuellen Entscheidung „Trihotel" vom 16.07.2007 (Az.: II ZR 3/04) hat der BGH an dem erst sechs Jahre Modell festgehalten, es jedoch auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Die Richter ordneten die Durchgriffshaftung für existenzvernichtende Eingriffe nicht mehr als einen gesellschaftsrechtlichen Verstoß gegen Treu und Glauben ein, sondern  verlagerten sie ins allgemeine Deliktsrecht. Der Eingriff gilt nun als missbräuchliche Schädigung des Gesellschaftsvermögens und stellt einen Fall der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB dar. Er kann eigenständig neben etwaigen weiteren Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG bestehen und ist nicht mehr subsidiär.

Dieser rechtliche „Kunstgriff" hat erhebliche Auswirkungen:

Die bislang verschuldensunabhängige Haftung trifft den Gesellschafter aufgrund ihrer deliktischen Natur jetzt nur noch, wenn ihm Vorsatz und Verschulden nachzuweisen sind. Der Gläubiger muss zudem den Beweis für Vorsatz und Verschulden des Gesellschafters erbringen, was in der Praxis meist problematisch sein dürfte. Außerdem haftet der Gesellschafter nur noch im Innenverhältnis zur GmbH für den schädigenden Eingriff. Ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der Gläubiger gegen den Gesellschafter besteht nicht mehr. Sie müssen stattdessen den Ausgleichsanspruch der GmbH pfänden und bekommen im Fall der Insolvenz nur eine (eventuell geringe) Beteiligung am Liquidationserlös durch den Insolvenzverwalter.

Während also die Gesellschafter mehr Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Haftungsrisiken durch die Entscheidung erhalten haben, sind die Gläubiger in ihrer rechtlichen Position deutlich geschwächt. Ein besonderer Vorteil der neuerlich deliktischen Durchgriffshaftung ist jedoch, dass sie anders als das gesellschaftsrechtliche Haftungsmodell, auch auf ausländische Rechtsformen anwendbar ist. So kann insbesondere auf eine englische „Limited" die ihren Betrieb in Deutschland hat die deliktische Durchsgriffshaftung nach § 826 BGB unstreitig angewendet werden. Nach dem alten gesellschaftsrechtlichen Modell war das nicht möglich, weil die Limited nur dem englischen Gesellschaftsrecht unterliegt. Auf diesem Wege war bisher die persönlich Haftung von Gesellschaftern sehr leicht zu umgehen.

(MIC)


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