BGH zu Lockwerbung mit Herstellermarken durch Amazon über Adwords oder Bing-Ads

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Solche Lockwerbung mit Originalmarken sei - wie schon im Fall „Ortlieb“ – insbesondere rechtswidrig, wenn keinerlei Originalprodukte angeboten werden oder Produkte anderer Hersteller im verlinkten Angebot nicht klar abgegrenzt dargestellt werden.

Sicherlich sind Sie bei der Suche nach bestimmten Markenprodukten über Google oder Bing auch schon auf Amazon-Suchmaschinenwerbung gestoßen, die den Eindruck erwecken, man könne diese Produkte über die offene Handelsplattform „Marketplace“ tatsächlich bestellen. Bei Klick wird dann oft klar, dass die Originalprodukte auf der Plattform gar nicht systematisch angeboten werden. Der Grund ist, dass insbesondere Unternehmen, die auf eine strenge Qualitätskontrolle bei der Beratung im Vertrieb setzen, reguläre Verkäufe ihrer Qualitätsprodukte über Online-Plattformen Amazon und Ebay regelmäßig ausschließen. Dies sind vor allem Unternehmen, die ihre Produkte nur im klassischen Direktvertrieb oder Network Marketing über geschulte Vertriebspartner/innen anbieten und ein markenschädliches „Verramschen“ ihrer Produkte vermeiden wollen. Neuwaren gibt es meist gar nicht.  

Nachweisbar wirbt Amazon also mit solchen Marken auch systematisch für ähnliche Produkte anderer Hersteller auf dem Marktplatz, obwohl es Produkte dieser Anbieter wie Vorwerk daher allenfalls als Zweitmarkt (Gebrauchtwaren) und nie im kompletten Sortiment bei Amazon Marketplace gibt.

Vorwerk wehrte sich in dem Verfahren bis zum BGH teilweise erfolgreich gegen die nach Meinung des Anbieters markenrechtswidrige Praxis unter Schädigung der Eigenmarken „Vorwerk“, „Kobold“ und „Tiger“:

Zunächst stellt der BGH in seinen Urteilsgründen fest, dass der Inhaber einer Marke nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union der Benutzung des geschützten Zeichens (hier „Vorwerk“, „Kobold“, „Tiger“) nicht generell widersprechen kann, auch wenn identische Produkte oder Dienste beworben werden. 

Der Markeninhaber müsse vielmehr nachweisen, dass die Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch deren anderen Funktionen wie etwa die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion. Es dürfe insbesondere keine Herkunftstäuschung verursacht werden. Sie tritt ein, wenn mit der Werbung der Eindruck erweckt wird, die mit der Marke gekennzeichnete Originalware würde beworben, wogegen nur (in zulässiger Weise) passendes Zubehör anderer Hersteller oder ähnliche Konkurrenzprodukte angeboten werden.

Dabei kommt es nach der Vorgabe von BGH und EuGH entscheidend auf die Gestaltung (Aussagegehalt) der Suchmaschinenwerbung an.

Von einer Beeinträchtigung der Originalmarke ist generell auszugehen, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.

So hatte der BGH das gerichtliche Verbot einer Amazon-Werbung mit „Ortlieb Fahrradtaschen bei Amazon“, die ohne Anführungszeichen ebenfalls mit Adwords veröffentlicht wurde, bestätigt. Dies suggeriere Verbrauchern, dass Angebote zu Fahrradtaschen dieses Originalherstellers verlinkt wären. Wenn dann ohne ausreichende Kennzeichnung aber auch Konkurrenzprodukte gezeigt würden, sei die Herkunftsfunktion der Marke verletzt.

Markenverwendung nur mit Originalprodukten im Angebot

Klar ist damit, dass Amazon nur dann mit den Originalmarken ohne erklärende Zusätze über Adwords werben darf, wenn auch tatsächlich (irgendwelche) damit bezeichnete Originalware unter Marketplace angeboten wird. Dies können allerdings auch gebrauchte Produkte oder nicht vom Hersteller autorisierte Zweitmarkt-Angebote sein. 

Rechtswidrig ist es nach Meinung der BGH-Richter, wenn ausschließlich Konkurrenzwaren unter Ausnutzung der Originalmarken beworben werden. Dies bekräftigte der BGH auch nochmals ausdrücklich in einem ergänzenden Hinweis an das OLG Köln.

Fehlender Vertrieb über Amazon für BGH nicht relevant

Entsprechend der Coty-Rechtsprechung des EuGH war meiner Meinung nach zudem zu berücksichtigen, dass mit Angaben wie „Vorwerk bei Amazon“ oder „Vorwerk Kobold bei Amazon“ schon der mit den Werbeanzeigen der markenschädliche Eindruck erweckt wird, dass die Qualitätsware dort auch vom Hersteller bestimmungsgemäß angeboten wird, also im Erstmarkt. Denn nur ein Teil der Betrachter klickt überhaupt auf den Link, um dann das tatsächliche „Angebot“ zu sehen und davon enttäuscht zu werden. Einen Markenverstoß hatte das Oberlandesgericht Köln als Vorinstanz dementsprechend festgestellt.

Dies verneinte der BGH jedoch ausdrücklich. Er sieht solche Umstände „außerhalb des Schutzbereichs des Markenrechts“, sofern nur irgendwelche Produkte dieser Marken auf dem beworbenen Marktplatz angeboten werden.

Damit widerspricht das Gericht insofern indirekt dem Grundgedanken der EuGH-Rechtsprechung, jedenfalls sofern das europäische Gericht dort eine mögliche Markenschädigung durch das „Verramschen“ über Ebay, Amazon, u.a. erkannt hat.  

Ob die Suchmaschinenwerbung wettbewerbsrechtlich in die Irre führt oder den Ruf des Herstellers damit rechtswidrig ausnutzt, war kein Gegenstand dieses rein markenrechtlichen Verfahrens.

Immerhin können sich Hersteller auf das Urteil berufen, deren Marken die Portale für Werbezwecke verwenden, obwohl ihre Produkte (aktuell) überhaupt nicht bei Ebay oder Amazon angeboten werden.

Nutzungsmöglichkeit der Marke für Zubehör und Ersatzteile ist kein Freibrief für Herkunftstäuschung

Dies gilt auch für passendes Zubehör anderer Hersteller, wenn dafür mit der Originalmarke geworben wird. Dies ist im Rahmen von § 23 Markengesetz für Zubehör und Ersatzteile zwar prinzipiell zulässig, wie auch der BGH nochmals in seinem Urteil klarstellt. 

Eine Angabe wie „passend für“ oder „geeignet für“, die Amazon verwendete, reiche jedoch nicht aus, die fremde Herkunft der Angebote klarzustellen. 

Dazu müssten weitere Angaben hinzukommen, weil im Zusammenhang mit der Herstellermarke zumindest auch Originalteile bei den Angeboten vermutet werden können. 

Da klarstellende Angaben durch das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln nicht geklärt worden waren, verwies der BGH das Verfahren zurück. Das OLG hatte wegen diesen klarstellenden Angaben der Werbeanzeigen schon prinzipiell keinen Markenverstoß erkannt. 

Ob die Werbung wettbewerbsrechtlich in die Irre führt, oder den Ruf des Herstellers unlauter ausnutzt, war kein Gegenstand des Verfahrens.

BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 210/18 - Vorinstanzen: OLG Köln / LG Köln 

Foto(s): (BGH), Christina Maechler https://www.facebook.com/ChristinaMaechlerBrandingPhotography/


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