Corona – Betriebsschließung – Versicherung – Vergleichsangebote nicht vorschnell annehmen

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Eines der in der Corona-Zeit auftretenden Rechtsprobleme ist die Frage, inwieweit Betriebsschließungsversicherungen verpflichtet sind, Leistungen für den Ertragsausfall zu erbringen. Solche Versicherungen sind insbesondere im Gaststättengewerbe und in der Lebensmittelindustrie verkauft worden.

Natürlich haben viele Betroffene aus diesen Bereichen, die sich gut versichert glaubten, aus Anlass der angeordneten Betriebsschließungen entsprechende Ansprüche bei ihren Versicherern angemeldet. 

Pauschale Vergleichsangebote nicht zu schnell akzeptieren

Viele werden überrascht gewesen sein, dass sie statt des üblichen Procedere zur Anspruchsfeststellung Vergleichsangebote für eine pauschale Abgeltung erhalten haben. Jetzt fragt man sich, ob man das Angebot annehmen sollte. Die richtige Antwort lautet: Keinesfalls vorschnell und ohne vorherige Prüfung.

Unklare Rechtslage? Chancen?

Es trifft zunächst einmal zu, dass die Rechtslage in vielen Fällen nicht ganz eindeutig sein wird. Allerdings wird sie häufig auch nicht so sein, dass der Versicherungsnehmer gleich klein beigeben sollte.

Gehört Corona dazu?

Eine wesentliche Frage dürfte häufig sein, ob Covid-19 zu den Erkrankungen gehört, die unter die Versicherungspflicht fallen. In den Versicherungsbedingungen wird zumeist auf die §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz verwiesen. Dort ist die Erkrankung nicht genannt. 

Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium die Meldepflicht in der gesonderten CoronaVMeldeV, einer Rechtsverordnung auf Basis des § 15 Infektionsschutzgesetz, auf Covid-19 ausgedehnt. Hier lässt sich gut vertreten, dass es aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers keinen entscheidenden Unterschied macht, ob sich die meldepflichtigen Krankheiten und Erreger unmittelbar aus §§ 6 oder 7 Infektionsschutzgesetz oder nur i.V.m. einer Rechtsverordnung ergeben. Gerade dann, wenn in den Versicherungsbedingungen keine gesonderte Aufzählung von Krankheiten im Einzelnen enthalten ist, wird der Versicherungsnehmer regelmäßig erwarten dürfen, dass auch neuartige Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz umfasst sind, sofern sich für diese nach dem Infektionsschutzgesetz oder einer, auf seiner Basis erlassenen Rechtsverordnung, eine Meldepflicht ergibt.

Nichts anderes dürfte gelten, wenn sich die Versicherungsbedingungen darauf beschränken, die aktuellen Bestimmungen der §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz nur in einem Anhang zu zitieren. Das wird der Versicherungsnehmer eher als eine bloße Information über die aktuelle Rechtslage verstehen dürfen, aus der nicht abzuleiten ist, dass der Versicherungsschutz auf diese Rechtslage begrenzt ist und künftige Änderungen nicht erfasst werden. Schließlich ist der Versicherer gehalten, Einschränkungen des Versicherungsschutzes deutlich zu formulieren.

Schließung durch die zuständige Behörde?

Das weitere Problem, das sich stellen kann ist, dass der Versicherungsschutz in der Regel dahingehend umschrieben wird, dass Schäden versichert sind, die dadurch entstehen, dass die zuständige Behörde auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt, Beschäftigten ihre Tätigkeit untersagt oder die Desinfektion der Betriebsräume anordnet.

Nun sind die aktuellen Schließungen, insbesondere von Gaststätten, jedoch nicht durch eine Behörde angeordnet worden, sondern durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen. Hier dürfte man sich aber mit einem „erst-recht-Schluss“ durchsetzen können: Wenn es bereits ausreicht, dass eine „kleine Behörde“ Maßnahmen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes ergreift, dann wird der Versicherungsnehmer erst recht Versicherungsschutz erwarten dürfen, wenn die Schließung des Betriebes nicht durch ein Gesundheitsamt, sondern durch eine Landesregierung auf Grundlage einer Rechtsverordnung nach §§ 32, 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz angeordnet wird.

Höhe des Schadens/der Leistung – Anrechnung der Soforthilfe?

Weiter argumentieren die Vergleichsangebote gerne damit, dass der eingetretene Schaden durch staatliche Hilfeleistungen reduziert würde und dass dies die Versicherungsleistung verringern müsste. 

Auch hier sollte kritisch geprüft werden. Die Bezifferung des durch die Betriebsschließung verursachten Schadens wird zunächst einmal ohne Rücksicht auf staatliche Hilfeleistungen durchzuführen sein, denn diese ändert nichts am Schadenseintritt, sondern soll den eintretenden Schaden lindern. 

Versicherungsbedingungen regeln dazu üblicherweise auch, dass der Versicherungsanspruch insoweit nicht besteht, als Schadenersatz aufgrund öffentlich-rechtlicher Entschädigungsregelungen beansprucht werden kann. Das verdeutlicht, dass diese den zu berücksichtigenden Schaden nicht reduzieren, sondern erst die Höhe der daraus ermittelten Versicherungsleistung.

Damit stellt sich dann die Frage, ob es sich bei den staatlichen Hilfeleistungen, insbesondere den Soforthilfen aus einem staatlichen Rettungsfonds um öffentlich-rechtliche Entschädigungsregelungen im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt. 

Ist das nicht der Fall, so scheidet deren Anrechnung aus und kann nicht über die „Hintertür“ wieder eingeführt werden. Ob die Hilfeleistungen anzurechnende öffentlich-rechtliche Entschädigungsleistungen sind, muss anhand der einzelnen Versicherungsbedingungen und der Bestimmungen zu den Hilfeleistungen im Einzelfall geprüft werden. Es kann beispielsweise auch umgekehrt sein, dass die Versicherungsleistung auf die Hilfeleistung angerechnet wird.

Des Weiteren wäre selbst dann, wenn man zu einer Anrechenbarkeit kommt, aktuell noch  unklar, in welchem Umfang die gezahlten Soforthilfen angerechnet werden können. Die Versicherungsleistungen sind in der Regel auf bestimmte Zeiträume (häufig 30 Tage) begrenzt. Die Soforthilfen werden auf einmal geleistet und dürften den gesamten Zeitraum der Betriebsschließung betreffen. Sie müssten daher mindestens zeitlich „umgerechnet“ werden, was erfordert, dass man weiß, wie lange die Zeitdauer der Betriebsschließung genau war. Das ist heute  - zumindest in einigen Bundesländern -noch nicht abzusehen.


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