Corona-Impfung - Kann der Chef auf eine Impfung bestehen?

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Corona-Impfstoff und Arbeitsrecht – Kann der Chef auf die Impfung bestehen?

 Die Corona-Pandemie beherrscht weiterhin unseren Alltag. Insbesondere das Arbeitsleben unterliegt starken Einschränkungen. Die nun erfolgte Zulassung von Covid-19-Impfstoffen lässt aufatmen. Allerdings gibt es Menschen, die die Impfmöglichkeit aufgrund fehlender Langzeitstudien zu Nebenwirkungen und Risiken nicht in Anspruch nehmen möchten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter verpflichten kann, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen, um seine Belegschaft vor einer Masseninfektion zu schützen.

 Grundsätzliche Impfpflicht gegen Covid-19?

 Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht in Deutschland keine generelle Impfpflicht. Das bedeutet grundsätzlich, dass jeder für sich selbst die Entscheidung treffen kann, ob er oder sie sich impfen lassen möchte.

 In der beschlossenen Corona-Impfverordnung ist lediglich das Recht auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geregelt. Eine Pflicht zur Impfung ist nicht bestimmt worden. 

 Auf eine allgemeine Verpflichtung zur Impfung kann sich ein Arbeitgeber also nicht stützen.

 Impflicht aus Weisungsrecht des Arbeitgebers? 

 Auch wenn die Impfpflicht nicht durch den Gesetzgeber geregelt ist, ist fraglich, ob der Arbeitgeber bereits aufgrund seines Weisungs- und Direktionsrechts aus § 106 GewO seine Mitarbeiter zur Covid-19-Impfung verpflichten kann. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach billigem Ermessen näher bestimmen.

 Hinsichtlich einer Impfverpflichtung stößt das Direktionsrecht des Arbeitgebers jedoch an seine Grenzen. Die Impfung bedeutet einen starken Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Arbeitnehmers. Dem Wunsch des Arbeitgebers, seine Belegschaft zu schützen, steht ein Eingriff in die Gesundheit des Einzelnen gegenüber. Der Arbeitnehmer müsste auf Weisung des Arbeitgebers einen Nadelstich sowie die Injektion eines Stoffes in den Körper dulden. Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiegen die Grundrechte der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung im Verhältnis zum Direktionsrecht ihres Vorgesetzten.

 Impfpflicht aus arbeitsvertraglicher Regelung?

 Ebenso ist die arbeitsvertragliche Festlegung einer Impfpflicht nicht möglich. Sollte der Arbeitgeber dennoch eine derartige Regelung in den Arbeitsvertrag aufnehmen, würde diese einer AGB-Kontrolle nicht standhalten.

 Auch besteht keine allgemeine Pflicht zur Gesundheitsuntersuchung aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht oder einer vertraglichen Nebenpflicht. Der Wunsch des Arbeitgebers, dass eine Impfung in Anspruch genommen wird, stellt kein berechtigtes Interesse dar.

 Abmahnung oder Kündigung durch den Chef dennoch möglich?

 Aufgrund der Tatsache, dass keine Impfpflicht besteht, kann der Arbeitgeber keine negativen Maßnahmen gegen die Arbeitnehmer ergreifen, die einer Impfung abgeneigt gegenüberstehen. Eine hierauf gestützte Abmahnung oder Kündigung ist folglich rechtswidrig.

 Sollte ein Arbeitgeber dennoch die weitere arbeitsvertragliche Beschäftigung von einer Impfung abhängig machen und den Arbeitnehmern, solange sie dieser Weisung nicht nachkommen, den Zutritt zu den Geschäftsräumen verweigern, könnte er in den Annahmeverzug geraten. Das bedeutet: Sofern die Angestellten ihre Arbeitsleistung weiterhin anbieten, ist der Arbeitgeber auch zur weiteren Vergütung verpflichtet.

 Ausnahmen für Pflegepersonal?

 Sind Mitarbeiter in besonderen Risikobereichen tätig – beispielsweise medizinisches Pflegepersonal in Krankenhäusern – stehen dem Arbeitgeber tiefergehende Befugnisse zu. Dies folgt aus dem Infektionsschutzgesetz.

 In § 23 Abs. 3 IfSG ist geregelt, dass Maßnahmen durch die Leitung zu treffen sind, um Infektionen zu vermeiden. Dies ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass medizinisches Personal überdurchschnittlich häufig in Kontakt zu Angehörigen einer Hochrisikogruppe steht.

 Gemäß § 23a IfSG dürfen Arbeitgeber in Kliniken, Arztpraxen und Pflegediensten ihre Angestellten nach ihren Impfungen befragen und darüber hinaus danach über Art und Weise einer Beschäftigung entscheiden. Die Formulierung „über Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden“ umfasst auch, ob jemand weiter beschäftigt werden kann – insbesondere, wenn keine freien Stellen für ungeimpfte Mitarbeiter vorhanden sind, auf die der Arbeitgeber sie versetzen kann oder ihm die Versetzung unzumutbar ist.

 Es ist denkbar, aus der gesetzlichen Formulierung abzuleiten, dass Arbeitnehmer ohne Impfung nicht beschäftigt werden dürfen und damit den Anspruch auf Arbeitsvergütung verlieren. Weiter könnte eine personenbedingte Kündigung drohen, soweit der betreffende Mitarbeiter ohne Impfung für die Ausübung seines Berufes ungeeignet ist. Die Auslegung der Normen ist jedoch gerichtlich noch nicht überprüft worden. Gefestigte Rechtsprechung zu dieser Thematik liegt noch nicht vor.

 Fazit

 Nach derzeitigem Stand ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber sich hinsichtlich der Impfung gegen Covid-19 bewusst gegen eine generelle Pflicht entschieden hat. Um eine gesetzliche Impfpflicht aller gegen das Corona-Virus einzuführen, müsste folglich das Infektionsschutzgesetz geändert werden.

 Die politische Entwicklung bleibt abzuwarten. Aktuell ist nicht ersichtlich, dass die politischen Entscheidungsträger eine gesetzliche Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung implementieren möchten.

 Eine gesetzliche Einführung einer „bereichsbezogenen Impfpflicht“, beispielsweise für Pflegepersonal, ist allerdings nicht vollständig ausgeschlossen. In der politischen Führungsebene wird diesbezüglich derzeit diskutiert.

 Zu einem unserer Schwerpunkte gehört die Beratung und Vertretung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. In einem eingehenden Beratungsgespräch klären wir Sie gerne umfassend über Ihre individuellen Möglichkeiten auf und helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche, sei es außergerichtlich oder gerichtlich.

 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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