Corona: Zwangsquarantäne nach Auslandsaufenthalt

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Was viele nicht wissen: Strenge Quarantäne-, Melde- und Auskunftspflichten sowie ein Besuchsverbot gelten -unabhängig von einem Ansteckungsverdacht (!)- seit dem 10. April 2020 für die Einreise bzw. Rückkehr aus dem Ausland in das Bundesgebiet.

So regelt für NRW die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Bezug auf Ein- und Rückreisende, kurz: Corona-Einreiseverordnung (CoronaEinreiseVO) vom 9. April 2020 (ähnliche Regelungen gelten auch in den übrigen Bundesländern) u. a. Folgendes:

§ 1 Absatz 1 CoronaEinreiseVO beinhaltet eine allgemeine Zwangsquarantäne für die Dauer von zwei Wochen ab Einreise bzw. Rückkehr.

Danach sind Personen, die auf dem Land-, See-, oder Luftweg aus einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in das Land Nordrhein-Westfalen einreisen und sich zuvor mehr als 72 Stunden im Ausland aufgehalten haben, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und diesen Aufenthaltsort für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht zu verlassen (was auch für Personen gilt, die zunächst in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind).

Zudem besteht gemäß § 1 Absatz 2 CoronaEinreiseVO ein striktes Besuchsverbot.

Danach ist es den in Absatz 1 genannten Personen in diesem Zeitraum nicht gestattet, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht dem Hausstand des Aufenthaltsorts angehören.

Ferner beinhaltet § 1 Absatz 3 CoronaEinreiseVO weitreichende Melde- und Auskunftspflichten gegenüber den Gesundheitsbehörden betreffenden den eigenen Gesundheitszustand.

Danach sind die in Absatz 1 genannten Personen verpflichtet, unverzüglich das für sie zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren und auf das Vorliegen der Verpflichtungen nach Absatz 1

hinzuweisen, haben diese dem Gesundheitsamt Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben und sind diese verpflichtet, das Gesundheitsamt beim Auftreten von Krankheitssymptomen unverzüglich zu kontaktieren.

Diese Regelungen gelten unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Einreisenden und nicht nur für die Einreise aus sog. „Drittländern“, sondern gleichermaßen für die Einreise aus dem EU-Ausland.

Zu diesen Regelungen bestehen jedoch gesetzliche Ausnahmen und Befreiungsmöglichkeiten.

§ 2 Absatz 1 CoronaEinreiseVO listet ausgenommene besondere Berufsgruppen auf.

Danach sind von den pflichtigen Personenkreis gemäß § 1 Absatz 1 nicht erfasst

  1. Personen, die beruflich bedingt grenzüberschreitend Personen, Waren oder Güter auf der Straße,
  2. der Schiene, per Schiff oder per Flugzeug transportieren;
  3. Personen, deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens (a), der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (b), der Pflege diplomatischer und internationaler Beziehungen (c), der Funktionsfähigkeit des Rechtswesens (d), der Funktionsfähigkeit von Volksvertretung, Regierung und Verwaltung des Bundes, der Länder oder der Kommunen (e), der Funktionsfähigkeit der Organe der Europäischen Union oder internationaler Organisationen zwingend notwendig ist, wobei die zwingende Notwendigkeit durch den Dienstherrn oder Arbeitgeber zu prüfen und zu bescheinigen ist, jedoch bei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, des Bundestages, des Bundesrates oder eines Landtages eine Eigenerklärung genügt (f);
  4. Personen, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Luft-, Schiffs-, Bahn-, oder Busverkehrsunternehmen oder als Besatzung von Flugzeugen, Schiffen, Bahnen und Bussen außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten haben;
  5. Personen, die täglich oder für bis zu 5 Tage durch ihren Beruf oder ihre Ausbildung veranlasst in das Bundesgebiet einreisen oder nach entsprechendem Aufenthalt im Ausland in das Bundesgebiet zurückkehren;
  6. Personen, die einen sonstigen triftigen Reisegrund haben; hierzu zählen insbesondere soziale Aspekte
  7. wie etwa ein geteiltes Sorgerecht oder ein Umgangsrecht, der Besuch des nicht unter gleichem Dach wohnenden Lebenspartners, dringende medizinische Behandlungen, Beistand oder Pflege schutzbedürftiger Personen, Betreuung von Kindern, Beerdigungen und Einäscherungen, die Teilnahme an zivilen oder religiösen Hochzeiten.

Zudem kann gemäß § 2 Absatz 2 CoronaEinreiseVO auf Antrag einzelfallbezogene eine Befreiung bzw. Gestattung erteilt werden.

Danach kann die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) zuständige Behörde in begründeten und unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes vertretbaren Einzelfällen auf Antrag weitere Befreiungen erteilen, wobei sie, insbesondere in den Fällen von Absatz 1 Nummer 5 Halbsatz 2, auch das ausnahmsweise Verlassen des Aufenthaltsorts zur Vornahme unaufschiebbarer, nicht auf anderem Wege oder durch Dritte zu erledigender Handlungen gestatten kann.

Diese Regelung beinhaltet Generalklauseln, ist „schwammig“ formuliert, und ermöglicht weitreichende Ausnahmen und Gestattungen (in begründeten und infektionsschutzrechtlich vertretbaren Fällen).

Hieraus folgt, dass der Befreiungsantrag bzw. Gestattungsantrag begründet werden muss. Im Streitfall dürfte schon wegen der weit geöffneten Formulierung, zumindest bei guter bzw. nachvollziehbarer Begründung, oft argumentiert werden können, das behördliche Ermessen sei im Sinne einer Bewilligung „auf Null reduziert“.

Eine weitere personelle Ausnahme enthält § 2 Absatz 3 CoronaEinreiseVO für Saisonarbeiter (z. B. Erntehelfer).

Danach gilt § 1 nicht für Personen, die zum Zweck einer mindestens dreiwöchigen Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet einreisen (Saisonarbeitskräfte), wenn am Ort ihrer Unterbringung und ihrer Tätigkeit in den ersten 14 Tagen nach ihrer Einreise gruppenbezogen betriebliche Hygienemaßnahmen und Vorkehrungen zur Kontaktvermeidung außerhalb der Arbeitsgruppe ergriffen werden, die der Verpflichtung nach § 1 Absatz 1, den Aufenthaltsort nicht zu verlassen, vergleichbar sind, sowie das Verlassen der Unterbringung nur zur Ausübung ihrer Tätigkeit gestattet ist.

Nach Satz 2 muss der Arbeitgeber die Arbeitsaufnahme vor ihrem Beginn bei der nach Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörde anzeigen und die ergriffenen Maßnahmen nach Satz 1 dokumentieren.

Eine weitere personelle Ausnahme regelt § 2 Absatz 4 CoronaEinreiseVO für Bundeswehrangehörige und Polizisten.

Danach gilt § 1 nicht für Angehörige der Streitkräfte und Polizeivollzugsbeamte, die aus dem Einsatz und aus einsatzgleichen Verpflichtungen im Ausland zurückkehren.

Eine weitere personelle Ausnahme gilt gemäß § 2 Absatz 5 CoronaEinreiseVO für Durchreisende.

Eine Ausnahme zum vorgeschilderten Besuchsverbot ist in § 2 Absatz 6 CoronaEinreiseVO geregelt.

Danach gilt § 1 Absatz 2 nicht für Personen, die den Aufenthaltsort nach § 1 Absatz 1 aus triftigen Gründen betreten müssen, beispielsweise zur Wahrnehmung eines geteilten Sorgerechts oder eines Umgangsrechts für eine im Haushalt lebende Person, zum Beistand oder zur Pflege einer im Haushalt lebenden schutzbedürftigen Person oder zum Besuch des nicht unter gleichem Dach wohnenden Lebenspartners.

Alle Ausnahmen und Befreiungen werden allerdings durch § 2 Absatz 7 CoronaEinreiseVO eingeschränkt.

Danach gelten die Absätze 1 bis 6 nur, soweit die dort bezeichneten Personen keine Symptome aufweisen, die auf eine Erkrankung mit COVID-19 im Sinne der dafür jeweils aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts (RKI) hinweisen. Auch diese Regelung dürfte im Streitfall Diskussionsbedarf auslösen.

§ 2 Absatz 8 CoronaEinreiseVO schließlich ermöglicht die behördliche Aufhebung der Quarantäne.

Danach kann die nach Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 IFSG zuständige Behörde die Verpflichtung nach § 1 Absatz 1, den Aufenthaltsort nicht zu verlassen, insgesamt aufheben, wenn die betroffene Person nach ihrer Einreise negativ auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet worden ist und auch bei Erhalt des Testergebnisses noch keinerlei Symptome aufweist, die auf eine Erkrankung mit COVID-19 im Sinne der dafür jeweils aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts hinweisen.

Nach Satz 2 soll die Behörde jeder der Verpflichtung nach § 1 Absatz 1 unterliegenden Person die Durchführung eines Testes anbieten, wenn sie über hierfür ausreichende Testkapazitäten verfügt.

Da dies eine „Soll“-Vorschrift ist, der allerdings im Regelfall nachzukommen sein wird, ist Betroffenen dringend zu empfehlen, von sich aus die Behörde hierauf hinzuweisen und den Test anzubieten.

Schließlich ist für Betroffene wesentlich, dass § 2 Absatz 9 CoronaEinreiseVO eine Entschädigung regelt.

Danach gilt für einen durch die Verpflichtung nach § 1 Absatz 1, den Aufenthaltsort nicht zu verlassen, erlittenen Verdienstausfall die Entschädigungsregel § 56 des IFSG entsprechend.

Verstöße gegen obige Regelungen sind gemäß § 3 CoronaEinreiseVO als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern bedroht.

Die CoronaEinreiseVO gilt nach zwischenzeitlicher Gültigkeits-Verlängerung (jedenfalls) bis 3. Mai 2020.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Olaf Möhring, Mönchengladbach/NRW



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