Darf der Arbeitgeber Mitarbeiter nach Hause schicken?

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Arbeitnehmer können nicht nur ihre Bezahlung beanspruchen. Sie dürfen auch verlangen, dass sie tatsächlich beschäftigt werden. Der Arbeitgeber muss ihnen also Arbeit zuteilen. Dieser Beschäftigungsanspruch entfällt nur ausnahmsweise.

Der Arbeitgeber darf einen Mitarbeiter nicht nach Hause schicken, nur um ihn zu Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag zu drängen. Deshalb war auch die Freistellung einer ordentlich unkündbaren Oberärztin zu diesem Zweck rechtswidrig.

So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein am 06. Februar 2020 entschieden.

Freistellung wegen interner Spannungen

Die Arbeitgeberin betrieb mehrere Kliniken. An einer dieser Kliniken war die Arbeitnehmerin als leitende Oberärztin angestellt. Neben der Tätigkeit in der medizinischen Versorgung arbeitete sie auch im Bereich der Wissenschaft und Lehre für die Arbeitgeberin. Sie war ordentlich unkündbar. Als im Jahr 2018 ein neuer Chefarzt die Klinik übernommen hatte, war es zu Spannungen zwischen ihm und der Arbeitnehmerin gekommen.

Die Arbeitnehmerin war bis Ende November 2019 arbeitsunfähig erkrankt. Als sie danach zur Arbeit zurückkehren wollte, wurde sie von der Arbeitgeberin unter Fortzahlung des Gehalts freigestellt. Diese Freistellung erfolgte laut der Arbeitgeberin „insbesondere auch für Verhandlungen über die Aufhebung bzw. Abwicklung ihres Anstellungsverhältnisses“. Die Arbeitnehmerin musste ihren Laptop und dazugehörige Datenträger sowie Mitarbeiterausweise und Schlüssel aushändigen. Auch ihr Account im Kliniksystem wurde gelöscht.

Vor dem Arbeitsgericht erstritt die Arbeitnehmerin eine einstweilige Verfügung, wonach die Arbeitgeberin sie als leitende Oberärztin beschäftigen musste. Daraufhin setzte die Arbeitgeberin sie zwar als Oberärztin an einer anderen Klinik ein, aber nicht (wie zuvor) in einer geschäftsführenden Position.

Die Arbeitgeberin legte Berufung vor dem LAG Schleswig-Holstein ein, hatte damit aber keinen Erfolg.

Kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitgeberin

Das Gericht gab der Arbeitnehmerin recht und ordnete ihre Beschäftigung als geschäftsführende Oberärztin an.

Die Arbeitgeberin könne die Weiterbeschäftigung nicht verweigern, da sie diesbezüglich kein schutzwürdiges Interesse vorweisen könne. Ein solches Interesse bestehe nicht schon darin, dass der neue Chefarzt die Stelle der Arbeitnehmerin mit einem anderen Oberarzt besetze und so selbst einen Teamüberhang geschaffen habe. Auch persönliche Animositäten oder ein nicht mehr passendes Team begründeten kein schutzwürdiges Interesse.

Die Arbeitgeberin habe die Freistellung vielmehr missbraucht, um die Arbeitnehmerin zu Verhandlungen über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu zwingen.

Fazit

Der Beschäftigungsanspruch von Arbeitnehmern folgt aus deren Persönlichkeitsrecht. In einem ungekündigten Arbeitsverhältnis muss der Arbeitgeber gute Gründe vorweisen können, weshalb ihm die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist. Nicht jedes Eigeninteresse reicht aus, um den Arbeitnehmer ohne Arbeit nach Hause zu schicken.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil v. 06.02.2020, 3 SaGa 7 öD/19


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