Das Amtsgerichts Weimar hebt die Masken- und Testpflicht an Schulen auf. Was wurde entschieden?

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Eine Einordnung der Entscheidung des Amtsgerichts Weimar durch unsere Anwälte im Verwaltungsrecht.

Das Amtsgericht Weimar (Familiengericht), hat mit seiner aufsehenerregenden Entscheidung (Beschluss vom 08.04.2021, Az.: 9 F 148/21) an zwei Schulen in Weimar verboten, dass

1. die Schülerinnen und Schüler im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund-Nasen-Bedeckungen, sog. qualifizierte Masken (OP-Maske oder FFP2-Maske) oder andere tragen müssen,

2. Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten sind, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen,

3. Schülerinne und Schüler an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilnehmen müssen

und

den Schulen aufgegeben, für alle an diesen Schulen unterrichteten Kinder und Schüler den Präsenzunterricht an der Schule aufrechtzuerhalten.

Die Begründung stützt das Gericht auf mehrere Fachgutachten und sieht in der Pflicht für die Kinder, während der Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände untereinander und zu weiteren Personen einzuhalten, eine gegenwärtige Gefährdung für das Kindeswohl. Die Kinder würden in ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl nicht nur gefährdet, sondern darüber hinaus schon gegenwärtig geschädigt. Dadurch würden zugleich zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus Gesetz, Verfassung und internationalen Konventionen verletzt.

Der Beschluss vom AG Weimar im Faktencheck vom Anwalt für Verwaltungsrecht.

Zur Einordung der Entscheidung des Familiengerichts Weimar und ihrer Auswirkungen sollten ein paar grundsätzliche Dinge gesagt werden. Dem Beschluss liegt ein Verfahren im Eilrechtsschutz zugrunde. Diese werden gewählt, wenn ein Abwarten der oft sehr langwierigen Klageverfahren die Kläger nicht möglich ist, etwa weil sich die drohende Gefahr dann bereits verwirklicht hat oder die Sachverhalte sich bereits erledigt haben. Zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes treffen die Gerichte dann eine vorläufige Entscheidung auf Grundlage des sofort verfügbaren Wissens. Das Gericht hat also keine abschließende Entscheidung getroffen.

Während Verwaltungsgerichte in diesen Verfahren prüfen, ob die rechtlichen Grundlagen der angegriffenen Maßnahme offensichtlich rechtswidrig sind und ob beim Abwarten eines Klageverfahrens wesentliche Nachteile oder Gewalt drohen, prüft das Familiengericht die elterliche Sorge im Hinblick auf eine Gefährdung des Kindeswohls. Im Gesetz heißt es dazu:

§ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

Was macht den Beschluss des AG Weimer zur Maskenpflicht so besonders? Wieso entscheidet ein Familiengericht über Corona-Maßnahmen an Schulen?

Der Beschluss ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Zunächst verwundert, dass das Familiengericht eine Entscheidung über Corona-Maßnahmen an Schulen trifft. Denn in dem Verhältnis Schule zu Schülern und Eltern sind in aller Regel nur die Verwaltungsgerichte entscheidungsbefugt. Das Amtsgericht Weimar erklärte sich hier mit dem Argument für zuständig, dass die Verwaltungsgerichte keine Kindeswohlgefährdungsverfahren führen würden. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn die Rechte der Kinder werden auch dort vollumfänglich geprüft. So sind Verfahren gegen die Masken- und Testpflicht in Schulen bei den Verwaltungsgerichten zulässig und auch vielfach geführt worden. Die Verwaltungsgerichte prüfen unter Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter, ob die Rechte der Kinder verletzt sind. Zuzuerkennen ist dem Amtsgericht Weimar, dass das Rechtsschutzziel in Kindeswohlverfahren grundsätzlich nicht deckungsgleich mit den Anträgen auf einstweilige Anordnung bei den Verwaltungsgerichten ist.

Weiter verwundert, dass die Eltern nach Einschätzung des Familiengerichts Weimar ohne dessen Einschreiten nicht in der Lage sein sollen, die Gefahr abzuwenden oder nicht willens sind ihre Kinder zu schützen. Das ist die Voraussetzung von § 1666 BGB. Dagegen spricht bereits, dass den Eltern der Weg vor die Verwaltungsgerichte offensteht. Damit haben sie die Möglichkeit selbst die Gefahr abzuwenden. Dass die Verwaltungsgerichte in der Vergangenheit die Gefahrenlage vielfach anders als das AG Weimar eingeschätzt haben, steht dem nicht entgegen.

Wieso kann das AG Weimar für alle Kinder die Masken- und Testpflicht aussetzen?

Weiter ist sehr besonders, dass der Beschluss gegenüber allen Schülern der betreffenden Schule gilt. Gerichtliche Entscheidungen gelten fast immer allein für die am Verfahren Beteiligten. Das waren vorliegend zwei Kinder, der Freistaat Thüringen und die jeweiligen Schulen. Den Schulen etwas zum Schutze anderer, nicht am Verfahren beteiligter Kinder aufzugeben, wirft daher Fragen auf. Vorliegend hat das Gericht ein Einschreiten für alle Schülerinnen und Schüler der Schulen unter großzügiger Anwendung der §§ 1697a, 1666 BGB ohne einen Antrag der Schüler oder ihrer Eltern aus Gründen des Kindeswohls für notwendig gehalten.

Die Reaktion des Landes Thüringen ist hier bedenklich, da es sich über die Entscheidung hinwegsetzt und die Maskenpflicht nur für die antragstellenden Kinder aussetzt. Zwar sind die rechtlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses nicht von der Hand zu weisen, bis ein Gericht in höherer Instanz einen Beschluss aufhebt oder eine neue Allgemeinverfügung erlassen wird, muss sich das Land aber daran halten.

Muss mein Kind eine Maske im Schulunterricht tragen? Muss mein Kind sich in der Schule testen lassen?

Die Frage wird bundesweit vor allem vor den Verwaltungsgerichten verhandelt. Nicht erst seit der dritten Welle. Bisher haben die Gerichte ganz überwiegend entschieden, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung rechtmäßig ist.

Hat der Beschluss des Amtsgerichts Weimar eine Bindungswirkung für andere Gerichte?

Nein. Die Gerichte werden die Entscheidung aus Weimar zur Kenntnis nehmen und ggf. Sie für Ihre Urteils- und Beschlussfindung heranziehen, eine Bindungswirkung dahin, dass die Test- oder Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler nun andernorts auch aufgehoben werden müsste, gibt es aber nicht.

Fazit zur Entscheidung des AG Weimar

Der Beschluss sollte insgesamt nicht überbewertet werden und dürfte in seinem Ergebnis ein Ausreißer bleiben. Zu beachten ist auch, dass das Land Thüringen als Antragsgegner in diesem Verfahren offenbar gar nicht auf die Anträge erwidert hat. Erfreulich an dem Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 08.04.2021 ist, dass hier eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit den Grundrechten der Kinder stattgefunden hat und frischen Wind in eine Diskussion bringt, die leider stark polarisiert und teils diffamierend geführt wird. Leider ist die rechtliche Methodik mitunter sehr fragwürdig und die Entscheidung des Familienrichters, den Beschluss für unanfechtbar zu erklären, also eine weitere Instanz im Eilrechtsschutz auszuschließen, hindert ein Fortscheiten des Diskurses.

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