Das Coronavirus und das Arbeitsrecht – ein Überblick (Teil 2)

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Teil 2: Arbeitszeit

Die nationalen und auch weltweiten Maßnahmen, die getroffen worden sind, um der Verbreitung des Coronavirus entgegen zu wirken bzw. zumindest dessen Ausbreitung zu verlangsamen, treffen die gesamte Wirtschaft. Bei zahlreichen Unternehmen kommt es zu Auftragseinbrüchen und Betriebsschließungen, die dazu führen, dass weniger Arbeit anfällt. In anderen Unternehmen hingegen ist krankheits- oder quarantänebedingt Personal weggefallen, so dass Mehrarbeit anfällt. Viele Arbeitnehmer stellen sich nun die Frage, wie verhält es sich mit der Arbeitszeit in der Corona-Krise?

Darf mein Arbeitgeber verlangen Überstunden zu leisten, um auf diese Weise krankheitsbedingte Ausfälle im Betrieb auszugleichen?

Ob und unter welchen Bedingungen ein Arbeitgeber einseitig Überstunden anordnen kann, hängt davon ab, ob im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung eine entsprechende Regelung vorgesehen ist. Existiert eine solche Regelung nicht, so kann der Arbeitgeber nur in Notfällen einseitig Überstunden anordnen. So kann sich die Pflicht zur Erbringung von Überstunden kann sich zudem aufgrund einer vertraglichen Nebenleistungspflicht auch ergeben, wenn durch die Mehrarbeit ein dem Arbeitgeber drohender Schaden, der nicht anders abwendbar ist, nicht abgewendet werden kann.  Hier muss bedarf es einer Überprüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände und gegenläufigen Interesse. Ein solcher Notfall liegt zum Beispiel vor, wenn die Betriebsstätte brennt. Unter diesem Aspekt stellen, wie grundsätzlich auch sonst, krankheitsbedingte Ausfälle im Rahmen der Corona-Krise in der Regel keinen solchen Notfall dar. Vielmehr handelte es sich hierbei, um einen Eilfall, der dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterfällt. Der Betriebsrat muss also mitbestimmen. Es empfiehlt sich daher für Arbeitgeber bei Fehlen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung eine solche zügig zu treffen. In bestimmten Ausnahmefällen kann jedoch auch der massive Ausfall von Arbeitskräften einen Notfall darstellen.

Wie werden Überstunden vergütet?

Ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, muss er diese vergüten. Dabei erhält der Arbeitnehmer zumindest seinen Grundlohn. Anderes kann sich ergeben, wenn im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung Überstundenzuschläge vorgesehen sind. Mindestens erhält der Arbeitnehmer den Grundlohn – wenn weder Arbeitsvertrag noch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung Überstundenzuschläge vorsehen.

Möglich ist es auch, dass statt einer Vergütung der Überstunden ein Freizeitausgleich vereinbart wird.

Welche Höchstgrenzen gelten bei der Anordnung von Überstunden in Hinblick auf die Arbeitszeit?

Bei der Anordnung von Überstunden sind die gesetzlich geregelten Höchstarbeitsgrenzen zu beachten. Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer täglich nur acht Stunden arbeiten. Ausnahmsweise dürfen Arbeitnehmer  bis zu zehn Stunden am Tag tätig sein. Hierbei ist zu beachten, dass sie innerhalb eines halben Jahres im Schnitt nicht mehr als acht Stunden am Tag arbeiten dürfen. Ebenfalls sind die gesetzlich vorgesehenen Ruhezeiten zu beachten, welche in der Regel 11 Stunden betragen. Auch die gesetzlichen Regelungen zur Nachtarbeit, Sonntags- und Feiertagsruhe sind auch während der derzeitigen Krisensituation zu beachten.

Ausnahmen hiervon ergeben sich derzeit jedoch aus der "Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der Covid-19-Epidemie" (Covid-19-Arbeitszeitverordnung – Covid-19-ArbZV), welche am 10.04.2020 in Kraft getreten ist. Sie ermöglicht für bestimmte Tätigkeiten und unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den geltenden Arbeitszeitregelungen. Ein Überblick über die Covid-19-ArbZV wird im Rahmen der letzten Frage gegeben.

Darf der Arbeitgeber den Abbau von Überstunden anordnen?

Wie auch bei der Anordnung von Überstunden ist die Möglichkeit der Anordnung des Abbaus von Überstunden von entsprechenden Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung abhängig. Ist eine Anordnung des Abbaus von Überstunden möglich, muss der Arbeitgeber gewisse Ankündigungsfristen beachten.

Soll in einem Betrieb Kurzarbeit eingeführt werden, müssen zuvor Überstunden und Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten abgebaut werden. Dies ist nach der Gesetzesänderung zur erleichterten Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld als vorrangige Maßnahme zwingend notwendig.

Was regelt die Covid-19-ArbZV?

Die Covid-19-ArbZV regelt  befristet bis zum 30.06.2020 für bestimmte Tätigkeiten Ausnahmen von den Höchstarbeitszeiten, den Mindestruhezeiten sowie vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen.

Wichtig ist auch im Rahmen der Covid-19ArbZV dürfen Arbeitgeber nicht die geltenden Arbeitsverträge, Tarifverträge und Dienst- oder Betriebsvereinbarungen einseitig außer Kraft setzen. Die Regelungen der Covid-19-ArbZV greifen also in diese Verträge und Vereinbarungen nicht ein. Vielmehr wird es den Arbeitgebern durch die Verordnung ermöglicht, neue Arbeitszeiten unter den in der Verordnung festgelegten Rahmen zu vereinbaren. Dies kann zum Beispiel durch einvernehmliche Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder durch die Änderung von Tarifverträgen oder Dienst- und Betriebsvereinbarungen erfolgen.

Ausnahmen von den allgemeinen gesetzlichen Arbeitszeitregelungen sind aufgrund der Verordnung  nur für einen eng umgrenzten Kreis an systemrelevanten Tätigkeiten möglich. Dies sind Tätigkeiten

  • beim Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen z. B. von Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimitteln und Medizinprodukten,
  • bei der medizinischen Behandlung sowie bei der Pflege, Betreuung und Versorgung von Personen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten,
  • bei Not- und Rettungsdiensten, der Feuerwehr sowie beim Zivilschutz,
  • zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden,
  • in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren,
  • zur Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
  • zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen
  • in Apotheken und Sanitätshäusern im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie bei Abhol- und Lieferdiensten von Apotheken und Sanitätshäusern.

Auf Grundlage der Covid-19-ArbZV kann die tägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmern auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verlängerung nicht durch organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere Arbeitszeitdisposition, durch Einstellung von Arbeitnehmern oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen. Bei der Verlängerung der Arbeitszeiten ist zu beachten, dass innerhalb eines halben Jahres eine durchschnittliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich nicht überschritten werden darf.

Grundsätzlich darf in Folge der Erhöhung der Arbeitszeiten eine wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden nicht überschritten werden. Dies gilt allerdings nicht in dringenden Ausnahmefällen, wenn eine solche Verlängerung durch die oben genannten Maßnahmen nicht vermeidbar ist.

Können Arbeiten nicht an Werktagen (Montag bis Samstag) vorgenommen werden, dürfen Arbeitnehmer auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Hierfür ist den betroffenen Beschäftigten ein Ersatzruhetag zu gewähren. Dieser Ausgleich muss innerhalb von 8 Wochen bzw. spätestens zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31.07.2020 gewährt werden.

Neben der Erhöhung der Arbeitszeit dürfen die täglichen Ruhezeiten verringert werden. Diese sind aber im Laufe von 4 Wochen auszugleichen. Dies ist entweder durch freie Tage oder durch die Verlängerung anderer Ruhezeiten auf mindestens 13 Stunden möglich. Bei der Verringerung der Ruhezeiten ist zudem zu beachten, dass eine Mindestruhezeit von täglich neun Stunden nicht unterschritten werden darf.

Fazit:

Verlangt oder vereinbart mit einem Arbeitnehmer eine Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit, Überstunden oder deren Arbeit, so sollte dies stets auf dessen Rechtswirksamkeit geprüft werden. In jeglichen Fragen arbeitsrechtlicher Art stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.  


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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