Der Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO

  • 2 Minuten Lesezeit

Der Anspruch auf einen Pflichtverteidiger ist gesetzlich geregelt und nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Angeklagten, sondern von den konkreten Umständen der vorgeworfenen Tat abhängig.

Dieses ist in § 140 StPO festgeschrieben. Dessen Paragraph 1 benennt konkrete Fallkonstellationen, während Paragraph 2 eine schwierige Sache- und Rechtslage benennt. Dieses ist für den juristisch unerfahrenen Angeklagten nur bedingt zu verstehen, da er ja gerade seine eigene Lage als extrem schwierig empfindet.

Generell gilt das Folgende:

Der Angeklagte soll bei bestimmten Konstellationen dem Richter und dem Staatsanwalt nicht allein als juristischer Laie gegenüberstehen, sondern die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nehmen. Dafür ist es eben notwendig, dass er die gesamte Akte kennt und dies ist nur mithilfe eines Verteidigers möglich, welcher eben umfassende Akteneinsicht beantragen kann. Dies soll aber nicht für jeden Bagatellfall gelten.

Die Rechtsprechung hat folgende Fälle herausgearbeitet, in denen eine umfassende Akteneinsicht notwendig ist.

So ist dies der Fall, wenn ein wichtiger Zeuge im Laufe der Vernehmungen unterschiedliche Angaben zu wichtigen Punkten gemacht hat. Dann kann dessen Glaubwürdigkeit nur bei Kenntnis der vollständigen Akte beurteilt werden. In der Hauptverhandlung können ihm die unterschiedlichen Vernehmungen durch den Verteidiger vorgehalten werden und er dazu dezidiert befragt werden. Gleiches gilt, wenn ein Sachverständigengutachten angefordert wird oder wenn einem Zeugen in der Vernehmung Lichtbilder vorgehalten wurden und er meint auf diesen den Angeklagten erkannt zu haben. Ebenfalls soll dieses gelten, wenn das Opfer anwaltlich vertreten wird und die sogenannte Nebenklage zugelassen wurde. Dann muss bei Gericht Waffengleichheit gelten und auch der Angeklagte anwaltlich vertreten sein. Gleiches gilt, wenn bei mehreren Angeklagten ein Angeklagter schon durch einen Pflichtverteidiger vertreten wird.

Ferner liegen die Voraussetzungen vor, wenn der Angeklagte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Dies kann seine Ursache in dessen individuellen geistigen Fähigkeiten, seinem Gesundheitszustand, seinem jugendlichen oder hohem Alter oder mangelnden Sprach- oder Lesekenntnissen haben. Hierfür genügen schon Zweifel an der Fähigkeit, sich selbst verteidigen zu können. 

Die zu erwartende Strafe kann auch ein Grund sein, einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Droht eine hohe Strafe, soll die Hauptverhandlung nicht ohne einen Verteidiger durchgeführt werden. Eine solch hohe Strafe soll zu erwarten sein, wenn diese über einem Jahr liegen könnte, das Verfahren schon vor dem Schöffengericht stattfindet, wenn in anderer Sache ein Bewährungswiderruf droht, wenn eine Einheitsjugendstrafe gebildet werden soll oder wenn die Abschiebung von Ausländern droht.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Andreas Junge

Beiträge zum Thema