Der Bundesgerichtshof (BGH) beschränkt die Anwaltshaftung auf Fehler im Hauptmandat – (IX ZR 80/17)

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Der Bundesgerichtshof (BGH) beschränkt die Anwaltshaftung auf Fehler im Hauptmandat

Ein neues Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts beschränkt die Haftung des Anwalts auf Fehler im Bereich des Auftrags. Allumfassende Hinweise sind nicht geschuldet. In dem Fall durfte sich die Klägerin nicht darauf verlassen, dass weitergehende Hinweise gegeben werden. Der Bundesgerichtshof meinte in der Entscheidung, dass insbesondere keine Warnungen in Bezug auf Ansprüche gegen Dritte geschuldet seien. 

Anwalt macht Fehler und haftet – das Grundprinzip

Es ist mittlerweile schon weit verbreitete Kenntnis, dass der Anwalt für seine Fehler geradestehen und Schadensersatz leisten muss. Dies gilt insbesondere auch für Hinweise über vom Mandanten im Rahmen des Mandats selbst zu besorgende Handlungen. Daher konnte als überwiegende vermeintlich zutreffende Einschätzung auch gelten „Der Anwalt wird’s schon richten, sonst hol‘ ich mir das Geld eben vom Anwalt“. Nach der BGH-Entscheidung vom 21.6.2018 (IX ZR 80/17) kann dies nicht mehr uneingeschränkt gelten.

Mandat ausschließlich für Rentenbescheid-Widerspruchsverfahren gegeben

Folgendes war passiert. Die jetzige Klägerin, Olga F. aus Bochum (Name und Ort geändert), war zu ihrer Anwältin gegangen, nachdem Sie einen ablehnenden Bescheid zur Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung erhalten hatte. Die beauftragte Rechtsanwältin legte Widerspruch ein und hatte damit teilweise Erfolg. Es wurde insoweit nur teilweise Erwerbsminderungsrente zugesprochen. 

Es könne auch ein Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente zugesprochen werden. Dies setze jedoch voraus, dass Olga F. zunächst mit ihrem Arbeitgeber abkläre, ob dieser nicht einen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten könne.

Rechtsanwältin übersendet Bescheid ohne weitergehende Hinweise an Mandantin

Die teilweise bei der Deutschen Rentenversicherung erfolgreiche Rechtsanwältin übersandte nun den Teil-Abhilfebescheid an Olga F. lediglich mit dem Hinweis, dass sie sich an ihren Arbeitgeber zu wenden habe, um das Vorhandensein eines leidensgerechten Arbeitsplatzes abzuklären. Dies tat diese dann auch sofort und das sie beschäftigende Bankinstitut teilte mit, dass dies der Fall sei. Olga F. könne ca. zwei Monate später wieder arbeiten. Drei Wochen später jedoch erhielt sie dann Post, sie habe den nach § 33 Abs. 3 TVÖD innerhalb von zwei Wochen zu stellenden Weiterbeschäftigungsantrag versäumt, weshalb ihr nun doch kein Arbeitsplatz angeboten werden könne. Auf diese Frist hatte die Anwältin nicht hingewiesen. 

Olga F. ist empört und erhebt Klage gegen die bisherige Anwältin

Olga F. beauftragt nun einen anderen Rechtsanwalt damit, ihre bisherige Rechtsanwältin aufgrund des unterlassenen Hinweises auf die Frist in die Haftung zu nehmen.

Landgericht (LG) weist die Klage ab – Oberlandesgericht (OLG) gibt ihr recht

Nachdem das LG ihre Klage abgewiesen hatte, sprach das OLG ihr Schadensersatz zu mit der Begründung, die Rechtsanwältin habe eine Nebenpflicht aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Obwohl sie nur mit dem Widerspruchsverfahren beauftragt gewesen sei, hätte sie sich denken können, dass ihre Mandantin von dieser Zwei-Wochen-Frist noch nie etwas gehört hatte. Da die Frist mit Zustellung des Widerspruchsbescheides in Form des Rentenbescheides zu laufen begänne, hätte sie auch damit rechnen müssen, dass Olga F. die Frist versäumen und ihre Beschäftigung verlieren würde.

BGH weist Klagebegehren unerwartet ab –Anwälte atmen auf

Neigte der BGH doch in der Vergangenheit eher dazu, die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts ins nahezu Unermessliche zu steigern (BGH, Urteil v. 1.3.2007, IX ZR 261/03), so dürfte diese Entscheidung die Rechtsanwaltschaft doch erleichtern.

Der Rechtsanwalt ist zur umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Mandanten angehalten und habe seinen Mandanten vor Irrtümern oder Schäden zu bewahren. Diese Pflichten können aber nur gelten, soweit sie sich aus dem Mandat ergeben. 

Der Rechtsanwalt ist nur dann zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des ihm erteilten Mandats verpflichtet, wenn er die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten kannte, aus denen die dem Mandanten drohende Gefahr folgte, oder wenn diese offenkundig waren.

Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen einer über das Mandat hinausgehenden Warn- und Hinweispflicht des rechtlichen Beraters ist dagegen der Mandant.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die beklagte Rechtsanwältin die Frist selbst nicht kannte, aber auch nicht kennen musste, da das Mandat das Ziel der Erwerbsminderungsrente zum Gegenstand hatte. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei ein anderer Gegenstand, sodass dortige Unkenntnis nicht eine Haftung auslösen könne. Dies gelte nur innerhalb des eigentlichen Mandats.

Was also als Mandant tun?

Möglicherweise könnte man auf die Idee kommen, hier „hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus“. Dies trifft jedoch nicht zu, da das Mandat eben ein anderes zum Inhalt hatte und eben nicht den Weiterbeschäftigungsantrag.

Als Mandant sollten Sie daher bereits im ersten Gespräch sehr aufmerksam ihre eigentlichen Ziele vortragen und diese sollten sich im Anwaltsvertrag auch wiederfinden. Um dies nachher dann nachweisen zu können –einen schriftlichen Anwaltsauftrag gibt es bei kleineren Aufträgen eher nicht – sollten Sie beispielsweise einen Zeugen mitnehmen oder nach dem Gespräch dieses noch einmal schriftlich zusammenfassen und dem Rechtsanwalt übersenden.

Ein weiterer guter Rat ist sicherlich, sich eben nicht komplett auf den Rechtsanwalt zu verlassen, sondern Bescheide etc. selbst noch einmal sehr genau lesen. Im Zweifelsfalle bei Unklarheiten können Sie sich dann aber von Ihrem Rechtsanwalt aufklären lassen und ggf. das Mandat auf die daraus gewonnene Erkenntnis erweitern.

LG Hannover, Entscheidung vom 21.06.2016 – 20 O 180/15 -

OLG Celle, Entscheidung vom 16.03.2017 – 13 U 135/16 -


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