Der Handelsvertretervertrag in Österreich: Handelsvertreter & Prinzipal

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Der Handelsvertretervertrag – worauf kommt es an?

Die rechtliche Beziehung zwischen Handelsvertreter und Prinzipal unterliegt immer wieder gewissen Unschärfen und Unklarheiten. Wir geben hier einen Überblick.

Was ist ein Handelsvertreter überhaupt? Der Begriff ist vielen geläufig, aber was genau er bedeutet und welche rechtlichen Folgen damit verbunden sind, darüber herrscht oft Unklarheit.

Grundsätzlich ist ein Handelsvertreter ein „Verkäufer“. Allerdings ist er – im Gegensatz zum angestellten, firmeninternen Verkäufer – auf selbstständiger Basis tätig. Oft vertritt er auch nicht nur ein Unternehmen, sondern gleich mehrere. Auf diese Weise schafft er Synergien, denn er kann dieselbe Zielgruppe mit verschiedenen Produkten ansprechen. Die von ihm vertretenen Unternehmen bekommen leichter Zugang zur für sie relevanten Zielgruppe und müssen keine eigenen Vollzeitkräfte anstellen.

Die Kernaufgabe des Handelsvertreters ist es also, für seine Auftraggeber Produkte und Services zu verkaufen und Absatzmärkte zu pflegen. Dazu gehört nicht nur die Pflege bestehender Kundenbeziehungen, sondern auch der Ausbau des Kundenstammes.

Den Auftraggeber des Handelsvertreters, also das Unternehmen, dessen Produkte durch den Handelsvertreter angeboten werden, nennt man auch Prinzipal.

Zwischen Prinzipal und Handelsvertreter wird ein Handelsvertretervertrag abgeschlossen, der dem Handelsvertretergesetz (genauer: „Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der selbständigen Handelsvertreter“ aus dem Jahr 1993) unterliegt.

Die Vertragsparteien haben zwar einen gewissen Spielraum, wie genau sie ihre Beziehung ausgestalten, aber das Handelsvertretergesetz setzt diesem Spielraum auch Grenzen.

Schriftlichkeit ist von Vorteil

Wenn es in der Folge zu Auseinandersetzungen kommt, geht es meist um die Themen Provision, Auflösung des Vertrages und Ausgleichanspruch. Um die Gefahr von Auseinandersetzungen zu minimieren und klare Verhältnisse zu schaffen, empfiehlt es sich, den Vertrag schriftlich und unter Mithilfe eines erfahrenen Rechtsanwaltes abzuschließen. Das Handelsvertretergesetz fordert die Schriftlichkeit zwar nicht, aber aus nachvollziehbaren Gründen ist eine schriftliche Vereinbarung eindeutiger als eine mündliche.

Ein Großteil der Streitigkeiten nach der Beendigung einer Geschäftsbeziehung zwischen einem Handelsvertreter und dem Prinzipal dreht sich um den sogenannten Ausgleichsanspruch. Beim Ausgleichsanspruch geht es darum, dass dem Handelsvertreter ein Ausgleich dafür zusteht, dass er einen Kundenstamm aufgebaut und gepflegt hat, nach Beendigung der Handelsvertretung daraus aber keinen Nutzen mehr ziehen kann. Andererseits profitiert der Prinzipal weiterhin von dem aufgebauten Kundenstamm. Das Gesetz billigt dem Handelsvertreter dafür einen Ausgleich zu.

§ 24 Handelsvertretergesetz formuliert dies wie folgt:

„(1) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit

1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,

2. zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und

3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.“

Wesentliche Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch ist also die Erweiterung des Kundenstammes und/oder Umsatzes sowie die Aussicht, dass der Prinzipal auch weiterhin davon profitieren wird.

Diese Regelung des Ausgleichsanspruches ist zwingend, kann also auch durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden.

Übrigens haben die Gerichte in der Praxis das Handelsvertretergesetz, und hier insbesondere die Regelung über den Ausgleichsanspruch, auch auf andere Arten von Geschäftsbeziehungen angewendet, bei denen es zwar nicht um Handelsvertretungen geht, aber doch auch um vertriebsbezogene Kooperationen. Beispiele dafür sind die Vertragshändler und auch die Franchisenehmer. Auch diese Unternehmer üben eine vertriebliche Tätigkeit für einen Dritten aus, erweitern und pflegen einen Kundenstamm für diesen. Sie sind – genauso wie der Handelsvertreter – sehr stark in die Vertriebsstruktur des Herstellers bzw. Franchisegebers eingebunden.

Höhe des Ausgleichsanspruches

Eine Frage, die das Handelsvertretergesetz nicht genau regelt, ist die nach der Höhe des Ausgleichsanspruches. Das Gesetz verweist hier nur auf die „Billigkeit“, was weiten Spielraum für unterschiedliche Interpretationen lässt. In der Praxis der Rechtsprechung haben sich allerdings einige Regeln etabliert, die wir hier kurz darstellen wollen.

So fließen in die Berechnung des Ausgleichsanspruches unter anderem die folgenden Faktoren mit ein:

Nachhaltigkeit des Umsatzes: Kaufen die durch den Handelsvertreter gewonnen Kunden auch künftig weiter beim Auftraggeber (Prinzipal)?

Wie viel Anteil am Umsatz des Handelsvertreters hatte der Prinzipal? Hat er viel Geld in Werbung investiert und dadurch die Umsätze indirekt gefördert?

Wie hoch ist die Gefahr, dass Kunden wieder abwandern?

Grundlage für den Ausgleichsanspruch ist der sogenannte „Rohausgleich“. Er ergibt sich aus den Provisionen der letzten 12 Monate vor Vertragsbeendigung, welcher Betrag dann noch um gewisse Faktoren wie Entgelt für Verwaltungstätigkeiten, erwartete Abwanderung von Kunden oder nicht-wiederkehrende Umsätze reduziert wird. Der Ausgleichsanspruch ist nach oben begrenzt mit der Provision eines Jahres, die als Durchschnitt der Provisionen der letzten fünf Jahre berechnet wird.

Im Einzelfall ist die Berechnung sehr komplex und erfordert Erfahrung mit Rechtsprechung und den Gepflogenheiten der Branche.

Wichtig ist es, den Ausgleichanspruch innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertrages zwischen Handelsvertreter und Prinzipal geltend zu machen. Um die Beweislage zu sichern, sollte dieser Anspruch dem Prinzipal nachweislich übermittelt werden. Wenn es in weiterer Folge zu einer Auseinandersetzung kommt, so muss die Klage binnen drei Jahren ab Beendigung des Handelsvertretervertrages bei Gericht eingebracht werden. Diese Frist kann aber im Vertrag verkürzt werden. Ansonsten verjähren die Ansprüche.

Wie man sieht, ist die Thematik rund um das Handelsvertretergesetz sehr komplex. Es empfiehlt sich daher, bereits bei Abschluss eines dementsprechenden Vertrages einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Dies schafft klare Verhältnisse und verringert die Gefahr nachträglicher Diskussionen.



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