Der Pflichtteilsentzug

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Wer sein Testament oder seinen Erbvertrag errichtet, ist insoweit nicht gänzlich frei im Rahmen der Ausgestaltung seiner letztwilligen Verfügung, als dass er, sollte er einzelne Pflichtteilsberechtigte nicht oder nicht in ausreichendem Maße bedenken wollen, grundsätzlich damit rechnen muss, dass diese ihren gesetzlich garantierten Pflichtteilsanspruch geltend machen und damit dem im Rahmen der letztwilligen Verfügung geäußerten Willen zuwiderhandeln.

Insbesondere in den Fällen, in denen das Verhältnis zwischen Testierendem und Pflichtteilsberechtigtem zerrüttet ist, kommt aufseiten des Testierenden regelmäßig der Wunsch auf, dem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteilsanspruch zu entziehen.

Entziehungsgründe

Wann ein Pflichtteilsentzug möglich ist, ist in § 2333 BGB geregelt. Danach kann der Testierende einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling, Ehegatten oder Elternteil den Pflichtteil entziehen, wenn dieser:

  1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet,
  2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der unter Ziffer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
  3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
  4. wegen einer vorsätzliche Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

Die Hürde für einen wirksamen Pflichtteilsentzug ist damit entsprechend hoch.

In einer Entscheidung vom 15.02.2012 hatte das Landgericht Stuttgart (Az. 16 O 638/11) einen Pflichtteilsentzug als gerechtfertigt erachtet, der von der Erblasserin damit begründet war, dass der Pflichtteilsberechtigte ihr gegenüber einen tiefen Hass gehegt und nach ihrem Leben getrachtet habe und er zudem rechtskräftig wegen einer Vergewaltigung verurteilt worden war.

In seiner Urteilsbegründung führte das Landgericht aus, dass auch Beleidigungsdelikte dazu geeignet sein können, den Pflichtteilsentzug zu rechtfertigen. Dies gelte dann, wenn diese eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses darstellen.

In einer Entscheidung vom 05.10.2016 hat der Bundesgerichtshof (Az.5 U 61/15) dieses Erfordernis einer groben Missachtung insoweit bekräftigt, als dass er in der Urteilsbegründung ausgeführt hat, dass die Pietätsverletzung derart schwer wiegen muss, dass das Eltern-Kind-Verhältnis empfindlich gestört ist.

Begründet wird das Erfordernis der empfindlichen Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses damit, dass eine Pflichtteilsentziehung mit ihrem außerordentlichen Gewicht und ihrem demütigenden Charakter einer Verstoßung des Pflichtteilsberechtigten über den Tod des Erblassers hinaus nahekomme. Aus diesem Grund sei eine entsprechend schwerwiegende Verletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung erforderlich, um auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einen entsprechenden Entzug zur rechtfertigen. Damit sind z. B. Beleidigungen, denen ein entsprechend schwerwiegender Charakter nicht zugeordnet werden kann nicht ausreichend, den Pflichtteilsentzug zu rechtfertigen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in welchem der BGH die Entziehung als gerechtfertigt angesehen hat, hatte die Klägerin, der der Pflichtteil entzogen worden war, die Erblasserin geschlagen sowie deren Ehemann im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung als „Dreckschwein“, „Arschloch“ und „Idiot“ bezeichnet, ihm den Mittelfinger gezeigt sowie darüber hinaus erklärt, dass Sie wünschte, dass er verrecke. Des Weiteren hatte sie diesem mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen.

Form

Soweit ein den Pflichtteilsentzug rechtfertigender Sachverhalt gegeben ist, ist es notwendig, dass die Pflichtteilsentziehung formgerecht erklärt wird. Erfolgt die Erklärung in unzureichendem Maße, hat dies zur Konsequenz, dass der Pflichtteilsentzug trotz der Tatsache, dass ein den Ausschluss rechtfertigendes Verhalten gegeben ist, unwirksam ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt die Wirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung neben der Entzugserklärung auch die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhaltes innerhalb des Testamentes voraus. Hierbei gehe es, so das OLG Düsseldorf, nicht darum, dass der Erblasser zum Ausdruck bringe, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordne, vielmehr komme es auf eine gewisse Konkretisierung der Gründe an, auf die er seine Entziehung stützen will. Es genügt damit nicht, wenn der Testierende im Rahmen seines Testaments auf entsprechende Erklärungen außerhalb seines Testamentes verweist, die selbst nicht der testamentarischen Form entsprechen.

Fazit

Im Ergebnis ist ein wirksamer Entzug des Pflichtteilsanspruchs damit nur in entsprechend schwerwiegenden Fällen möglich. Bloße Zerwürfnisse oder auch ein Kontaktabbruch reichen nicht aus, um einen Entzug zu rechtfertigen. Doch selbst in jenen Fällen, in denen ein den Entzug rechtfertigender Sachverhalt gegeben ist, kann der Entzug daran scheitern, dass die im Testament gemachten Ausführungen unzureichend sind und der Entzug damit an einer vermeintlichen Formalie scheitert. Ebenfalls scheitern kann ein ursprünglich wirksamer Entzug daran, dass der Testierende dem Pflichtteilsberechtigten sein Fehlverhalten verzeiht und dadurch die Entziehungsgründe erlöschen (§ 2337 BGB). Wer einem Pflichtteilsberechtigten seinen Anspruch entziehen möchte, sollte daher dafür Sorge tragen, dass die von ihm angestrebte Entziehung nicht an formalen Gründen oder an einem unbedachten Verhalten scheitert, welches als Verzeihung ausgelegt werden könnte.

Axel Steiner

Rechtsanwalt

für Erbrecht und Vermögensnachfolge


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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