Der Schulwechsel – wie beantragen?

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Der folgende Beitrag behandelt den außerordentlichen Schulwechsel auf Wunsch der Eltern, also nicht den regulären Wechsel auf die weiterführende Schule und nicht die behördliche Zuweisung an eine andere Schule als Ordnungsmaßnahme.

Der Beitrag berücksichtigt nur die Rechtslage in Hamburg – sie stellt sich infolge der Länderhoheit in Schulangelegenheiten in anderen Bundesländern anders dar.

1. Schulwechsel als „letztes Mittel“

Ein außerplanmäßiger Schulwechsel stellt für Ihr Kind regelmäßig eine Belastung dar. Er ist einerseits mit Beziehungsabbrüchen an der bisherigen Schule, andererseits mit der Notwendigkeit verbunden, sich an der aufnehmenden Schule neu „einzuleben“. Ein Schulwechsel löst auch nicht jedes Schulproblem. Daher sollten Sie als Eltern diese Maßnahme nicht als schnelle Lösung für jedes „Knirschen im Getriebe“, sondern nur als „ultima ratio“ ins Auge fassen. Die weitaus meisten Eltern verfahren auch so.

Es gibt allerdings Konstellationen, in denen ein Schulwechsel und der damit verbundene schulische Neuanfang durchaus sinnvoll oder sogar geboten sein können. Dies ist z. B. der Fall bei Mobbing zum Nachteil Ihres Kindes, wenn die Schule dies nicht in den Griff bekommt. Oder Ihrem Kind wird zu Unrecht ein schweres schulisches Fehlverhalten angelastet, durch welches das Bild Ihres Kindes in den Augen der Lehrkräfte entscheidend (negativ) geprägt wird. In diese Kategorie zählen ganz allgemein Fälle, in denen das Verhältnis zwischen der Schule und Ihnen als Eltern – aus welchen Gründen auch immer – derart irreparabel gestört ist, dass eine weitere konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint.

In diesen schwerwiegenden Fällen ist Ihr elterlicher Wunsch nach einem Schulwechsel legitim und nachvollziehbar.

Es stellen sich dann eine ganze Reihe von Fragen: 

  1. Ist ein Schulwechsel rechtlich einforderbar und wenn ja unter welchen Voraussetzungen?
  2. Sind Sie als Eltern auf die Zustimmung der Bestandsschule zum Schulwechsel angewiesen?
  3. Muss ein Antrag gestellt werden? Bei wem? Mit welcher Begründung?
  4. Kann der Schulwechsel an die von Ihnen ausgewählte Wunschschule erfolgen oder wird Ihrem Kind eine neue Schule behördlich zugewiesen?
  5. Kann der Schulwechsel nur zum Beginn des neuen Schuljahres erfolgen oder kann auch ein Schulwechsel im laufenden Schuljahr beantragt werden?

2. Rechtlicher Ausgangspunkt: Das Recht auf freie Schulwahl

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hamburg ist das Recht der Eltern auf freie Schulwahl anerkannt. Das bedeutet, dass die Eltern für ihr Kind nicht nur die Schulform bestimmen können (z. B. Stadtteilschule oder Gymnasium), sondern darüber hinaus die konkret gewünschte Schule dieser Schulform. Dieses Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt, sondern wird durch die an der Wunschschule vorhandene Kapazität (die dort verfügbaren Schulplätze) begrenzt.

Das Recht auf freie Schulwahl beschränkt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hamburg nicht nur auf Einschulung und Übergang in die weiterführende Schule. Es gilt ebenso, wenn ein außerordentlicher Schulwechsel an eine andere Grund- oder weiterführende Schule angestrebt wird.

Danach bestand im Ausgangspunkt grundsätzlich das Recht der Eltern, mit formlosem Antrag bei der Bestandsschule einen Schulwechsel an eine andere Schule der gleichen Schulform – auch unterjährig – verlangen zu können, sofern an der aufnehmenden Schule ein Schulplatz verfügbar war. Einer Begründung des Schulwechselwunsches bedurfte es dafür rechtlich nicht.

3. Maßgebliche Richtlinie der Schulbehörde seit 2018

Diese Rechtslage hat sich in Hamburg geändert, nachdem die Schulbehörde im Jahr 2018 eine Richtlinie zum Schulwechsel erlassen hat (RL zur Aufnahme von Schülerinnen und Schülern an staatlichen allgemeinbildenden Schulen in Hamburg vom 28.02.2018). Die Richtlinie verfolgt erkennbar den Zweck, Schulwechsel zu erschweren und schränkt dafür das Recht auf Schulwechsel innerhalb bestehender Kapazität erheblich ein. Hintergrund ist, dass die Schulbehörde Schulwechsel aus verschiedenen Gründen nicht gern sieht. Als Eltern müssen Sie daher mit behördlichem Widerstand rechnen.

Der Richtlinie zufolge soll angeblich ein „öffentliches Interesse“ daran bestehen, dass ein Schüler seine Schullaufbahn an seiner Bestandsschule fortsetzt („pädagogische Kontinuität des eingeschlagenen Bildungsganges“). Dementsprechend muss der Schulwechselantrag nunmehr von den Eltern begründet werden. Das in der Antragsbegründung umschriebene Interesse am Schulwechsel wird sodann abgewogen mit dem ihm entgegenstehenden öffentlichen Interesse. Nur bei Überwiegen des Schulwechselinteresses kann der Schulwechsel verlangt werden. Die Richtlinie sieht vor, dass das „öffentliche Interesse“ das „Schulwechselinteresse“, wie es dort heißt „für gewöhnlich“, überwiegt. Ein Schulwechsel ist – der Richtlinie zufolge wegen des „stets“ überwiegenden öffentlichen Interesses – ausgeschlossen, wenn an der Wunschschule ein freier Schulplatz nicht zur Verfügung steht.

Ein ausreichender Schulwechselgrund, der das entgegenstehende öffentliche Interesse überwiegt, liegt der Richtlinie zufolge vor, wenn der Schulweg durch einen Wohnortwechsel nach Einschulung unzumutbar lang geworden ist. Ein ausreichender Schulwechselgrund kann der Richtlinie zufolge vorliegen, wenn das Verhältnis zwischen Schule und Eltern „zerrüttet“ ist.

Hinsichtlich des Verfahrens sieht die Richtlinie u. a. vor, dass ein Schulwechselantrag zwar jederzeit bei der Bestandsschule gestellt werden kann, dass ein unterjähriger Schulwechsel jedoch nur aus wichtigem Grund zulässig sein soll. Wird ein Schulwechsel zum nächsten Schuljahr gewünscht, soll der Antrag bis zum 31. Mai gestellt werden.

Wie bei Einschulung und Wechsel auf die weiterführende Schule können drei Schulwünsche angegeben werden – zwingend erforderlich ist die Angabe eines Zweit- und Drittschulwunsches hingegen nicht.

Die Schulleitungen der abgebenden und der aufnehmenden Schule können den Schulwechsel durchführen, ohne dass die Einschaltung der Schulbehörde erforderlich wird, sofern beide den Schulwechsel befürworten und ein freier Schulplatz an der aufnehmenden Schule zur Verfügung steht.

Die Bestandsschule hat aber kein „Vetorecht“ betreffend des Schulwechsels. Stimmt sie ihm nicht zu, bedeutet dies nur, dass der Schulplatzwechsel nicht in dem „bilateralen“ Verfahren allein zwischen den Schulleitungen abgewickelt werden kann, sondern dass die Schulbehörde über den Schulwechselantrag zu entscheiden hat.

4. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Richtlinie – pragmatisches Vorgehen

Das Recht auf freie Schulwahl wurzelt in dem vom Grundgesetz geschützten elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Es ist rechtlich höchst zweifelhaft, ob eine bloße behördliche Verwaltungsrichtlinie dieses verfassungsrechtlich verbürgte Recht in zulässiger Weise einschränken kann.

Bis zu einer gerichtlichen Klärung dieser Frage sollte von der Geltung der Richtlinie ausgegangen und pragmatisch wie folgt vorgegangen werden:

  • Lassen Sie sich von Einwänden der Bestandsschule nicht abhalten, einen Schulwechselantrag zu stellen, wenn dieser aus Ihrer Sicht dringend erforderlich ist.
  • Der Wechselantrag kann mit dem Formular AS 80 (erhältlich im Schulsekretariat), aber auch formlos bei der Bestandsschule eingereicht werden. Insbesondere wenn die Schule den Wechsel nicht befürwortet, empfiehlt es sich, eine Kopie des Antrages sogleich der Schulbehörde zuzuleiten.
  • Benennen Sie in Ihrem Antrag die Schule und Klassenstufe, an die gewechselt werden soll. 
  • Erkundigen Sie sich möglichst im Vorfeld, ob in der relevanten Klassenstufe noch freie Schulplätze verfügbar sind und vermerken Sie eine positive Auskunft in Ihrem Antrag. Geben Sie ggf. einen Zweit- und Drittschulwunsch an.
  • Da die Richtlinie dies vorsieht, empfiehlt es sich, den Schulwechselwunsch sorgfältig zu begründen. Mögliche Gründe werden in der Richtlinie nicht abschließend umschrieben. Wenn Sie unsicher sind, welches im Einzelfall ein tauglicher Wechselgrund sein kann, empfiehlt sich die Einholung des Rates eines – möglichst auf das Schulrecht spezialisierten – Rechtsanwalts.
  • Geben Sie im Antrag an, zu welchem Zeitpunkt Sie sich den Schulwechsel wünschen. In dringenden Fällen sollte der Beginn des neuen Schuljahres keinesfalls abgewartet werden.
  • Geben Sie an, wie verfahren werden soll, wenn der Schulwechsel aufgrund mangelnder Kapazität der Wunschschule derzeit nicht vollzogen werden kann. Soll der Schulwechsel dann unterbleiben und Ihr Kind auf der Bestandsschule verbleiben? Soll der Antrag als zeitlich unbegrenzt gültig bleibender „Dauerantrag“ gestellt werden, sodass Ihr Kind wechseln kann, sobald ein freier Schulplatz verfügbar wird?

Wichtig: Wenn Sie das im Schulwechselformblatt AS 80 vorgesehene Kästchen mit der Verfügung, dass Ihr Kind bei Nichtverfügbarkeit des Wunschschulplatzes an der Bestandsschule verbleiben soll, nicht ankreuzen, sondern das Kreuz bei der Verfügung setzen, dass es einer anderen Schule zugewiesen werden soll, ermächtigen Sie die Schulbehörde dazu, Ihr Kind von Amts wegen einer beliebigen Schule der gewählten Schulform in angemessener Entfernung zuzuweisen.

5. Was tun bei abgelehntem Schulwechselantrag?

Ist Ihr Schulwechselantrag abgelehnt worden, müssen Sie sich damit nicht unbedingt abfinden. Ob ein rechtliches Vorgehen gegen die Ablehnung erfolgversprechend ist, sollten Sie allerdings zuvor anwaltlich prüfen lassen, da u. U. Kosten (Gebühren) ausgelöst werden. Es kann im Einzelfall auch günstiger sein, die Ablehnung Ihres Antrages zu akzeptieren und stattdessen mit anwaltlicher Unterstützung, die nicht nach außen offengelegt werden muss, einen neuen Antrag zu stellen.

Anmerkung:

Die Kanzlei Hentschelmann bietet keine kostenlose Rechtsberatung an. Aufgrund der Vielzahl von Anfragen aus dem Internet kann ich Nachfragen zu diesem Artikel grundsätzlich nicht kostenlos, sondern nur im Rahmen einer kostenpflichtigen anwaltlichen Erstberatung (Kosten s. Kanzleihomepage) beantworten. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.

Foto(s): pixabay.com

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