Die Nebenklage des Opfers im Strafverfahren gegen den Täter

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I.) Grundsatz: Opfer von Straftaten sind nur Zeugen

Normalerweise werden Opfer von Straftaten durch die Polizei als bloße Zeugen der Tat vernommen. Kommt es zur Anklageerhebung und Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens, so wiederholt sich diese Rollenverteilung auch im sogenannten Hauptverhandlungstermin: Geschädigte sind dann darauf beschränkt, auf dem Flur des Gerichts darauf zu warten, dass sie nach der Verlesung der Anklageschrift und einer etwaigen Aussage des Täters zur Schilderung ihrer Version der Geschichte in den Sitzungssaal hereingerufen werden und dann Fragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der anwaltlichen Verteidigung des Angeklagten zu beantworten haben. Nach ihrer Vernehmung steht es ihnen dann nur noch frei, den restlichen Verlauf der Verhandlung inklusive der abschließenden Entscheidung des Gerichts aus dem Zuschauerraum zu verfolgen oder aber den Sitzungssaal zu verlassen. Aktive Mitwirkungsrechte kommen ihnen hingegen bei alldem nicht zu.


II.) Ausnahme: Als Nebenkläger haben Opfer weitergehende Verfahrensrechte

Für bestimmte Delikte hat der Gesetzgeber die Position der Verletzten aber gestärkt und die Möglichkeit geschaffen, dem Strafverfahren gegen den Täter als Nebenkläger beizutreten. Mit dem Nebenklage-Beitritt sind ausschließlich zusätzliche Rechte für Opfer verbunden, nicht hingegen irgendwelche Pflichten.

Dies ermöglicht es beispielsweise, in der gesamten Gerichtsverhandlung anwesend zu sein.

Auch sind Nebenkläger berechtigt, Einsicht in die amtlichen Akten gegen den Beschuldigten zu erhalten.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eigene Fragen an Zeugen und eigene Beweisanträge zu stellen.

Umgekehrt wird ein anwaltlicher Nebenklage-Vertreter mit entsprechender Rücken-Deckung dafür sorgen, dass insbesondere Fragen der Verteidigung des Beschuldigten im gesetzlichen Rahmen bleiben und nicht – was häufig geschieht – das Opfer im Zeugenstand den Eindruck bekommt, selbst der Täter zu sein.

Wenn zusätzlich ein sogenannter Adhäsionsantrag gestellt wird, kann über etwaige Schadensersatzansprüche des Opfers in dem Strafverfahren gegen den Täter mit entschieden werden, ohne dass es dafür eines gesonderten Zivilverfahrens bedarf.

Schlussendlich hat ein Nebenkläger die Möglichkeit, selbsttätig ein Rechtsmittel einzulegen, wenn nach eigener Ansicht der Angeklagte zu Unrecht freigesprochen wurde – Letzteres muss allerdings sorgfältig überdacht werden, nachdem diese Option mit einem Kostenrisiko einhergehen kann.


III.) Typische Fälle für einen Nebenklage-Beitritt

Ein Nebenklage-Beitritt ist nach § 395 StPO insbesondere möglich, wenn der Täter zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt gewesen ist und es um eine Straftat

  • gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z.B. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Nötigung oder Belästigung - §§ 174-182 StGB),
  • gegen die körperliche Unversehrtheit (z.B. vorsätzliche Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien, versuchter Mord oder Totschlag - §§ 211, 212, 223-226a, 340 StGB) oder
  • gegen die persönliche Freiheit (z.B. Geiselnahme oder schwere Fälle von Freiheitsberaubung, Menschenhandel, Zwangsprostitution - §§ 232-237, 239-239b, 240 StGB) geht.

Ebenfalls nebenklagebefugt sind neuerdings Opfer

  • des unbefugten Nachstellens (sogenanntes Stalking - § 238 StGB).

Und schließlich kann der Anschluss eines Tatopfers als Nebenkläger selbst bei an sich eher weniger schwerwiegenden, aber folgenreichen Straftaten

  • aus besonderen Gründen geboten erscheinen, insbesondere, wenn das Opfer unter schweren Folgen der Tat leidet (z.B. bei fahrlässiger Körperverletzung, Raub, räuberischem Diebstahl oder Erpressung).

Sehr häufig sind nach unseren praktischen Erfahrungen Fälle der Nebenklage nach Schlägereien, häuslicher Gewalt und Verkehrsunfällen mit schweren Verletzungsfolgen.

Wenn gar

  • ein Mensch bei einer Straftat getötet wird, steht dessen engsten Angehörigen und Hinterbliebenen (Eltern, Kindern Ehegatten und Lebenspartnern) ebenfalls das Recht zum Nebenklage-Beitritt zu.

Gegen jugendliche Täter mit einem Alter unter 18 Jahren hingegen ist die Nebenklage wegen § 80 Abs.3 JGG eingeschränkt nur in besonderen Fällen möglich, wie etwa bei bestimmten Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung. Der Nebenklage-Beitritt ist hier demnach seltener denkbar als in Strafverfahren gegen erwachsene Beschuldigte.


IV.) Anwaltliche Hilfe im Nebenklage-Verfahren / Kosten

Es bietet sich an, bereits zu einem frühen Zeitpunkt nach der Tat professionelle Unterstützung eines auf die Opfer-Vertretung spezialisierten Anwalts in Anspruch zu nehmen, wenn jemand erwägt, im Strafverfahren gegen seinen Widersacher nicht lediglich passiv zu bleiben, sondern als Nebenkläger eine aktive Rolle einzunehmen. Der Rechtsanwalt kann dann nach sorgfältiger Prüfung der Beitritts-Voraussetzungen einen schriftlichen Antrag auf Zulassung der Nebenklage stellen und im weiteren Verlauf zusammen mit dem Nebenkläger / der Nebenklägerin die zustehenden Rechte aktiv ausüben.

Für die Anwaltskosten kommen manche Rechtschutzversicherer auf. Eine Anfrage lohnt sich. 

Besonders schutzwürdige Nebenkläger haben zudem einen Anspruch auf staatliche Beiordnung eines (gleichwohl selbst auswählbaren) anwaltlichen Opferbeistandes, dessen Kosten dann vom Staat übernommen werden. Dazu gehören u.a. Fälle

  • des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung unter bestimmten Umständen (§ 177 StGB),
  • des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit (§§ 232-232b StGB),
  • des versuchten Mordes oder Totschlags (§§ 211, 212 StGB),
  • der schweren Körperverletzung und Verstümmelung weiblicher Genitalien (§§ 226, 226a StGB), des Menschenraubs (§ 234 StGB), des Stalkings (§ 238 StGB), der Freiheitsberaubung und Geiselnahme (§§ 239-239b StGB), des Raubs, des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung (§§ 249, 250, 252, 255 StGB), sofern diese Taten bei dem Opfer zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt haben oder voraussichtlich hierzu führen werden,
  • der Sexualdelikte gegen ein zur Tatzeit noch nicht 18 Jahre altes Opfer oder jemanden, der seine / die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann,
  • verschiedener Gewaltdelikte wie schwerer Körperverletzung und Raub, wenn die zur Nebenklage berechtigte Person bei Antragstellung noch nicht 18 Jahre alt ist oder ihre Interessen selbst nicht hinreichend wahrnehmen kann, und
  • einer vollendeten Tötung eines Elternteils, Kindes, Ehegatten oder Lebenspartners des Nebenklägers.

Liegt keine dieser genannten Taten vor, kann bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen eine staatliche Prozesskostenhilfe beantragt werden, sofern der/die Nebenkläger(in) seine/ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder dies nicht zuzumuten ist (§ 397a Abs.2 StPO).

Im Falle der Verurteilung wird der Angeklagte zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet.


Dr. Sven Hufnagel

Die Aschaffenburger Rechtsanwälte Dr. Sven Hufnagel und Claudia Hufnagel greifen auf umfassende praktische Erfahrungen aus einer Vielzahl geführter Nebenklage-Strafverfahren zurück. Sie sind bundesweit vor allen Strafgerichten tätig.

Nähere Informationen finden Sie auf der Kanzlei-Homepage unter www.anwalt-strafrecht.com.



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