Die neue VOB/A 2019 Abschnitt 1 – Anwendung und Neuerungen

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Unterschwellenvergabe im Baubereich

Wer wendet sie bereits an – was sind die Neuerungen?

Am 19.02.2019 wurde im Bundesanzeiger die aktuelle Fassung der VOB/A (2019) veröffentlicht. Damit stellen sich die Fragen, welche Auftraggeber bereits die neue VOB/A anwenden müssen und welche Neuerungen in der aktuellen Fassung enthalten sind.

Allgemeines

Der Abschnitt 1 der VOB/A 2019 regelt die Vergabe von Bauaufträgen unterhalb des Schwellenwerts, enthält also die Vorschriften für eine nationale Ausschreibung, denn ab Erreichen des Schwellenwerts müssen die in § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) genannten Auftraggeber grundsätzlich eine europaweite Vergabe vornehmen bzw. die Regelungen hierzu beachten.

Der Schwellenwert für die europaweite Vergabe liegt seit 01.01.2018 bei 5.548.000 € netto für ein Bauprojekt. Er wird zum 01.01.2020 wieder neu festgesetzt.

Zur Ermittlung des Schwellenwerts sind alle Bauaufträge (Lose) für ein Bauprojekt zu berücksichtigen. Lose unterhalb einer Million innerhalb eines solchen Bauprojekts müssen nicht europaweit ausgeschrieben werden; Voraussetzung ist jedoch, dass ein solches Los oder mehrere solcher Lose nicht mehr als 20 % des Gesamtvolumens der Bauaufträge ausmachen.

Inkrafttreten der VOB/A Abschnitt 1

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist kein Gesetz, denn sie wurde nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) aufgestellt. Die Bindung an die VOB/A Abschnitt 1 regeln die öffentlichen Auftraggeber in ihrem Haushaltsrecht daher selbst.

Somit tritt der Abschnitt 1 der VOB/A unterschiedlich z. B. für Bund, Länder und Kommunen – abhängig von Einführungserlassen, Bestehen oder Änderungen von Verweisungsvorschriften – in Kraft.

Bereits mit Erlass vom 20.02.2019 hat das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) mitgeteilt, dass die Bundesbehörden die aktuelle VOB/A Abschnitt 1 ab 1. März 2019 anzuwenden haben.

Für die Bundesländer Berlin und Brandenburg ist die VOB/A 2019 bereits ab Veröffentlichung anzuwenden. Dies liegt daran, dass die jeweiligen Ausführungsvorschriften zu § 55 der Landeshaushaltsordnungen im Land Berlin und im Land Brandenburg eine sog. dynamische Verweisung auf die VOB/A Abschnitt 1 haben, was bedeutet, dass die jeweilige Fassung nicht festgelegt ist und abstrakt auf den Abschnitt 1 der VOB/A verwiesen wird, sodass dann automatisch die aktuell veröffentlichte Fassung gilt. Dies gilt durch entsprechende Regelungen z. B. auch für die Länder Sachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

Anders ist dies z. B. bei den Kommunen in Brandenburg, für die § 30 KomHKV (Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung) anwendbar ist. Dort findet sich in § 30 Abs. 2 S. 1 eine Verweisung auf die VOB/A 2016, sodass nicht automatisch die aktuelle Fassung Geltung gewinnt. Hier muss zunächst die Vorschrift geändert werden und es bleibt bis dahin bei der Anwendung der VOB/A 2016. So ist die Rechtslage z. B. auch im Bundesland Hessen, auch dort muss durch zusätzlichen Akt (Gesetz, Erlass etc.) die Geltung der VOB/A 2019 erst bestimmt werden. Bayern hat die Anwendung der VOB/A 2019 mit Geltung ab 29.03.2019 bereits eingeführt.

Wesentliche Änderungen/Neuerungen in Abschnitt 1 der VOB/A

Vergabearten und Wertgrenzen

Bisher waren als Vergabearten die Öffentliche Ausschreibung, die Beschränkte Ausschreibung (ggf. mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb) und die freihändige Vergabe geregelt, wobei die öffentliche Ausschreibung Vorrang hatte.

Mit der aktuellen Fassung 2019 wird die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb der Öffentlichen Ausschreibung gleichgestellt.

(Bei einer öffentlichen Ausschreibung kann jeder interessierte Bieter ein Angebot abgeben: es wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert.

Bei einer Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb kann jeder Bewerber einen Teilnahmeantrag für den vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb abgeben: Es wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert. Aufgrund des Teilnahmewettbewerbs werden dann die Bewerber ermittelt, die im weiteren Verfahren als Bieter zugelassen werden. Eine Höchstzahl von zuzulassenden Bietern kann vorab festgelegt werden und muss bekanntgegeben werden. Die Mindestzahl der zuzulassenden Bieter darf nicht niedriger als fünf sein.)

Gleichgeblieben ist, dass die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A erfolgen kann:

Bis zu folgendem Auftragswert der Bauleistung ohne Umsatzsteuer:

a) 50.000 Euro für Ausbaugewerke (ohne Energie- und Gebäudetechnik), Landschaftsbau und Straßenausstattung,

b) 150.000 Euro für Tief-, Verkehrswege- und Ingenieurbau,

c) 100.000 Euro für alle übrigen Gewerke

Hinsichtlich a) wurde jedoch neu ergänzt, dass für Bauleistungen zu Wohnzwecken bis 31.12.2021 eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für jedes Gewerk bis zu einem Auftragswert von 1.000.000 Euro ohne Umsatzsteuer erfolgen kann.

Die Freihändige Vergabe ist gem. § 3a Abs. 3 VOB/A neben anderen Gründen weiterhin bis zu einem Wert von 10.000 Euro netto möglich.

Neu ist die Regelung in § 3a Abs. 4 VOB/BA, wonach bis zu einem Wert von 3.000, – Euro der Direktauftrag ohne Vergabeverfahren möglich ist.

Zu beachten sind aber auch Besonderheiten, die sich aus den Ausführungsvorschriften der Landeshaushaltsordnungen und z. B. auf kommunaler Ebene aus dem KomHKV Bbg. ergeben. Dort können andere Wertgrenzen für vereinfachte Verfahren auf Landes- oder Kommunalebene festgelegt werden. 

Beispiel Berlin:

Abweichend von § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A dürfen Bauleistungen bei einem geschätzten Auftragswert bis zu 200.000 Euro für Hochbauleistungen und bis zu 500.000 Euro für alle anderen Bauleistungen im Rahmen einer Beschränkten Ausschreibung vergeben werden.

Die freihändige Vergabe ist bis zu einem Auftragswert von 20.000 Euro für Hochbauleistungen und bis zu 50.000 Euro für alle anderen Bauleistungen möglich.

Beispiel Brandenburg:

Die Beschaffungsstellen des Landes Brandenburg (also Ausschreibungen des Landes Brandenburg und seiner Institutionen) dürfen bis 200.000 Euro die Beschränkte Ausschreibung anwenden und bis 20.000 Euro die freihändige Vergabe.

Auf Kommunalebene des Landes Brandenburg gilt, dass eine Beschränkte Ausschreibung bis zu einem Wert von 1.000.000 Euro zulässig ist und eine freihändige Vergabe bis zu einem Wert von 100.000 Euro.

Erleichterung Eignungsprüfung

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens wird zunächst die Eignung der Bieter (ggf. im vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb) geprüft und anschließend die Zuschlagskriterien bewertet. Bei der Prüfung der Eignung sind einige Erleichterungen eingeführt worden. So kann der Auftraggeber bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro (o. USt.) auf einzelne Angaben zur Eignung verzichten, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrags gerechtfertigt ist. Dies betrifft jedoch nicht solche Angaben wie insbesondere zu Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung.

Bauunternehmen können eine Präqualifizierung bei dem Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. erwerben. Die dort durchgeführte Präqualifikation ist die vorgelagerte, auftragsunabhängige Prüfung der Eignungsnachweise und kann eine Bewerbung oder die Angebotsabgabe erleichtern.

Erleichtert wird mit der neuen VOB/A 2019 auch die Eignungsprüfung im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs. Hier reichen nun zunächst Eigenerklärungen der Unternehmen aus. Entsprechende Nachweise brauchen dann nur noch von den ausgewählten Bietern vorgelegt werden.

Mehrere Hauptangebote

Grundsätzlich ist es zulässig, mehrere Hauptangebote abzugeben. 

Wichtig ist, dass jedes eingereichte Angebot für sich zuschlagsfähig sein muss, sich also nicht durch Kombinationen durch Teile von Angeboten ergibt.

Der Auftraggeber kann jedoch mit der Bekanntmachung bestimmen, dass nur ein einziges Angebot von den Bietern jeweils abgegeben werden darf.

Form und Inhalt der Angebote

Die Übergangsvorschrift für schriftliche Angebote galt nur bis 18.10.2018 und ist gestrichen worden. Nunmehr legt der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote eingereicht werden (§ 13 Abs. 1 VOB/A). Daher sollten die Bieter über die Möglichkeit einer elektronischen Signatur verfügen. Es wird zwischen einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur und einer qualifizierten elektronischen Signatur unterschieden.

Bei der fortgeschrittenen elektronischen Signatur benötigt der Bieter eine passende Software der Vergabestelle und erhält einmalig einen Signaturschlüssel.

Bei der qualifizierten elektronischen Signatur benötigt der Bieter zur Abgabe eines entsprechenden Angebots mit Signatur eine Signaturkarte, ein Kartenlesegerät und die passende Software. Informationen hierzu findet man auf der Internetseite der Bundesnetzagentur.

Zuschlagskriterien

Die Zuschlagskriterien müssen nun angegeben werden.

Ist eine Gewichtung der Zuschlagskriterien vorgesehen, muss auch die Gewichtung angegeben werden.

Nachforderung von Unterlagen

§ 16a VOB/A regelt neu, welche Unterlagen vom Auftraggeber nachgefordert werden müssen. Der Auftraggeber hat aber auch das Recht, in der Bekanntmachung festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird. Dann sind Bieter mit fehlenden Unterlagen auszuschließen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A).

Auslandsdienststelle

Neu ist § 24 VOB/A für Ausschreibungen einer Dienststelle im Ausland oder einer inländischen Dienststelle mit Bauleistungen im Ausland. Hier gibt es Erleichterungen bei der Vergabe.

Berlin, 04.04.2019


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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