Die Restschuldbefreiung und ihre Bedeutung für Schuldner und Gläubiger

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Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens für den Schuldner ist, wie sein Leben nach dem Insolvenzverfahren weitergeht und wie lange es dauert, bis er wieder ein finanziell sorgenfreies Leben führen kann.

Im Gegensatz hierzu ist es für den Gläubiger von Interesse zu wissen, welches Schicksal seine gegen den Schuldner gerichtete Forderung durch Erteilung der Restschuldbefreiung erfährt sowie ob und wenn ja, welche Möglichkeiten es für ihn gibt, die Werthaltigkeit seiner Forderung zu erhalten. 

Der Gesetzgeber hat für Schuldner, bei denen es sich um natürliche Personen (also Verbraucher oder Unternehmer, deren Unternehmen als Einzelunternehmen organisiert sind) handelt, eine klare Regelung geschaffen, durch welche diese nach Abschluss des Insolvenzverfahren wieder in der Lage sind ihr Leben schuldenfrei weiterzuleben: Die Restschuldbefreiung.  

Begriffsbestimmung:

Die Erteilung der Restschuldbefreiung bedeutet für den Schuldner, dass gegen ihn gerichtete Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, vom Gläubiger nicht mehr vollstreckt, also zwangsweise durchgesetzt, werden können. Es steht dem Schuldner jedoch frei, diese Forderungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung dennoch auszugleichen. 

Für den Gläubiger dieser Forderungen bedeutet die Erteilung der Restschuldbefreiung, dass er lediglich den Anteil auf seine Forderung erhalten kann, der ihm vom Insolvenzverwalter (und späteren Treuhänder) ausgezahlt wird. Dabei muss man wissen, dass aus der Insolvenzmasse, die der Insolvenzverwalter im Laufe des Verfahrens "erwirtschaftet", zunächst die Verfahrenskosten und etwaige weitere Masseforderungen bedient werden und der restliche Betrag auf die Insolvenzforderungen - und zwar grundsätzlich im Verhältnis ihrer Höhe - an die Gläubiger ausgezahlt wird. Hierbei handelt es sich häufig um einen sehr geringen Betrag. 

Bedeutung der Restschuldbefreiung für Schuldner und Gläubiger:

Für beide Seiten ist das Wissen über die Voraussetzungen und den Ablauf des Restschuldbefreiungsverfahrens von besonderer Bedeutung. Der Schuldner möchte wissen, wie und wann er wieder finanziell sorgenfrei leben und durchstarten kann. Dem Gläubiger hingegen ist die Erteilung der Restschuldbefreiung naturgemäß ein Dorn im Auge, weswegen es für ihn darauf ankommt, unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, trotz erteilter Restschuldbefreiung auch hiernach noch bestehende Forderungen durchsetzen zu können oder aber die Erteilung der Restschuldbefreiung insgesamt zu verhindern. 

Gesetzliche Regelung:

Die Restschuldbefreiung wird im Anschluss an die sog. Wohlverhaltensphase vonseiten des Insolvenzgerichts erteilt, wenn und soweit der Schudner rechtzeitig zuvor, also im Zusammenhang mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, einen entsprechenden Antrag gestellt hat und keine Gründe vorliegen, die Erteilung der Restschuldbefreiung zu versagen.

Dauer der Wohlverhaltensphase:

Nach aktueller gesetzlicher Regelung dauert die sog. Wohlverhaltensphase 6 Jahre lang und endet exakt 6 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese Frist kann seit dem 01.07.2014 verkürzt werden auf 3 oder 5 Jahre, je nachdem, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. 

Eine Verkürzung auf 5 Jahre ist möglich, wenn es innerhalb dieser Zeit möglich war so viel Insolvenzmasse zu "erwirtschaften", dass wenigstens die Verfahrenskosten (Insolvenzverwaltervergütung zzgl. Gerichtskosten) gedeckt werden konnten. Dabei spielt die Herkunft dieser Gelder keine Rolle. Die Verkürzung erfolgt jedoch nur, wenn und soweit der Schuldner im laufenden Verfahren vor Ablauf dieser Frist bei Gericht einen entsprechenden Antrag auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt hat.

Eine Verkürzung auf 3 Jahre ist möglich, wenn innerhalb dieser Zeit nicht nur so viel Masse "erwirtschaftet" werden konnte, dass die Verfahrenskosten gedeckt werden können, sondern zusätzlich noch Masse zur Verfügung steht, um wenigstens 35% der vom Insolvenzverwalter festgestellten Insolvenzforderungen zu decken. Auch hier ist ein entsprechender rechtzeitiger Antrag notwendig. Anders aber als bei der Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf 5 Jahre kommt es hier auf die Herkunft der Gelder an. Diese müssen grundsätzlich vom Schuldner selber "erwirtschaftet" werden. Nicht möglich ist es also für den Schuldner, vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen größeren Betrag in Bar vorzuhalten, im Antrag nicht anzugeben, und schließlich und endlich zum gegebenen Zeitpunkt "aus dem Hut zu zaubern". Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass Schuldner sich strategisch verhalten, das Insolvenzverfahren beantragen, um durch Zahlung einer Summe von 35% sich zu entschulden, wenn das Geld aus dubiosen Quellen stammt.

Pflichten des Schuldners:

Der Schuldner muss im Laufe der Wohlverhaltensphase Pflichten erfüllen, von deren Einhaltung die Erteilung der Restschuldbefreiung abhängt. An dieser Stelle soll ein kurzer Überblick über diese Pflichten erfolgen:

- Keine neuen Schulden machen: Der Schuldner soll möglichst sich finanziell vernünftig verhalten und keine neuen Schulden machen. Grundsätzlich gilt, dass er mit dem ihm monatlich zur Verfügung stehenden Geld so haushalten muss, dass er laufende Ausgaben bedienen kann. Es ist nicht möglich, für etwaige - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Schulden - ebenfalls in demselben Verfahren die Restschuldbefreiung erteilt zu bekommen. 

- Alle Gläubiger angeben: Der Schuldner ist im Rahmen der Vorbereitung des Insolvenzantrags verpflichtet sehr sorgfältig zu arbeiten und alle Gläubiger die ihm bekannt sind oder hätten bekant sein müssen anzugeben. Der Schuldner kann im Einzelfall, wenn ihm die Gläubiger nicht mehr im Einzelnen bekannt sind, gezwungen sein, zur Vorbereitung des Antrags eine Schufa-Auskunft einzuholen. Etwaige erst nachträglich bekannt gewordene Gläubiger muss er wenigstens gegenüber dem Insolvenzverwalter angeben. 

- Erwerbsobliegenheit: Die wahrscheinlich bedeutsamste Pflicht betrifft die sog. Erwerbsobliegenheit. Dies bedeutet, dass der Schuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten verpflichtet ist erwerbstätig zu sein. Was dies für den jeweiligen Schuldner bedeutet, muss im Einzelfall geklärt werden. Grundsätzlich gilt: Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass der Schuldner, bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung die "Füße hoch legt" und erst hiernach wieder tätig wird. Der Schuldner soll damit gezwungen werden im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Schuldentilgung während des laufenden Verfahrens beizutragen.

- Mitwirkungspflicht: Der Schuldner hat zudem die Pflicht alle - für das Verfahren relevante - Informationen an den Insolvenzverwalter (und im Einzelfall auch an das Insolvenzgericht) mitzuteilen. Hierzu zählen neben Wechsel der Kontaktdaten auch die Aufnahme einer neuen Beschäftigung oder eine Erbschaft. Es gilt: Lieber eine Information zu viel an den Insolvenzverwalter mitteilen als zu wenig. 

Rechte und Möglichkeiten des Gläubigers:

Es gibt für Gläubiger zwei Möglichkeiten zu verhindern, dass ihre Forderung nach Erteilung der Restschuldbefreiung "wertlos" wird.

Die 1. Möglichkeit bezieht sich auf den Forderungsgrund, die 2. Möglichkeit betrifft fehlerhaftes Verhalten des Schuldners während des Insolvenzverfahrens.

Grundsätzlich empfiehlt es sich aus Gläubigersicht zur Klärung dieser Möglichkeiten Rat bei einem im Insolvenzrecht tätigen Anwalt einzuholen, da es sich um eine sehr komplexe und umfangreiche Thematik handelt, gleichzeitig aber auch großes wirtschaftliches Potential bergen kann, wenn Möglichkeiten gegeben sind, die eigene Forderung nicht dem Schicksal der Restschuldbefreiung zu unterwerfen.  

Grund der Forderung: Handelt es sich bei der Forderung um eine solche aus vorsätzlich unerlaubter Handlung (z.B. Forderung aus betrügerischem Verhalten des Schuldners), so kann sie als sog. "deliktische Forderung" im Insolvenzverfahren angemeldet werden. Über derartige Forderungen verhält sich die Restschuldbefreiung nicht. Aber Achtung: Der Schuldner und auch der Insolvenzverwalter können gegen den Forderungsgrund Widerspruch einlegen oder diese als solche nicht anerkennen. In diesem Fall muss auf Gläubigerseite Klage erhoben werden. 

Auch steuerrechtliche Ansprüche, die durch eine strafbare Handlung resultieren und Unterhaltsforderungen, die ebenfalls durch schuldhaftes Verhalten des Schuldners entstanden sind, unterliegen nicht der Restschuldbefreiung. Aber auch hier kann der Schuldner Widerspruch gegen den Forderungsgrund und die Deliktseigenschaft einlegen. Insoweit gelten hier dieselben Grundsätze wie bei Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung.

Fehlerhaftes Verhalten des Schuldners: Verstößt der Schuldner gegen seine Pflichten, die ihn im Insolvenzverfahren treffen, so kann die Restschuldbefreiung insgesamt, also nicht nur für einzelne Forderungen, versagt werden. Ist dies der Fall, so hat das Insolvenzverfahren für den Schuldner keinerlei Vorteil erbracht und sein intendiertes Ziel ist nicht aufgegangen. Daher ist es für Schuldner umso wichtiger, sich an die Pflichten zu halten. 

In Fällen, in denen der Schuldner gegen seine Obliegenheiten verstößt kann jeder Insolvenzgläubiger einen gerichtlichen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. Hier empfiehlt es sich ebenfalls aus naheliegenden Gründen, einen spezialisierten Anwalt zu konsultieren, da die Hürden für die gänzliche Versagung der Restschuldbefreiung sehr hoch sind und eine exakte Kenntnis der unterschiedlichen Antragsarten und der notwendigen Argumentation notwendig ist. 

Auch der Schuldner sollte sich in derartigen Fällen anwaltlichen Beistand holen, da er sich in einem solchen Verfahren verteidigen muss und an der Versagung der Restschuldbefreiung sehr viel hängt. 

Kurzer Ausblick auf die aktuelle Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens:

Aktuell sind gesetzgeberische Bestrebungen im Gange die Wohlverhaltensphase für alle Schuldner auf 3 Jahre zu verkürzen, ohne, dass hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Der Gesetzesentwurf hat bereits das Bundeskabinett passiert, ist jedoch von den gesetzgeberischen Beschlussorganen bislang nicht nicht beschlossen worden. 

Der Gesetzgeber setzt damit eine entsprechende EU-Richtlinie um. Ursprünglich war geplant, den Stichtag für die Neuregelung auf den 01.10.2020 zu legen. Aufgrund der Tatsache, dass ein Beschluss der gesetzgeberischen Beschlussorgane noch nicht vorliegt, wird jedoch vermutlich ein anderer Stichtag gewählt werden. Möglicherweise findet jedoch auch eine Rückwirkung für Verfahren statt, die bereits beantragt und eröffnet worden sind. 

Die Reform führt für Schuldner jedoch noch weitere Obliegenheiten ein. Danach gilt als Versagungsgrund für die Erteilung der Restschuldbefreiung auch die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten während der laufenden Wohlverhaltensphase. Welche Verbindlichkeiten unangemessen sind, wird im Zweifel über gerichtliche Rechtsfortbildung auszulegen sein. Es handelt sich insoweit um einen -Versagungsgrund, den die Gerichte von Amts wegen, also ohne vorangegangenen Antrag eines Gläubigers, zu berücksichtigen haben.  

Zudem müssen nunmehr neben Erbschaften auch Geschenke zur Hälfte ihres Wertes an den Insolvenzverwalter abgegeben werden. Dies dürfte jedoch nur für Geschenke gelten, die über Geschenke des täglichen Lebens hinaus gehen (z.B. Geschenke im Wege der vorweggenommenen Erbschaft).

Zuletzt soll mit Erteilung der Restschuldbefreiung auch ein etwaiges Gewerbeverbot, welches auf der Insolvenz des Schuldners beruht aufgehoben werden.  

Wenn und soweit weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Restschuldbefreiungsverfahren auftreten stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.



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