Eigenmächtiger Urlaub des Arbeitnehmers - Kündigungsgrund?

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Kann die eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub durch den Arbeitnehmer einen (fristlosen) Kündigungsgrund darstellen?

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf stellte mit Urteil vom 11.07.2018 fest, dass die eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub durch den Arbeitnehmer unter gewissen Voraussetzungen den Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen kann. Dies hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls in einer diesbezüglichen Pressenmitteilung am 10.07.2018 ausdrücklich bestätigt (Az.: 8 Sa 87/17). Man sollte als Arbeitnehmer daher vorsichtig sein, eigenmächtig den Urlaub anzutreten.


  1. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
  2. Eigenmächtiger „Spontanurlaub“ der Klägerin auf Mallorca 

Die bei der Beklagten seit dem 01.08.2014 als Junior Business Exellence Managerin im Bereich Controlling sowie „Online Performance Management“ tätige Klägerin absolvierte berufsbegleitend ein Masterstudium im Bereich „BWL-Management“.

Das vorher erwähnte Masterstudium schloss die Klägerin am 21.06.2017 erfolgreich ab. Im Hinblick auf die studienbezogenen Abschlussprüfungen hatte die Klägerin für Donnerstag, den 22.06.2017 sowie Freitag, den 23.06.2017 vom Arbeitgeber genehmigten Urlaub.

Am Montag, den 26.06.2017 erschien die Klägerin bei der Arbeit nicht. Jedoch versendete sie am selbigen Tag um 12:04 Uhr eine E-Mail an ihren Vorgesetzten mit dem Betreff „Spontan Urlaub“, wobei der späteste Dienstbeginn im Rahmen der im Betrieb geltenden Gleitzeitregelung 10:00 Uhr war.

In letztgenannter E-Mail teilte die Klägerin mit, dass sie in der Zeit vom 26.06. bis einschließlich 30.06.2018 abwesend sein werde. Als Begründung für ihre Abwesenheit führte sie aus, dass sie von ihrem Vater zum Bestehen ihrer Prüfung einen Aufenthalt auf Mallorca als Überraschung geschenkt bekommen habe. Sie äußerte außerdem, dass sie, aufgrund der Euphorie und Eile, keine Möglichkeit gehabt habe, ihre Abwesenheit an ihrem Rechner zu vermerken. Für die „Überrumpelung“ sowie die Abwesenheit entschuldigte sich die Klägerin ebenfalls.

 

  1. Ausspruch einer ordentlichen Kündigung durch die Arbeitgeberin (Beklagte)

Auch am 26.06.2018 antwortete der Vorgesetzte der Klägerin um 17:02 Uhr, dass ihre Anwesenheit aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich sei. In dieser Hinsicht bot er der Klägerin vielmehr an, Freitag sowie Montag und Dienstag der darauffolgenden Woche frei zu nehmen. 

Daraufhin antwortete die Klägerin mit E-Mail vom 27.06.2017 um 9:26 Uhr, dass sie sich bereits seit dem Wochenende auf Mallorca befinde und daher keine Möglichkeit für sie bestünde, ihre Arbeit im Betreib der Beklagten aufzunehmen.

Da die Klägerin am Montag, den 03.07.2017 zur Arbeit nicht erschien, kündigte die Beklagte daraufhin nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 11.07.2017 fristgerecht zum 31.08.2017 das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis.

 

  1. Zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf :
  2. Beharrliche vertragliche Pflichtverletzung durch die Klägerin 

Das Landesarbeitsgericht wies darauf hin, dass die eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub durch die Klägerin als ein Kündigungsgrund anzusehen sei, welcher nicht nur eine ordentliche Kündigung, sondern auch gar eine fristlose Kündigung rechtfertige.

Das Gericht führte aus, dass auch in der vorliegenden Fallkonstellation ein Kündigungsgrund vorliege. Denn spätestens mit der E-Mail vom 27.06.2017 habe die Klägerin ernsthaft zu erkennen gegeben, dass sie an dem eigenmächtig genommenen Urlaub festhalten wolle und nicht zur Arbeit erscheinen werde.

Aus dieser Tatsache leitete das Landesarbeitsgericht eine beharrliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung der Klägerin ab und warf ihr vor, sie habe zudem die falschen Prioritäten gesetzt.

Die Behauptung der Klägerin hinsichtlich einer vorherigen Zustimmung durch den Arbeitgeber erachtete das entscheidende Gericht für unschlüssig.

 

  1. Entbehrlichkeit einer Abmahnung 

Ferner sei eine vorherige Abmahnung durch die Arbeitgeberin nicht erforderlich gewesen. Das Landesarbeitsgericht führte außerdem an, dass die Interessenabwägung, in Anbetracht der relativ kurzen Beschäftigungsdauer, zulasten der Klägerin ausfalle. 


  1. Ordnungsgemäße Betriebsanhörung 

In formeller Hinsicht ergab sich die Frage, ob die Betriebsanhörung ordnungsgemäß erfolgt sei, da die Beklagte diesem lediglich mitgeteilt habe, dass die durch die Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht erledigt worden seien.

Auf der anderen Seite hat das Landesarbeitsgericht angemerkt, dass der Betriebratsvorsitzende in die vorprozessualen Gespräche mit der Klägerin eingebunden gewesen sei.


  1. Einigung zwischen der Klägerin und der Beklagten

Infolge obiger rechtlicher Äußerungen des Landesarbeitsgerichts einigten sich Klägerin und Beklagte vergleichsweise auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungsdatum, die Erteilung eines Arbeitszeugnisses durch die Beklagte sowie die Zahlung einer Abfindung i.H.v. 4000 €.

Fazit: 

- Die oben dargelegte Entscheidung bestätigt die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine arbeitgeberseitige Kündigung bei eigenmächtiger Selbstbeurlaubung durch den Arbeitnehmer kann rechtmäßig sein.

- Insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist eine gegenseitige (immanente) Rücknahmepflicht zu wahren. Diese hat der Arbeitnehmer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu erfüllen.

- Arbeitnehmer, die eigenmächtig ein Fernbleiben zu Urlaubszwecken in Anspruch nehmen, verstoßen nicht nur gegen die zwingend einzuhaltende Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung, sondern auch gegen die Rücksichtnahmepflicht.

- Auch das Kriterium der Beschäftigungsdauer kann eine wichtige Rolle im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit einer Kündigung spielen, wobei eine kurze Beschäftigungsdauer zulasten des Arbeitnehmers ausfällt.

- Arbeitgeber müssen ebenfalls zwingende Rechtsvorschriften beachten. In dieser Hinsicht sollten sie insbesondere auf die Erforderlichkeit einer Betriebsanhörung nach § 102 BetrVG sowie ggfs. auf den Ausspruch einer vorherigen Abmahnung Acht geben.

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