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7 Fragen und Antworten zur Enteignung

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7 Fragen und Antworten zur Enteignung

Experten-Autorin dieses Themas

Eigentum ist doch ein Grundrecht – wie passt das mit einer Enteignung von Privateigentümern zusammen? Und wie läuft ein Enteignungsverfahren ab? Diese und weitere Fragen werden in diesem Ratgeber kurz und knapp beantwortet. 

Was bedeutet Enteignung?

Bei einer Enteignung im juristischen Sinne wird privates Eigentum zum Wohl der Allgemeinheit vom Staat entzogen. Beim Stichwort Enteignung werden bei vielen Menschen vor allem Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland wach, als zahlreiche staatliche Enteignungsmaßnahmen stattgefunden haben. Heute gilt das Grundgesetz und die Zulässigkeit von Enteignungen richtet sich nach Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG). Daneben haben einige Bundesländer eigene Enteignungsgesetze erlassen (zum Beispiel: Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg (EntGBbg), Hessisches Enteignungsgesetz (HEG), Enteignungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (EnteigG LSA), Niedersächsisches Enteignungsgesetz (NEG)). 

In welchen Fällen erfolgen heute typischerweise Enteignungen?

Auch wenn diese keinesfalls mit den Enteignungen während des NS-Regimes zu vergleichen sind, sind Enteignungen auch heute in Deutschland nichts Ungewöhnliches. Ob Hochwasserschutz, Straßenbau, Abfallentsorgung (Stichwort: Atommüllendlager) oder Energieversorgung (Stichwort: Kohleabbau): Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfordert in manchen Fällen die Nutzung privater Flächen. Zunächst versucht dann der Staat oder die Gemeinde, eine einvernehmliche Lösung dahingehend zu finden, dass die privaten Eigentümer ihre Grundstücke freiwillig zur Verfügung stellen, also an den Vorhabenträger verkaufen. Doch nicht immer kommt es zu einer Einigung. Nicht selten wehren sich die betroffenen Eigentümer. In manchen Fällen wird dann die Möglichkeit einer Enteignung geprüft und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch durchgeführt. 

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Enteignung zulässig?

Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetztes lautet:  

„Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“  

Das Grundgesetz definiert also nicht konkret die Voraussetzungen, unter denen eine Enteignung zulässig ist. Im Wesentlichen müssen aber immer diese drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: 

  • Die Enteignung muss dem Wohl der Allgemeinheit dienen. 

  • Es muss eine gesetzliche Grundlage für die Enteignung geben. 

  • Die Enteignung darf nur gegen eine angemessene Entschädigung erfolgen. 

Da das Grundgesetz die Zulässigkeit von Enteignungen nur allgemein formuliert, wird der Begriff der Enteignung inhaltlich vor allem durch die Rechtsprechung der Gerichte geprägt, die immer alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen haben. Gerichtsverfahren zu Enteignungsmaßnahmen sind meist juristisch schwierig und dauern lange. 

Wie läuft ein Enteignungsverfahren ab?

Ein Enteignungsverfahren beginnt mit einem Antrag auf Durchführung eines Enteignungsverfahrens, den der Vorhabenträger bei der jeweiligen Enteignungsbehörde stellt. Vorhabenträger ist derjenige, der eine bestimmte Baumaßnahme zum Wohl der Allgemeinheit auf privaten Grundstücken durchführen will. Es folgt ein Anhörungsverfahren, bei dem die betroffenen Grundstückseigentümer angehört werden. Zudem wird in der Regel ein Wertermittlungsverfahren von der Behörde durchgeführt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit allen Beteiligten ist der nächste Verfahrensschritt.  

Während der Dauer des Enteignungsverfahrens können die betroffenen Grundstückseigentümer weder über ihr Grundstück verfügen noch Veränderungen daran vornehmen. Gesichert wird dies durch die Eintragung einer Verfügungs- und Veränderungssperre im Grundbuch, die die Enteignungsbehörde veranlasst.  

Während des gesamten Verfahrens wird in jedem Stadium immer von der Enteignungsbehörde darauf hingewirkt, dass es zu einer Einigung zwischen den Betroffenen kommt. Ist das schlussendlich nicht der Fall, fällt schließlich der Enteignungsausschuss eine Entscheidung über den Enteignungsantrag und – im Falle der Enteignung – über die an den betroffenen Grundstückseigentümer zu leistende Entschädigung. 

Ist Enteignung dasselbe wie Zwangsenteignung?

Eine Zwangsenteignung wird umgangssprachlich auch als „kalte Enteignung“ bezeichnet. Doch was ist damit gemeint? Als „kalte Enteignung“ oder Zwangsenteignung wird der Fall beschrieben, dass eine Immobilie zwangsweise und unter Wert verkauft wird. Beispielsweise im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform wurden in der Politik vermehrt Stimmen laut, die von einer „kalten Enteignung“ einiger Eigentümer sprachen. Im Moment ist unklar, inwieweit sich die neue Grundsteuer auf die Immobilieneigentümer auswirken wird. 

Verwendet wird der Begriff der Zwangsenteignung aber auch in Verbindung mit einem Wertverlust, den ein Grundstück durch bestimmte nachteilige öffentliche Entscheidungen erleidet. Von „kalter Enteignung“ ist außerdem im Zusammenhang mit der Inflation, also dem Kaufkraftverlust, sowie mit Negativzinsen die Rede. Eine solche „kalte Enteignung“ von Sparern hat jedoch mit einer Enteignung im Sinne des Enteignungsbegriffs nach dem Grundgesetz nichts zu tun. 

Gibt es Enteignungen von leer stehenden Wohnungen in Ballungsgebieten?

In Zeiten von Wohnungsmangel müssen sich zahlreiche Eigentümer von leer stehenden Wohnungen auch mit dem Thema Enteignung auseinandersetzen, denn in manchen Ballungsgebieten drohen ihnen unter bestimmten Voraussetzungen „Zwangsenteignungen“.  

Beispielsweise wurden einem Eigentümer im Jahr 2017 in Hamburg sechs Wohnungen entzogen und zwangsvermietet, die mehrere Jahre ohne Sanierungsarbeiten leer standen. Dem Eigentümer der Wohnungen wurde die Schlüsselgewalt für die Wohnungen zwangsweise entzogen. Die Enteignungsbehörde setzte einen Treuhänder ein, der zunächst die Heizungen, Böden, Badezimmer und Wände von eigens beauftragten Handwerkern auf Kosten des Eigentümers erneuern ließ. Erst danach sollte der von der Enteignungsbehörde eingesetzte Treuhänder die sechs Wohnungen vermieten, um sie anschließend wieder an den Eigentümer zurückzugeben – natürlich inklusive der neuen Mieter, deren Mietverträge selbstverständlich nicht ohne Weiteres beendet werden können.  

Eine solche Enteignung ist seit 2013 in Hamburg unter engen Voraussetzungen möglich, wobei ein Leerstand von mehr als vier Monaten ohne Sanierungsarbeiten ausreichen kann, dass die Enteignungsbehörde Maßnahmen ergreifen kann. Nicht nur in Hamburg, auch in anderen deutschen Großstädten werden immer wieder politische Diskussionen über die Wohnungsenteignung geführt, um dem fortwährenden Leerstand von Wohnraum zu begegnen. 

Ist eine Enteignung von Firmen möglich?

Ja! Auch eine Enteignung von Firmen bzw. Unternehmen ist möglich. Meistens wird dafür der Begriff der Verstaatlichung bzw. Vergesellschaftung (laut Artikel 15 GG) verwendet. In der jetzigen Energiekrisensituation ist das Thema Enteignung von Unternehmen aktueller denn je. Die Bundesregierung hat sich klar dahingehend positioniert, dass sie in einem Energie-Krisenfall zur Not auch Unternehmen enteignen wolle, die eine kritische Infrastruktur für die Energieversorgung besitzen und die Versorgung gefährden. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit stelle einen dem Allgemeinwohl dienenden Zweck dar, der eine Enteignung rechtfertigen könne. Die rechtliche Grundlage für solche Enteignungen von Firmen wurde durch eine Novelle im Energiesicherungsgesetz verankert. Das neue Energiesicherungsgesetz trat am 22.05.2022 in Kraft. 

Foto(s): ©Adobe Stock/Andrii

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