Entfällt der Anspruch auf Ausgleichszahlung, wenn der Flug wegen Pilotenstreiks annulliert wird?

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Mit Urteil vom 09. Februar 2021 hat das Amtsgericht Frankfurt / Main (30 C 14/20-32) entschieden, dass auch im Falle des Streiks eigener Piloten die Fluggesellschaft verpflichtet bleibt, den Fluggästen die Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-Verordnung zu leisten und zudem Kosten für die selbst organisierte Ersatzbeförderung zu erstatten. 

Dieses Urteil steht nur scheinbar im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. August 2012 (X ZR 138/11) wonach der Anspruch auf Ausgleichszahlung entfällt, wenn eine Gewerkschaft im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Piloten eines Luftverkehrsunternehmens zur Arbeitsniederlegung aufruft.

Was war geschehen?

Vier Fluggäste verfügten über eine bestätigte Buchung für den Flug von Athen nach Frankfurt am Main, der von Ryanair am 10. August 2018 ausgeführt werden sollte. Der Flug wurde von der Fluggesellschaft Tag des geplanten Fluges annulliert. Eine Ersatzbeförderung hat Ryanair nicht angeboten. Die Fluggäste organisierten selbst einen alternativen Rückflug am 12. August 2018 und zahlten hierfür rund 1.200 €. Zudem verbrachten sie zwei Nächte im Hotel zum Preis von insgesamt 288,00 €. Für Verpflegung zwischen dem geplanten Flugereignis und dem tatsächlichen Rückflug zahlten die Fluggäste rund 90 €. Mit der Klage begehrten die Fluggäste die Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 400,00 €, darüber hinaus verlangten sie vorprozessual Erstattung der Mehrkosten, die durch Rückflug, Übernachtung und Verpflegung entstanden sind. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Die Fluggäste haben daraufhin Advocatur Wiesbaden mit der Klageerhebung beauftragt.

Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt / Main

Mit dem Urteil vom 9. Februar 2021 hat das Amtsgericht Frankfurt / Main Ryanair im vollen Umfang entsprechend des Klageantrags zur Zahlung verurteilt.

Ob der Streik der Piloten der Beklagten als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung anzusehen ist (so zum Beispiel EuGH mit Urteil vom 17. April 2018), hat das Amtsgericht offengelassen. Voraussetzung für die Entlastung nach einer Annullierung des Fluges ist es nämlich, dass nicht nur ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, sondern das Luftfahrtunternehmen darlegt und gegebenenfalls beweist, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung bzw. deren Folgen zu vermeiden.

Nach der Auffassung des Amtsgerichts ist das Luftfahrtunternehmen bei Eintritt eines außergewöhnlichen Umstandes nur dann von seiner Verpflichtung zur Ausgleichszahlung an die Fluggäste befreit, wenn es nachweisen kann, dass es die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, indem es ihm alle zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass dieser zur Annullierung oder zur großen Verspätung des betroffenen Fluges führt. Nach Auffassung des Amtsgerichts hat die Fluggesellschaft nichts dazu vorgetragen, dass sie sich überhaupt um die Anmietung von Ersatzflugzeugen einschließlich Besatzung bemüht hat. Diese Bemühungen hätte die Beklagte entfalten müssen, um sich auf Entlastung berufen zu können.

Daher ist die Verpflichtung zur Leistung der Ausgleichszahlung entstanden.

Stellungnahme

Dem Urteil ist im vollen Umfang zuzustimmen, denn es stärkt den Verbraucherschutz in angemessener Weise. Wenn ein Luftfahrtunternehmen einen Ersatzflug bereitstellt (wozu es verpflichtet ist), können wirksam die Folgen der Annullierung des eigenen Fluges beseitigt werden. Nur wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass es ihr tatsächlich nicht möglich war, einen Ersatzflug bereitzustellen, tritt Leistungsfreiheit ein.

Für die Beratung zu den Ansprüchen nach Flugverspätungen, Annullierungen bzw. Nichtbeförderung jeglicher Art steht Ihnen Advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht gerne zur Verfügung. Mit unserer Erfahrung aus mehr als 2500 Prozessen zur Durchsetzung von Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung vor vielen Amts- und Landgerichten der Bundesrepublik Deutschland können wir ein Optimum an anwaltlichem „know-how“ bieten.

Eine Vielzahl von Mandanten stammt nicht aus unserer Region, dem Rhein-Main-Gebiet. Wir vertreten selbstverständlich auch Reisende, die weiter weg wohnen. Durch die modernen Kommunikationsmittel ist die optimale Vertretung auch bei größeren Entfernungen zwischen Mandant und Anwaltskanzlei jederzeit gewährleistet.

Foto(s): Holger Hopperdietzel

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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