Entgeltgleichheit - Auskunftsanspruch nach Entgelttransparenzgesetz?

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Besteht im Rahmen des Gebots der Entgeltgleichheit ein Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) für alle Beschäftigten (und z.B. auch für freie Mitarbeiter und sonstige arbeitnehmerähnliche Personen)?

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 25.6.2020 behandelt und bejaht. Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 EntgTranspG sind demnach unionrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der RL 2006/54/EG weit auszulegen, weshalb im Einzelfall auch arbeitnehmerähnliche Personen i. S. d. innerstaatlichen Rechts Arbeitnehmer sein können.

(vgl. BAG, Pressemitteilung Nr. 17/20 zu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 2020 - 8 AZR 145/19 -Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Februar 2019 - 16 Sa 983/18)

Sachverhalt und Verfahrensgang

Dem Urteil des BAG lag die Klage einer seit 2007 als Redakteurin bei einer Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts beschäftigten freien Mitarbeiterin zu Grunde. Diese war zunächst als online-Redakteurin auf der Grundlage befristeter Verträge und ab Juli 2011 in einem unbefristeten Vertragsverhältnis als "Redakteurin mit besonderer Verantwortung“ tätig (a. a. O.).

Die Klägerin hat in den vorangegangenen Instanzen u.a. unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Entgeltdiskriminierung verschiedene Zahlungs- und Entschädigungsansprüche verfolgt und auch ihre Beschäftigung als Arbeitnehmerin festgestellt wissen wollen. Diese Klage hatte weder beim ArbG noch beim LAG Erfolg (a. a. O.; s. a. FD-ArbR 2020, 430732, beck-online). Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat das BAG (9 AZN 504/19) als unzulässig verworfen ( a. a. O.). Daher stand insoweit rechtskräftig fest, dass die Klägerin jedenfalls nicht „Arbeitnehmerin“ im Sinne des innerstaatlichen Rechts war (a. a. O.).

Mit Schreiben vom 1.8.2018 begehrte die Klägerin dann vom Personalrat Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG (a. a. O.). Dieser antwortete nach Rücksprache mit der Personalabteilung der Beklagten, dass sie als freie Mitarbeiterin nicht unter das Entgelttransparenzgesetz falle und deshalb keinen Auskunftsanspruch habe (a. a. O.).

Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die Beklagte gerichtete Klage auf Erteilung von Auskunft über (1.) die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und (2.) über das Vergleichsentgelt abgewiesen (a. a. O.). Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Klägerin nicht Arbeitnehmerin i. S. d. innerstaatlichen Rechts und als arbeitnehmerähnliche Person nicht Beschäftigte i. S. d. § 5 Abs. 2 EntgTranspG sei, weshalb sie keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte habe (a. a. O.).

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Verfahren die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen (a. a. O.).

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts nun Erfolg (a. a. O.). Die Klägerin kann von der Beklagten demnach i. S. d. § 10 Abs. 1 EntgTranspG Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen, da sie als freie Mitarbeiterin der Beklagten "Arbeitnehmerin" i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG und damit Beschäftigte i. S. v. § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgeltTranspG ist ( a. a. O.).

Die Begriffe "Arbeitnehmerin" und "Arbeitnehmer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sind nach dem Urteil des BAG unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen (a. a. O.). Andernfalls fehle es an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im deutschen Recht ( a. a. O.).

Eine – jedoch zwingend erforderliche - ausreichende Umsetzung sei bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch ansonsten erfolgt (a. a. O.). Erst das Entgelttransparenzgesetz enthalte Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet seien (a. a. O.). Ob die Klägerin gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat, konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden (a. a. O.). Insoweit hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (a. a. O.).

Rechtliche Bewertung

§ 10 EntgTranspG i. V. m. §§ 11 bis 16 EntgTranspG sehen für Beschäftigte einen Auskunftsanspruch über den auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Entgeltes vor (vgl. FD-ArbR 2020, 430732, beck-online). Voraussetzung ist, dass die Beschäftigten in einem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten und in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen, die von einer Vergleichsgruppe mit mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird (a. a. O.).

Fraglich war dabei von Anfang an, ob sich auf diesen Anspruch auch arbeitnehmerähnliche Personen (wie freie Mitarbeiter) berufen können (a. a. O.). Die Zweifelsfrage rührte daher, dass das Gesetz – anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen – nicht für arbeitnehmerähnliche Personen gelten soll (a. a. O.). Die in der Literatur umstrittene Frage hat das Bundesarbeitsgericht nun dahingehend entschieden, dass auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurückzugreifen ist (a. a. O.).

Das Urteil des BAG ist eine wichtige Entscheidung zur Umsetzung der Entgeltgleichheit im Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die der Pressemitteilung des BAG zu entnehmenden Aussagen zur bislang unzureichenden Umsetzung des unionsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit im nationalen Recht verdienen Zustimmung und sollten weitere Klägerinnen und Kläger ermutigen, im Wege entsprechender (arbeitsgerichtlicher und verwaltungsgerichtlicher) Verfahren/Klagen zur haltbaren Umsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte beizutragen.

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