Erneute StPO-Reform in Aussicht – Verteidigerbeschneidung 2.0?

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Die letzte Reform der Strafprozessordnung (StPO) ist keine zwei Jahre her, da steht bereits die nächste vor der Tür. Die Eckpunkte sind durch das Kabinett bereits beschlossen, nun geht es an die Umsetzung. In der Tat gäbe es reichlich Änderungsbedarf, die bevorstehenden Neuerungen gehen jedoch wieder einmal in die völlig falsche Richtung. Wie bei der letzten Reform, wird der Gesetzgeber also einmal mehr eine sich ergebende Chance verpassen und stattdessen Beschuldigtenrechte weiter einschneiden. Ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums wird für diesen Sommer erwartet.

Wir erinnern uns: 2017 wurde die Online-Durchsuchung und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung – trotz massiver Bedenken – in das Gesetz implementiert. Ebenso wurde die Blutentnahme ohne richterlichen Beschluss, die vereinfachte Erscheinenspflicht von Zeugen bei der Polizei sowie die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren eingeführt. Bereits damals hagelte es breite Kritik – und auch diesmal regt sich vor allem von Seiten der Strafverteidiger reger Widerstand.

Hintergrund der erneuten Reformbemühungen ist die seit Jahren bestehende Forderung der Gerichte und Staatsanwaltschaften, das Strafverfahren zu verkürzen und effektiver zu gestalten. Zudem sollen den Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die Überwachung von Telekommunikationssystemen und der DNA-Analyse noch weitreichendere Kompetenzen eingeräumt werden. Die Befugnisse im Rahmen einer DNA-Analyse sollen so sehr ausgeweitet werden, dass künftig molekulargenetische Untersuchungen vorgenommen werden können, mit denen sich die Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie das Alter bestimmen lassen. Konkrete Einzelheiten hierzu legen jedoch noch nicht vor.

Im Blickpunkt stehen vor allem die geplanten Neuregelungen zu Befangenheitsanträgen, Beweisanträgen und Besetzungsrügen. Denn hier liegt der Hase im Pfeffer begraben. Während die Justiz insoweit eine Straffung des Strafverfahrens fordert und der Riege der Strafverteidiger eine immer weiter zunehmende Verschleppungsabsicht sowie missbräuchliche Anwendung unterstellt, sieht die Gegenseite eine unzulässige Einschränkung der Verteidigung, die letztlich zulasten der Beschuldigten geht und somit eine Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Verfahrensrechte und eine Verletzung des Rechtstaatsprinzips bewirkt.

Zukünftig sollen Beweisanträge, die missbräuchlich gestellt werden, ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung auf der Grundlage einer allgemeinen Missbrauchsklausel abgelehnt werden können. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gericht bereits jetzt Beweisanträge ablehnen kann, wenn der Antrag zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt wird. Das soll so präzisiert werden, dass die Gerichte leichter zu einer möglichen Verschleppungsabsicht und damit zu einem Ablehnungsgrund kommen können. Allein der Begriff einer allgemeinen Missbrauchsklausel beziehungsweise einer Generalklausel macht bereits deutlich, dass Willkür und fehlender Kontrolle hier Tür und Tor geöffnet werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Beweisantrag letztlich das einzige Mittel der Strafverteidigung ist, um auf die Ermittlung des Sachverhalts einzuwirken, müssen hier lautstarke Bedenken angemeldet werden. Zudem in der vorherigen StPO-Reform bereits eine Fristenregelung implementiert wurde, die die Verteidigerrechte massiv beschnitt.

Weiter soll nach einem Befangenheitsantrag der Prozess über die Dauer von zwei Wochen weitergeführt werden können, ohne dass über den Befangenheitsantrag bereits entschieden wäre. Bisher hat ein Befangenheitsantrag zur Folge, dass die Hauptverhandlung unterbrochen wird und ein abgelehnter Richter nur noch unaufschiebbare Verfahrenshandlungen vornehmen darf. Die Neuregelung sieht vor, dass nach einem Befangenheitsantrag sämtliche nach Stellung des Antrags durchgeführten Verhandlungstage wiederholt werden müssen. Sicherlich muss zugestanden werden, dass die überwiegende Anzahl der Befangenheitsanträge ins Leere geht. Ob an dieser Stelle jedoch Schnelligkeit vor Genauigkeit gehen soll, muss unter Berücksichtigung der überragenden Wichtigkeit des Rechtsstaatsgebots bezweifelt werden. Zumal die Frage erlaubt sein muss, inwieweit bei einem erfolgreichen Befangenheitsantrag, das Strafverfahren beschleunigt wird.

Besetzungsrügen vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung sollen durch ein (höheres) Beschwerdegericht endgültig entschieden werden, ohne dass die Entscheidung durch eine Revision angefochten werden kann. Das soll verhindern, dass erst dort die fehlerhafte Besetzung des Gerichts festgestellt wird.

Außerdem soll eine neue Regelung geschaffen werden, wonach das Gericht künftig mehreren Nebenklägern einen gemeinsamen Nebenklagevertreter beiordnen kann – nämlich immer dann, wenn die Nebenkläger „gleichgerichtete Interessen" verfolgen, etwa verschiedene Angehörige des Opfers einer Straftat. Dieser Reformpunkt ist u. a. eine Auswirkung der Erfahrungen mit einer großen Zahl von Nebenklägern im NSU-Prozess. Zudem sollen die Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung an die Mutterschutzfristen angepasst werden, damit nicht etwa ein Strafprozess wegen des Mutterschutzes einer Richterin platzt. Bei Sexualdelikten soll die richterliche Vernehmung von Opfern in der Hauptverhandlung durch eine Videoaufzeichnung verwendet werden können. Dies soll dem besseren Schutz der Opfer in der Öffentlichkeit dienen. Allen Opfern von Vergewaltigungstatbeständen soll künftig ein Opferanwalt beigeordnet werden.

Nun bleibt abzuwarten, in welcher Form die geplanten und in Aussicht gestellten Änderungen in Gesetzesform gegossen werden. Widerstand auf politischer Ebene ist jedoch kaum zu erwarten. Verschiedenen Medienberichten nach hat die Koalition bereits auf breiter Basis Zustimmung signalisiert. Der grundsätzlichen Idee, das Strafverfahren effizienter zu gestalten, ist dabei durchaus beizupflichten. Ebenso wie einer besseren finanziellen Ausstattung der Justiz. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Verteidiger- und Beschuldigtenrechte noch massiver beschnitten werden, als sie es durch die letzte StPO-Reform ohnehin schon wurden. Unter dem Deckmantel der Steigerung der Effizienz des Strafverfahrens bahnt sich hier eine weitere Stärkung der Justiz an, die so nicht ohne weiteres hingenommen werden kann. In trockenen Tüchern ist die Reform aus diesen Gründen noch lange nicht.


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