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Erschleichen von Leistungen: Schwarzfahren und weitere Beispiele

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Erschleichen von Leistungen: Schwarzfahren und weitere Beispiele

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Was versteht man unter „Erschleichen von Leistungen“?

Strafbar wegen Erschleichens von Leistungen nach § 265a Strafgesetzbuch (StGB) ist jeder, der  

  • die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes,  

  • die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder  

  • den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung  

in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Der Straftatbestand existiert seit 1935 und wurde geschaffen, um eine Strafbarkeitslücke des Betrugs (§ 263 StGB) zu schließen. Juristisch spricht man von einem Auffangtatbestand zu § 263 StGB. Der Betrug setzt demgegenüber aber das Täuschen eines anderen Menschen voraus. Das Umgehen oder Überwinden einer automatisierten Vorrichtung ist somit Voraussetzung.  

Beispiele für das Erschleichen von Leistungen: Schwarzfahren und Co.

Erschleichen ist das unberechtigte Erlangen der Leistung durch unbefugtes und ordnungswidriges Verhalten unter Umgehung von Kontroll- und Zugangssperren (Fischer, StGB, § 265a StGB, Rn. 3). In der Praxis ist die häufigste Fallgruppe das Erschleichen von Beförderungsleistungen. Umstritten ist aber, welches das prägende Merkmal des Erschleichens ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Beförderungsleistungserschleichung, das sogenannte Schwarzfahren, vor, wenn der Täter sich allgemein „mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt“ (BGHSt 53, 122). Dies wurde mit dem Argument kritisiert, dass die Rechtsprechung im Widerspruch mit ihrer eigenen Einschränkung stehe. Wenn es nämlich auf ein täuschungsähnliches Verhalten gar nicht ankommt, kann der Tatbestand nicht deshalb entfallen, weil ein solches fehlt. Demnach müsse es dann auf den Eindruck der Fahrgäste und nicht auf den Kontrolleur ankommen. Erschleicht der Täter die Beförderungsleistung nur durch Täuschung einer Kontrollperson, ist er dagegen wegen Betrugs strafbar (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.1983 - Az.: 5 Ss 543/82 - 8/83 I). 

Der Tatbestand des § 265a StGB ist bei einem erschlichenen Zutritt zu einer Veranstaltung, z. B. Kino, Konzert oder einer Sportveranstaltung, möglich. Einrichtungen sind räumlich abgegrenzte Sachgesamtheiten, etwa Personen und Sachen in ihrer Sachgesamtheit, die als solche einem bestimmten Zweck dienen und zu diesem Zweck von der Allgemeinheit oder einem begrenzten Personenkreis – z. B. Hotelgäste, Arbeitnehmer, Zuschauer oder Mitwirkende – genutzt werden können. 

Das Erschleichen des Zutritts setzt Sicherungseinrichtungen voraus, womit die Entrichtung des Entgelts gewährleistet werden soll, z. B. Automaten, die den Zugang freigeben (Drehkreuze), oder Saalordner. Neben nicht zugelassenen Eingängen ist auch das bewusste Verstecken in der Räumlichkeit, etwa vor einer Veranstaltung, strafbar. Automaten im Sinne des § 265a StGB sind Geräte, die durch menschliche Bedienung dazu veranlasst werden können, selbstständig Berechnungen vorzunehmen oder Verrichtungen auszuführen (Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. Bd. 5: §§ 263–358 StGB).  

Die Rechtswissenschaft unterscheidet zwischen Leistungs- und Warenautomaten. Strittig ist, ob auch Warenautomaten vom Straftatbestand erfasst sind. Von der Rechtsprechung wird überwiegend vertreten, dass diese nicht in den Anwendungsbereich des § 265a StGB fallen, da explizit von einer Leistung gesprochen wird. Die Leistung des Automaten wird erschlichen, indem der Täter den Kontrollmechanismus des Geräts in einer täuschungsähnlichen Weise überlistet. Bei Geldspielautomaten kann eine Leistungserschleichung im Spielablauf selbst vorliegen. 

Eine erschlichene Leistung ist auch bei Telekommunikationsdienstleistungsnetzen möglich, die öffentlichen Zwecken dienen. Beispiele sind das Einwerfen von Falschgeld, ausländischem Geld oder Geld, das zurückgeholt werden kann. Das unbefugte Telefonieren von fremden Apparaten ist dagegen keine Leistungserschleichung, kann jedoch Betrug oder Untreue gegenüber dem Berechtigten sein. 

Der Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen, z. B. allgemeine Geschäftsbedingungen, reicht nicht aus. Dies wird vielfach verkannt, wenn Strafanzeigen gestellt werden. 

Welche Strafe steht auf das Erschleichen von Leistungen?

Im Gegensatz zum Betrug, der im Grundtatbestand eine Strafe von bis zu fünf Jahren vorsieht, ist für das Erschleichen von Leistungen eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe möglich. Freiheitsstrafen werden beispielsweise bei Hartz-IV-Empfängern oder Obdachlosen verhängt, die wiederholt unberechtigt öffentliche Verkehrsmittel benutzt haben und einschlägig vorbestraft sind. Hierzu wird gesellschaftlich und politisch diskutiert, ob dies noch zeitgemäß und überhaupt angemessen ist. Sind die Geschädigten Angehörige, der Vormund oder ein Betreuer oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft oder sind nur geringwertige Leistungen betroffen, wird die Tat nur auf Antrag verfolgt (§ 265a Abs. 3 StGB).  

Bereits der Versuch, Leistungen zu erschleichen, ist strafbar (§ 265a Abs. 2 StGB). Ein Versuch liegt nach herrschender Ansicht vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands ansetzt („Jetzt geht es los!“). Als Versuch wird z. B. das Besteigen eines Verkehrsmittels ohne Fahrschein verstanden. Ein anderes Beispiel ist der Versuch, sich auf unberechtigtem Weg Zutritt zu einer Veranstaltung zu verschaffen. Da nur das Erschleichen des Zutritts verboten ist, ist nach überwiegender Ansicht nicht strafbar, wenn der Täter ein Angebot in Anspruch nimmt, bei dem das Entgelt erst nach der Inanspruchnahme der Leistung, wie etwa bei Parkhäusern, zu entrichten ist.  

Die Strafbarkeit setzt stets Vorsatz, d. h., Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, voraus. Dieser entfällt, wenn die Person beim Einsteigen in einen Bus, Straßenbahn oder Zug annimmt, sie sei im Besitz eines gültigen Fahrausweises. 

Erschleichen von Leistungen: Verjährung

Die Leistungserschleichung verjährt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB nach drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat. Beendet ist die Tat etwa beim Verlassen der Einrichtung oder mit dem Abschluss der Leistungserbringung (Fischer, StGB, § 265a StGB, Rn. 28). 

Versucht der Täter, sich durch Flucht ins Ausland der Strafverfolgung zu entziehen, kommt ein Ruhen der Verjährung in Betracht. Richtet die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung gemäß § 78b Abs. 5 StGB ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat  

  • bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,  

  • bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat, 

  •  bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder  

  • bis zur Rücknahme dieses Ersuchens. 

Unterbrechung der Verjährung

Die Verjährung kann auch unterbrochen werden mit der Folge des erneuten Beginns der Verjährungsfrist. Die Verjährung wird etwa unterbrochen durch  

die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Weitere Unterbrechungstatbestände sind u. a.  

  • der Erlass eines Haftbefehls, eines Unterbringungsbefehls, eines Vorführungsbefehls und richterliche Entscheidungen, die diese aufrechterhalten,  

  • die Erhebung der öffentlichen Klage,  

  • die Eröffnung des Hauptverfahrens,  

  • jede Anberaumung einer Hauptverhandlung oder auch  

  • ein Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung.  

Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB) von sechs Jahren verstrichen sind.

Foto(s): ©Adobe Stock/yurolaitsalbert

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