Erst nach Abmahnung die Kündigung wegen „Surfens“ am Arbeitsplatz

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In Presseveröffentlichungen ist zurzeit von einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.05.2014 zu lesen, wonach bei privaten Surfen (Internetnutzung) am Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer erst nach vorangegangener Abmahnung gekündigt werden darf. Dies soll auch dann gelten, wenn ein betriebliches Handbuch das Surfen am Arbeitsplatz ausdrücklich verbietet.

Hintergrund dieser Entscheidung bildet der Fall einer Arbeitnehmerin, die während ihrer Arbeitszeit täglich 1-2 Stunden privat das Internet nutzte.

Obwohl die Frau das Fehlverhalten einräumte und die privat genutzte Zeit nacharbeiten wollte, erklärte der Arbeitgeber die fristlose Kündigung. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin (erfolgreich) Kündigungsschutzklage (ArbG Berlin, Urt. v. 09.05.2014, Az. 28 Ca 4045/14).

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Kaufmann:

Ein (vorsichtiger) Arbeitnehmer sollte die vorbezeichnete Entscheidung gleichwohl nicht als Einladung zum privaten („ausschweifenden“) Surfen am Arbeitsplatz missinterpretieren. Denn Urteile zu Kündigungssachverhalten, insbesondere zu außerordentlichen Kündigungen aus wichtigem Grund, sind immer Einzelfallentscheidungen. Und insofern gibt es durchaus auch Entscheidungen, in denen privates („ausschweifendes“) Surfen strenger behandelt wurde. Zu nennen ist etwa BAG, Urt. v. 07.07.2005, Az. 2 AZR 581/04, in der das Bundesarbeitsgericht, wenngleich es den Fall nicht abschließend entscheiden konnte, eine vorherige Abmahnung für entbehrlich hielt:Der Orginaltennor des BAG lautet:

„Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internet während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung. Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen (...). Dementsprechend bedarf es einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (...).“

Nicht zu übersehen ist allerdings, dass das BAG in einer späteren Entscheidung (BAG, Urt. v. 19.04.2012, Az. 2 AZR 186/11) es nicht beanstandete, dass im dortigen Fall ein Landesarbeitsgericht eine arbeitgeberseitige Kündigung bei privater Internetnutzung doch an einer fehlenden Abmahnung scheitern ließ:

„Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger das Internet an mehreren Tagen und insgesamt über mehrere Stunden privat genutzt und dabei ua. pornografisches Bildmaterial heruntergeladen hat. Auch ein solches Verhalten schafft keinen absoluten Kündigungsgrund. Zwar hat der Senat dies als einen denkbaren Fall erachtet, in dem es vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung nicht bedarf (BAG 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – zu B III 2 der Gründe, BAGE 115, 195). Dies ändert aber nichts daran, dass die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung auch bei einem solchen Sachverhalt anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen ist.“

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass Arbeitnehmer, die wegen privaten Surfens eine Kündigung erhalten, umgehend die Einholung rechtlichen Rates erwägen sollten. Angesichts der kurzen Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage sollte dies bereits in den ersten Tagen nach Zugang der Kündigung erfolgen.


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