Erste Schritte bei einem Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler

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Noch heute genießen Ärzte und Krankenhäuser das volle Vertrauen des Großteils der Gesellschaft. Wir rechnen nicht damit, dass ihnen ein Fehler unterläuft. Andere Berufsgruppen haben es da deutlich schwieriger. Daher begeben wir uns zumeist unbedarft in die Klinik oder in eine Arztpraxis. Umso größer ist der Schock, wenn doch etwas schiefgeht. Die Vorwürfe der Patienten häufen sich, auch Ärzte sehen sich heute zunehmend Kritik ausgesetzt. Diese scheint berechtigt, schaut man sich an, wie deutsche Krankenhäuser im internationalen Vergleich abschneiden.

Fakt ist, so darf es nicht weiter gehen. Aber was tun, wenn sie glauben, Opfer von Ärztepfusch geworden zu sein?

Gedächtnisprotokoll

Als erstes können wir nur dringend raten, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen. In diesem führen Sie so genau wie möglich auf, was geschehen ist. Was für Beschwerden hatten Sie, was haben Sie mit dem Arzt besprochen? War jemand bei dem Gespräch dabei? Wie verlief die stationäre Behandlung? Mit wem haben Sie sich ein Patientenzimmer geteilt? Haben Sie auf Schmerzen hingewiesen? Wie wurde reagiert?

Kurzum: Schreiben Sie lieber zu viel als zu wenig auf. Wir Menschen vergessen sehr schnell wichtige Details. Aber auf diese Details kommt es in einem Arzthaftungsprozess häufig an. Gerade wenn Sie zahlreiche Ärzte besuchen müssen, vergessen Sie wahrscheinlich schnell, wer was gesagt hat.

Wir raten zudem: Sobald Sie ein Krankenaus betreten, schreiben Sie täglich ein Tagebuch. Man weiß ja nie, wofür man es mal gebrachen kann. Können Sie es nicht, bitten Sie ihre Familie oder Freunde, Ihnen hierbei zu helfen. Schreiben Sie auch alles auf, was Ihnen seltsam vorkommt. Wer weiß, vielleicht benötigen Sie diese Informationen für sich nicht, aber Sie können vielleicht Ihrem Bettnachbarn als Zeuge eine große Hilfe sein, wenn diesem etwas passiert.

Informationen sammeln

Im Gedächtnisprotokoll sollten Sie nicht nur die Gespräche mit den Ärzten (am besten auch deren Namen) dokumentieren. Schreiben Sie sich ruhig die Namen und Anschrift Ihrer Bettnachbarn auf. Dies gilt gerade dann, wenn Sie das Gefühl haben, dass die stationäre Behandlung nicht so verläuft, wie Sie es sich vorstellen. Reagieren Ärzte oder Pfleger auf Ihre Beschwerden nicht, können Bettnachbarn später als Zeugen wichtig werden. Leider zeigt sich nämlich immer wieder, dass die von Ihnen beklagten Beschwerden nicht in die Behandlungsdokumentation eingetragen werden. In einem späteren Prozess können Sie nur mit Zeugen den Beweis erbringen, dass Sie die Ärzte informiert haben. Sollten Bettnachbarn sonstige Informationen haben, schreiben Sie sie ruhig auf. Schaden kann es nicht.

Häufig sind Sie so geschwächt, dass Sie kaum mitbekommen, was mit Ihnen passiert. Hier sind häufig die Angehörigen diejenigen, denen Unregelmäßigkeiten auffallen. Auch ihre Angehörigen sollten dringend ein Tagebuch führen. Denn sie kommen oft als Zeugen in Betracht.

Aber keine Angst, auch wenn Sie hieran nicht gedacht haben, bedeutet es nicht, dass Sie in einem Arzthaftungsprozess keine Chance hätten.

Einsicht in die Behandlungsdokumentation

Sie haben als Patient einen Anspruch auf Einsicht in Ihre Behandlungsdokumentation. Auf dieses Recht sollten Sie auch bestehen und unter Fristsetzung den Arzt auffordern, Ihnen Einblick zu gewähren bzw. Ihnen eine Kopie der gesamten Behandlungsdokumentation (also insbesondere auch der Karteikarte) zur Verfügung zu stellen. Hier gibt es leider immer wieder Ärzte, die sich weigern. Ist ein geliebter Angehöriger gestorben und Sie sind Erbe geworden, haben auch Sie einen Anspruch auf die Behandlungsdokumentation des Verstorbenen. Hierzu reicht es aus, wenn Sie ein berechtigtes Interesse darlegen, das immer dann gegeben ist, wenn Sie mitteilen, dass Sie prüfen wollen, ob Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche aufgrund fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Betracht kommen.

Bleiben Sie hartnäckig und beauftragen Sie nach Ablauf der Frist einen Rechtsanwalt. Die Kosten hierfür muss dann der gegnerische Arzt erstatten.

Dürfen Sie sich weiterbehandeln lassen?

Immer wieder bekommen wir die Frage von Opfern von Ärztepfusch gestellt, ob sie sich weiter behandeln lassen können oder ob sie warten müssen, bis der Arzthaftungsprozess abgeschlossen ist. Wir können nur den dringenden Rat geben, notwendige ärztliche Behandlungen auch wahrzunehmen.

Die Entscheidung, ob und welche medizinische Behandlungen folgen, müssen Sie selbstverständlich mit Ihrem Arzt gemeinsam entscheiden. Wichtig ist allein, dass Ihr Arzt seine Behandlungsdokumentation lückenlos und vollständig führt. Anhand dieser lässt sich in einem etwaigen Arzthaftungsprozess dann nachweisen, welche Beschwerden Sie nach der vermuteten fehlerhaften Behandlung hatten. Auch der nachbehandelnde Arzt dürfte aus Eigenschutz ein Interesse an einer lückenlosen Dokumentation haben. Sollten Sie sich etwa einer weiteren Operation unterziehen müssen, muss er den Grund für den Eingriff (die sog. Indikation) dokumentieren.

Eins müssen Sie stets bedenken: In einem Arzthaftungsprozess geht es allein darum, dass der finanzielle Schaden ausgeglichen wird. Ihre Gesundheit erlangen Sie hiermit nicht wieder. Umso wichtiger ist es, dass Ihre Priorität auf Ihre Genesung gelegt wird. Das Geld kommt erst an zweiter Stelle.

Anwaltliche Beratung/sonstige Anlaufstellen

Bei dem Vorgenannten handelt es sich lediglich um Empfehlungen. Nun sind wir auch realistisch und wissen, dass Sie, sobald Sie Opfer einer fehlerhaften Behandlung geworden sind, zahlreiche andere Dinge im Kopf haben. Sie haben Behandlungstermine wahrzunehmen, müssen ggf. Anträge bei Sozialversicherungsträgern stellen und sich mit ablehnenden Bescheiden auseinandersetzen etc.

Können Sie sich diese Vorarbeiten nicht leisten, können sie sich selbstverständlich (und das raten wir Ihnen dringend) fachkundigen Rat einholen. Rufen Sie uns an, gerne geben wir eine erste Einschätzung ab. Möchten Sie zunächst noch keinen anwaltlichen Rat einholen, gibt es auch zahlreiche weitere Anlaufstellen.

Die vorangegangenen Ausführungen dienen nur dem Überblick, welcher Weg für Ihren Fall der richtige ist, muss individuell beurteilt werden. Hierzu empfehlen wir einen Termin bei einem Fachanwalt für Medizinrecht zu vereinbaren.

Foto(s): Rechtsanwaltskanzlei Sabrina Diehl

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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