Familienrecht - Elternunterhalt

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In Zeiten zunehmender Lebenserwartung und kleiner Renten nehmen die rechtlichen Probleme rund um das Thema Elternunterhalt spürbar zu. Immer häufiger kommt es dazu, dass die Renten- und Pflegeversicherungsleistungen nicht mehr ausreichen, um den Bedarf älterer Menschen zu decken. Die Kinder dieser Menschen leben "gefährlich". Beantragen die Eltern nämlich am Ende in ihrer Not Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, kommt es nach § 94 SGB XII zu einem Übergang von Ansprüchen der Eltern gegen die Kinder auf Unterhaltszahlungen auf die Behörden. Denn: Kinder schulden ihren in Not geratenen Eltern nach dem BGB direkt Unterhalt.

§ 1601 BGB bestimmt: Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Meist werden die Kinder völlig überraschend durch die Behörde unter Hinweis auf angebliche eigene Leistungspflicht der Behörde an die Eltern aufgefordert, ihre Einkommensverhältnisse (der letzten 12 Monate vor dem Unterhaltsbegehren) lückenlos offen zu legen. Dabei ist es sogar rechtens, wenn die Sozialbehörden auch Auskunft über das Einkommen des Ehepartners verlangen. Wird die Auskunft erteilt, berechnet die Behörde sodann den nach ihrer Ansicht bestehenden Unterhaltsanspruch der Eltern (oft falsch) und macht diesen gegenüber deren Kindern geltend.

Gegen das auf Zahlung von Unterhalt gerichtete Aufforderungsschreiben ist übrigens kein Widerspruch statthaft, gegen eine falsche Berechnung des Unterhalts kann auch kein Antrag auf Neuverbescheidung gestellt werden. Das aus dem Verwaltungsrecht bekannte Widerspruchsverfahren findet in diesem Bereich nicht statt, denn die Behörde macht einen auf den Staat übergegangenen zivilrechtlichen Anspruch der Eltern gegen die Kinder auf Unterhalt geltend. Es geht dabei um familienrechtliche Fragen. Wenn die Behörde eine Zahlung erzwingen will, muss sie den Unterhaltsanspruch darlegen und beweisen und im Zweifel selbst einklagen: Sie kann diesen nicht mit im Wege der Verwaltungsvollstreckung beitreiben. Zuständiges Gericht ist bei Streitigkeiten über den Anspruch das Familiengericht, anwendbares Recht ist das Familienrecht des BGB.

Der Bedarf des Berechtigten

Zunächst einmal muss beachtet werden, dass ein Anspruch der Behörde nur dann bestehen kann, wenn der Unterhaltsberechtigte einen solchen geltend machen kann. Vor den Kindern ist stets der Ehegatte heranzuziehen. Zunächst ist zu ermitteln, welches Einkommen die unterhaltsberechtigte Person tatsächlich hat (Rente, Leistungen aus Kranken- bzw. Pflegeversicherung, aus Kapitaleinkünften, Mieteinnahmen etc.) und welcher erforderliche Bedarf überhaupt besteht, der nicht mit eigenen Mitteln gedeckt werden könnte. Bestehende Vermögenswerte des Berechtigten sind zunächst aufzubrauchen, bevor Unterhalt von den Kindern verlangt werden kann.

Die Voraussetzungen sind von der Behörde nachvollziehbar darzulegen, bevor gezahlt werden muss.

Der gesetzliche Mindestbedarf der Eltern liegt dann bei ca. 770,- Euro monatlich, wenn diese bei den Kindern leben. Er ist höher, wenn die Eltern eine eigene Wohnung bewohnen oder pflegebedürftig sind. Die Einkünfte des Elternteils wie etwa die eigene Rente, Pensionen, Pflegeversicherungsleistungen, Kapitalerträge, Leistungen der Grundsicherung etc. - mindern diesen Bedarf von vornherein. Der Bedarf muss also zunächst sauber von einem Fachmann berechnet werden, soll eine seriöse Auskunft darüber gegeben werden, ob eine Unterhaltspflicht besteht.

Die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten

Der Gesetzgeber und die Gerichte müssen bei der Ermittlung der Leistungspflicht die KONKRETEN Lebensumstände des Verpflichteten berücksichtigen. Es gilt hier der gerichtlich anerkannte Grundsatz, dass niemand eine nachhaltige Senkung des Lebensstandards hinnehmen muss. Ein "schwelgen in Luxus" kann aber nicht verlangt werden (BGH, Az: XII ZR 266/99).Maßgebend für die Leistungspflicht und die Höhe der möglichen Abzüge für den eigenen Lebensstil sind das Einkommen, das Vermögen und der sozialer Rang (BGH, Az. XII ZR 123/00). Dabei gibt es einen sog. Mindestselbstbehalt, der aber durch individuelle Positionen ergänzt wird. Dieser Mindestselbstbehalt des Kindes beläuft sich derzeit auf 1500 Euro (für Singles) und bei einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft für den Lebenspartner auf weitere 1.200,- Euro, also insgesamt auf 2700 Euro netto. In diesem Selbstbehalt sind die Kosten der Unterbringung bereits enthalten.

Liegen die Einkünfte unterhalb des Selbstbehalts, entfällt die Unterhaltspflicht.

Das Einkommen berechnet sich bei Arbeitnehmern wie folgt:

Es wird zunächst das Gesamtnettoeinkommen der letzten 12 Monate AB ZUGANG DES VERLANGENS NACH UNTERHALT inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Boni und Tatntiemen, Überstundenvergütungen, Steuerrückzahlungen, Kapitalerträge, Mieteinnahmen ermittelt. Der Gesamtbetrag wird dann durch 12 geteilt. Der Wohnwert einer selbstgenutzten im Eigentum des Kindes stehenden Immobilie wird ebenfalls als „Einkommen" angerechnet. Dies allerdings nicht in der Höhe, die für ein entsprechendes Mietobjekt zu veranschlagen wäre, sondern lediglich in Höhe des subjektiven Wohnbedarfs, wie er ohne diese Immobilie bestünde. Es ist also egal, für was das konkrete Haus vermietet werden könnte, sondern allein entscheidend ist, welche fiktive Miete der Unterhaltsverpflichtete für eine für ihn angemessene Wohnung zahlen würde. Bei Ehepaaren (ggf. mit Kindern) wird in aller Regel eine Wohnung bis zum Mietzins von 800 Euro zu Grunde gelegt werden können.

Vom ermittelten Gesamteinkommen sind dann die monatlichen Kosten abzusetzen

Abzuziehen sind:
Andere vorrangige Unterhaltsverpflichtungen.
angemessene Kosten der Altersvorsorge
Darlehensschulden, wenn die Darlehen aufgenommen wurden, bevor die Unterhaltspflicht bekannt geworden ist.
sog. berufsbedingte Aufwendungen wie etwa Kosten für Fahrten, Kosten für Berufskleidung und Hilfsmittel etc.
die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung
die Kosten der Krankenzusatzversicherung
Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung

Abzuziehen sind aber auch für den Lebensstandard charakteristische Ausgaben . Dazu gehören etwa bestehende Kinderbetreuungskosten oder seit jeher stattfindende regelmäßige Urlaubsreisen

Es wird dem Verpflichteten auch erlaubt, teurere Konsumgüter anzusparen, statt einen Kredit aufzunehmen. So entschied der BGH, dass 22 000 Euro für einen Pkw angemessen (Az. XII ZR 98/04) sein können.

Andere Versicherungen wie Hausrat, Rechtsschutz, Haftpflicht etc. sind nach den Grundsätzen des Unterhalts nicht abzugsfähig.

Der BGH hatte hierzu entschieden:

1. Verfügt der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte, ist die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt in der Regel wie folgt zu ermitteln: Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.

2. Die Haushaltsersparnis, die bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Familieneinkommen eintritt, ist regelmäßig mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen.

3. Aufwendungen für eine Hausrats- und Haftpflichtversicherung sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht als vorweg abziehbare Verbindlichkeiten zu behandeln. (BGH Urteil von 28.07.2010 (XII ZR 140/07)

Einzusetzendes Vermögen:

Das unterhaltspflichtige Kind ist gehalten, auch sein Vermögen für den Unterhalt der Eltern einzusetzen. Es ist lediglich ein Schonvermögen zu belassen. Wenn das Kind eine eigene Immobilie bewohnt, ist ihm ein Betrag von mindestens ca. 25.000,- € zu belassen. Ansonsten sind mindestens 75.000,- € angemessen.

Strategien

Im Ergebnis wird am Ende ein berechtigter Unterhaltsanspruch stets zu erfüllen sein. Der Verpflichtete sollte im Zweifel jedoch stets eine gerichtliche Prüfung herbeiführen, damit der Unterhalt nicht auch noch auf falscher Grundlage festgesetzt wird. Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs ist und bleibt eine Sache des Einzelfalls und der örtlichen Rechtsprechung. Es gibt hier leider kein Gesetz, welches die Höhe starr regeln würde. Die Folgen einer gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung sind dann meist erheblich. Einem solchen Verfahren sollte sich daher kein Unterhaltsverpflichteter ohne spezialisierten anwaltlichen Beistand stellen.

Es ist insbesondere wichtig, dass von Anfang an alle Möglichkeiten, die die Rechtsprechung dem Unterhaltsverpflichteten betreffend die Bildung von Vermögen und Abziehbarkeit von Aufwendungen gibt, ausgenutzt werden, damit der Staat am Ende nicht auf Kosten des Verpflichteten rechtswidrig spart). Dies erfordert einen lückenlosen Nachweis der Belastungen ebenso, wie einen substantiierten Vortrag zu den konkreten Lebensverhältnissen, die auch einen berechtigten gehobenen Lebensstandard ergeben könnten, auf den der Verpflichtete nach der Rechtsprechung eben gerade nicht verzichten muss. Nach obigem kann nach allem auch ein Ansparen von Vermögen zwecks Austausch oder zwecks Erwerbs von Gebrauchsgegenständen (etwa neuer PKW, Instandhaltungsrücklagen für das Haus etc.), unterhaltsmindernd angesetzt werden. Hier hängt aber alles vom Einzelfall ab.

Will sich bei Arbeitnehmerpaaren der Unterhaltsverpflichtete dagegen durch einen Wechsel der Steuerklasse vor der Unterhaltspflicht zu schützen, führt dies nach einer Entscheidung des BGH leider nicht dazu, dass nun für ihre pflegebedürftigen Eltern weniger Unterhalt gezahlt werden muss. (BGH, Az. XII ZR 69/01). Der BGH hat dies als "Umgehungsgeschäft" erkannt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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