Generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Wie geht das?

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Wieder einmal ist der Versuch, auf deutschen Autobahnen ein generelles Tempolimit von 130 km/h einzuführen, gescheitert.

Im Grunde genommen war das nicht verwunderlich.

1. Was sind die Ursachen dafür, dass wir auf unseren Autobahnen gerne rasen?

Ich denke, der Hauptgrund ist, dass die deutsche Automobilindustrie leistungsstarke Fahrzeuge herstellt, mit denen das Rasen vielen Leuten „Spaß macht“. Die Qualität eines Fahrzeugs wird häufig danach beurteilt, wie viele PS (oder kW) der Wagen hat und wie schnell er fährt. Leistungsstarke und schnelle Fahrzeuge gelten für viele heute noch als Prestigeobjekt. Die PS-Leistung bestimmt den Preis und den Wert. Wen kümmert da schon der Verbrauch, wenn er es sich leisten kann?

Langsam fährt nur, wer kein „gescheites“ Auto hat oder wer nicht fahren kann, so denken wir doch, oder?

Und deshalb jagen wir am Samstag/Sonntag früh von München Richtung Berge und am Abend wieder zurück. A 8 oder A 95, you name it.

2. Was muss sich ändern?

a) Zuallererst, denke ich, muss sich unsere Einstellung ändern: Geschwindigkeit und PS-Zahl dürfen nicht mehr als die herausragenden Merkmale eines Fahrzeugs angesehen und angepriesen werden. Wichtiger sollte sein, welche sonstigen (technischen) Features das Fahrzeug bietet. Also zum Beispiel das Design, die Qualität der Ausstattung, die „Langlebigkeit“ oder meinetwegen auch der Sound der Stereoanlage, die Qualität der Sitze. Oder die Vielfalt des Bordentertainments. Coole Farben und Formen usw.

Mit der richtigen Werbung kann man jedes Merkmal zum „must-have“ machen! Apple´s iPhones sind auch nicht leistungsfähiger als die Samsung Geräte, und trotzdem haben sie einen höheren Markt- bzw. Prestigewert.

Früher, sagen wir in den 70ern, haben „echte Männer“ geraucht. Heute denken viele Menschen beim Thema Rauchen eher an Sucht und Hartz 4. Der Raser ist der „Assi von morgen“.

b) Urteile, die Raser als "Mörder" verurteilen, wenn bei einem illegalen Autorennen jemand zu Tode kommt, gehen in diese Richtung ("Der Raser als Mörder"). - Allerdings wird der Begriff "Mörder" dadurch in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise überdehnt. Solche Raser sind zwar im höchsten Maße kriminell fahrlässig ("criminally negligent"), meines Erachtens aber keine Vorsatztäter. Die wollen niemanden töten und nehmen den Tod eines anderen in aller Regel auch nicht "billigend in Kauf", wie es das Strafrecht fordert. Dumme, verantwortungslose Idioten, ja, absolut strafwürdig, keine Frage, nur eben keine "Mörder". Aber das ist ein anderes Thema.

c) Die immer stärker zunehmenden Staus auf unseren Straßen werden in diesem Zusammenhang auch ihr Gutes haben: Es macht nun einmal keinen großen Unterschied, ob man mit 450 PS im Stau steht oder nur mit 100 PS. Da ist es dann schon wichtiger, ein Navigationssystem zu haben, welches den Stau frühzeitig erkennt und clever umgeht. Oder ein Unterhaltungsprogramm, das einem die Wartezeit im Stau erträglicher macht. Oder eben super bequeme Sitze, in denen einem auch nach 2 Stunden Stau noch nicht der Rücken wegtut.

d) Ein geringer Spritverbrauch sollte zudem größere soziale Anerkennung finden als eine hohe PS-Zahl. „Modern und umweltfreundlich“ muss mehr gelten als „schnell und laut“. Diese heulenden Motoren oder Auspuffanlagen, wie sie manche Sportwagen haben, gehören zumindest in den Innenstädten schlicht verboten. Tempo 60 wegen Lärmschutz sollte für (leise) Elektrofahrzeuge nicht gelten. Ferraris und Konsorten dagegen machen schon bei Tempo 30 zu viel Krach.

e) Und warum muss die Tachoscheibe eines normalen 3er BMWs eigentlich bis 260 gehen? Um dem Fahrer zu suggerieren, dass er mit 130 gerade einmal die Hälfte dessen fährt, was sein Fahrzeug leisten kann? - Schwachsinn. Der Tacho sollte maximal bis 190 gehen und spätestens ab 160 einen roten Bereich aufweisen, der den Fahrer warnt: Don´t, it´s dangerous!

3. Und wie geht man praktisch vor?

Von heute auf morgen die bislang teilweise unlimitierte Geschwindigkeit auf unseren Autobahnen auf 130 zu reduzieren, ist nicht der richtige Weg. Da ist die Veränderung einfach zu groß und zu drastisch. Was sollte man stattdessen tun?

a) Nun, zunächst einmal sollte man eine generelle Höchstgeschwindigkeit von maximal 180 km/h einführen. Niemand muss auf einer öffentlichen Straße schneller als 180 km/h fahren, auch nicht auf einer deutschen Autobahn. Und mit „niemand“ meine ich wirklich „niemand“! Wer schneller als 180 rasen will, soll das auf einer dafür vorgesehenen Rennstrecke tun, aber nicht im öffentlichen Straßenverkehr.

Mag ja sein, dass „Rudi Rennmeister“ seinen 600 PS starken AMG auch noch bei 240 km/h sicher beherrscht, aber er ist eben nicht allein auf der Straße, sondern vor, hinter oder neben ihm fahren Menschen, deren Reaktionsfähigkeit nicht mehr auf Grand Prix-Niveau liegt. Dafür muss man nicht über 70 sein, dafür reicht schon ein anstrengender Arbeitstag in der Kanzlei oder Praxis. Normale Umstände eben.

b) Wenn sich Raser und Autoindustrie an „180 max“ gewöhnt haben, sollte man die Höchstgeschwindigkeit weiter auf 160 km/h reduzieren. Das ist dann immer noch 30 km/h schneller als beispielsweise auf französischen Autobahnen.

c) Ob man in einem 3. Schritt dann noch einmal weiter reduziert, nämlich von 160 km/h auf 130 km/h, sollte man von den Ergebnissen abhängig machen. Führt die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit zu der erwünschten größeren Sicherheit und zu weniger Toten und Verletzten im Straßenverkehr? Ich denke ja, aber das wird man sehen müssen.

d) Im Gegenzug könnte man sich überlegen, ob man nicht die ein oder andere (unsinnige) Begrenzung auf 60 oder 80 km/h wegfallen lässt. Nach meiner Erfahrung kann man an vielen Stellen, an denen ein 80er-Schild steht, ohne Gefahr auch 100 fahren. Dann müssten die Raser mit ihrem vollen Punktekonto an diesen Stellen auch nicht abrupt von 200 auf 80 runterbremsen.

4. Fazit

Wichtig sind also:

1) Einstellung ändern. PS und Geschwindigkeit dürfen nicht mehr das Wichtigste bei einem Fahrzeug sein. Liebe Autoindustrie, lasst euch andere Merkmale einfallen, wie sich eure Fahrzeuge in positiver Weise von den Produkten der Konkurrenz abheben. Autos sollen cool und umweltfreundlich sein. PS-Bomben mit dickem Auspuff sind was für Proleten!

Und 2) Die Höchstgeschwindigkeit schrittweise reduzieren, nicht auf einen Schlag. Das klappt ja doch nicht. Wie sagt das Sprichwort: A frog can live in boiling water if the heat is only applied slowly.

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

Foto(s): wolfgang gottwald


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