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Gestaltungen zur Vermeidung von Pattsituationen in 50:50 - Gesellschaften

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Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass zwei Gesellschafter oder Gesellschafterstämme zu genau gleichen Teilen an einer Gesellschaft beteiligt und berechtigt sind. Oftmals entspricht dies dem ausdrücklichen Wunsch der Gesellschafter, um eine Übermacht des einen Gesellschafters über den oder die anderen Gesellschafter zu vermeiden und die eingegangene Partnerschaft „auf Augenhöhe“ zu beschreiten (wie z.B. bei Joint-Venture-Gestaltungen). Viele Satzungen wurden im Hinblick auf die BSG-Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht von Minderheitsgesellschaftern im November 2015 „auf die Schnelle“ genauso ausgestaltet, um den Missstand der Sozialversicherungspflicht zu beseitigen. Oft entstehen diese Situationen jedoch auch im Rahmen einer Unternehmensnachfolge, insbesondere im Fall des Todes des bisherigen Alleingesellschafters, wenn zwei gleichberechtigte Nachfolger nachrücken.

Sobald die Gesellschafter aber (im Einzelfall oder grundsätzlich) verschiedene Ziele oder Interessen verfolgen und sich nicht mehr einigen können, sind die Folgen der Gleichberechtigung dann regelmäßig fatal. Denn die paritätische Führung innerhalb der Gesellschafterversammlung führt zu einer Pattsituation, welche einen Entscheidungsstillstand bis hin zu einer vollständigen Lähmung der Gesellschaft zur Folge haben kann.

Oftmals behilft sich die Praxis zur vermeintlichen Vermeidung dieses Problems in der Regelung unterschiedlicher Beteiligungsquoten wie z.B. 51 % zu 49 %. Auch dies ist jedoch in aller Regel nicht unproblematisch, da hierdurch wiederum die Sozialversicherungspflicht des geschäftsführenden Minderheitsgesellschafters zu entstehen droht. Ganz zu schweigen davon, dass dieser letztlich in weiten Teilen entmündigt wird. Im Hinblick auf Grundlagenentscheidungen, welche eine qualifizierte Mehrheit von 75% bedürfen, bleibt das Problem der Pattsituation im Übrigen auch bei dieser Gestaltung bestehen.

Sofern eine gleichberechtigte Beteiligung der Gesellschafter auf Augenhöhe im Raum steht, ist zwingend erforderlich, von vornherein eine Strategie für das Risiko späterer Pattsituationen zu regeln. Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist dabei ein besonderes Augenmerk auf die Implementierung von Streitschlichtungsgremien bzw. Exitstrategien zu legen. Exemplarisch kommen hierbei folgende Gestaltungsformen in Betracht, welche durchaus auch in Kombination miteinander angewandt werden können.

1. Interne Streitschlichtung

Eine gängige und relativ flexible Lösung bietet die Einrichtung eines fakultativen Schlichtungsgremiums, in der Praxis regelmäßig als Beirat bezeichnet, seltener auch Aufsichtsrat, Verwaltungsrat o.Ä.. Die Errichtung eines solchen fakultativen Gesellschaftsorgans erfordert umfangreiche Regelungen, insbesondere zu folgenden Gesichtspunkten:

a) Errichtung des Beirats:

Im Gegensatz zum schuldrechtlich errichteten Beirat kann ein satzungsmäßig errichteter Beirat in gewissem Umfang in das Kompetenzgefüge der Gesellschaft eingreifen, er ist ein Organ der Gesellschaft. Dabei kann der Beirat in der Satzung entweder unmittelbar bestellt werden oder aber lediglich die Grundlage dafür geregelt werden, den Beirat flexibel im Bedarfsfall zu berufen und mit konkreten Kompetenzen auszustatten.

b) Besetzung des Beirates: 

Um eine abermalige Pattsituation zu vermeiden, sollte der Beirat aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen, bei denen mindestens eine neutral sein sollte und keinem der Lager der Gesellschafter zuzuordnen sein sollte. Denkbar ist auch ein 1-Personen-Beirat. Eine weitere Regelungsalternative ist die, dass jeder Gesellschafter ein Mitglied beruft und die beiden Beiräte dann wiederum ein drittes Mitglied bestimmen sollen. Falls eine Einigung über die dritte Person abermals nicht zustande kommt, sollte wiederum vorgesorgt werden. In der Praxis wird dann oftmals der für die Gesellschaft zuständige Rechtsanwalt oder Steuerberater oder – in familiär strukturierten Gesellschaften – ein gemeinsames Familienmitglied bestellt oder dieser Person zumindest die weitere Bestellungskompetenz übertragen.   

c) Zuständigkeit des Beirats: 

Der Aufgabenbereich des Beirats kann je nach Bedarf ausgestaltet werden. Denkbar ist dabei zum einen die Zuständigkeit ausschließlich zur Entscheidung im Falle des Entscheidungsstillstandes, wobei der Beirat auch für jeden Fall des Stillstandes neu gewählt bzw. berufen werden kann. Denkbar ist jedoch auch, dem Beirat darüber hinaus eine umfangreichere Palette an Aufgaben zu übertragen, wie beispielsweise die Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern, die Überwachung, Beratung sowie Kontrolle der Geschäftsführung sowie die Abstimmung der strategischen Unternehmensplanung mit der Geschäftsführung, die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung, die Aufstellung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sowie ggf. eines Kompetenzverteilungsplanes, sofern mehrere Geschäftsführer vorhanden sind u.v.m.

Zu beachten ist dabei jedoch, dass gewisse Beschlussgegenstände zwingend der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind und nicht auf ein weiteres Organ delegiert werden können (insbesondere satzungsändernde und strukturändernde Grundlagenbeschlüsse). Insoweit wird der Beirat, jedenfalls teilweise, nur beratende und schlichtende Funktion haben können, wofür es sodann ebenfalls gilt, dies berücksichtigende Regelungen zu treffen. Denkbar wäre gegebenenfalls, demjenigen Gesellschafter das Recht zum Stichentscheid einzuräumen, d.h. eine zusätzliche Stimme zu gewähren, der für die Beschlussempfehlung des Beirates stimmt.

2. Externe Streitschlichtung: 

Statt der Regelung eines zusätzlichen Gesellschaftsorgans besteht auch die Möglichkeit, ein externes Streitschlichtungs-, Mediations- oder Schiedsgerichtsverfahren vorzusehen. Diese externen Lösungen haben jedoch den Nachteil, dass sie zum einen entweder darauf angewiesen sind, dass doch noch eine einvernehmliche Lösung zwischen den zerstrittenen Gesellschaftern herbeizuführen ist (Streitschlichtungs- bzw. Mediationsverfahren) bzw. ohnehin keine echte Streitschlichtung mehr mit sich bringen kann, sondern den bereits eingetretenen Streit lediglich anstelle eines staatlichen Gerichts vor ein Schiedsgericht verlagert. Im Vergleich zur Begehung der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat auch letztere Lösung allenfalls einen bedingten Mehrwert.

3. Stichentscheid: 

Die (wohl) einfachste Auflösung der Pattsituationen dürfte im Recht zum Stichentscheid eines Gesellschafters liegen. Der Nachteil liegt dabei jedoch auf der Hand: durch die Implementierung eines solchen Stichentscheides wird das eigentlich beabsichtigte Gleichgewicht in der Gesellschaft letztlich ausgehebelt. Zudem birgt auch diese Lösung wiederum die Gefahr der Begründung einer Sozialversicherungspflicht des hiervon benachteiligten Gesellschafters.

Eine vermehrt anzutreffende Alternative liegt dabei darin, den Stichentscheid nicht grundsätzlich einem einzelnen Gesellschafter einzuräumen, sondern dieses Recht – beispielsweise durch wechselnde Zeitabstände – abzuwechseln, sog. alternierender Stichentscheid. Auch hier sind jedoch zahlreiche Fallstricke in der Gestaltung zu berücksichtigen. Denkt man nur an die Gefahr, beispielsweise durch Ausnutzung des turnusmäßig begünstigenden Stichentscheides womöglich nicht rückgängig zu machende Fakten zu schaffen oder aber durch Ausnutzung von Verzögerungstaktiken streitige Entscheidungen auf einen Zeitabschnitt zu verlagern, in dem das Recht zum Stichentscheid wieder „gedreht“ hat.

4.  Exit-Klauseln:

Ein denkbarer Weg zur Auflösung einer Pattsituation stellt auch die Regelung verschiedener Exit-Klauseln, auch „Shoot-Out-Klauseln“ genannt, dar. Der Nachteil solcher Klauseln liegt jedoch darin, dass sie, wie der Name schon sagt, zum „Exit“ und damit zur Trennung der streitigen Gesellschafter führen. Ziel ist die schnelle und zwangsweise Übertragung von Geschäftsanteilen ohne lange Diskussion über deren Bewertung, wie beispielsweise im Rahmen der Einziehung. Im Wesentlichen sind drei unterschiedliche Varianten gängig, welche jedoch jeweils wieder modifiziert und variiert werden können und daher in verschiedenen Unterformen auftauchen:

a) Russian-Roulette-Klausel: 

Hier ist vorgesehen, dass einer der Gesellschafter dem jeweils anderen Gesellschafter sämtliche von ihm gehaltenen Anteile zu einem von ihm bestimmten Preis zum Kauf anbietet. Der Mitgesellschafter hat sodann das Recht zu entscheiden, ob er die angebotenen Anteile zum vorgegebenen Preis kauft oder ein Gegenangebot unterbreitet und wiederum zum gleichen Kaufpreis seine eigenen Anteile dem anbietenden Gesellschafter im Gegenzug verbindlich zum Kauf anbieten möchte. Der auslösende Gesellschafter wäre dann, je nach Wahl des Mitgesellschafters, zum Verkauf und zur Abtretung seiner eigenen Anteile bzw. zum Ankauf der Anteile des Mitgesellschafters zum vorgegebenen Preis verpflichtet.

b) Texas-Shoot-Out-Klausel

Ähnlich wie bei der Russian-Roulette-Klausel macht hierbei jedoch umgekehrt der ausscheidungswillige Gesellschafter dem Mitgesellschafter ein Angebot, dessen Anteile zu einem vorgegebenen Preis abzukaufen. Wenn der Mitgesellschafter das Angebot nicht annimmt, seine Anteile dem auslösenden Gesellschafter also nicht verkaufen möchte, muss er wiederum ein Gegenangebot machen und stattdessen die Anteile des auslösenden Gesellschafters zum vorgegebenen Kaufpreis kaufen.

c) Mexican-Shoot-Out-Klausel

Hierbei ist vorgesehen, dass beide Gesellschafter gleichzeitig ein Gebot zum Ankauf der Geschäftsanteile des Mitgesellschafters abgeben, wobei die Angebote in der Regel gegenüber einer neutralen Person (oftmals ein Notar) abzugeben sind. Der Gesellschafter mit dem höchsten Angebot setzt sich durch und erwirbt die Anteile des Mitgesellschafters zum angebotenen Preis.

5. Sonstige Regelungen für die Pattsituation

Neben den auf der Hand liegenden Problemen im Rahmen der Beschlussfassung, wofür die vorstehend aufgezeigten Lösungswege zu bedenken sind, sollte bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrages aber noch weiter gedacht werden. Erforderlich oder zumindest zweckmäßig sind zusätzliche Regelungen an anderen Stellen, beispielsweise zur Kompetenz der Einberufung der Gesellschafterversammlung, zur Wahl bzw. Bestimmung eines Versammlungsleiters, zur Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung u.v.m.


Gerne berate und begleite ich Sie sowohl im frühen Stadium zur Vermeidung von Streitigkeiten als auch im Fall des bereits eingetretenen Gesellschafterstreits sowie in sämtlichen sonstigen Belangen des Personen- und Kapitalgesellschaftsrechts. 


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