Insolvenzantrag des Finanzsamts abwehren – so gehts!

  • 5 Minuten Lesezeit

In meinem Rechtstipp: „Insolvenzantrag des Finanzamts: Was kann ich tun? – Risiko Schätzbescheid“ konnten Sie lesen, dass und weshalb das Finanzamt gegen Sie als Unternehmer oder Verbraucher sehr leicht und schnell einen Insolvenzantrag stellen kann. Erste Abwehrmöglichkeiten und den Hinweis auf ein zwingend notwendiges, sofortiges Handeln habe ich dargelegt. Hier zeige ich Ihnen eine weitere, wichtige Möglichkeit der Verteidigung – der Weg zum Finanzgericht.

Stellen Sie einen Antrag beim Finanzgericht
In erster Linie müssen Sie sich gegen einen Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht, also einem Amtsgericht verteidigen. Daneben können Sie aber auch die Finanzgerichte als besondere Verwaltungsgerichte anrufen. Denn die Finanzverwaltung ist Teil des Staates und daher an das Grundgesetz (Verfassung) gebunden.

Ihr Steuerberater oder ein versierter Fachanwalt für Insolvenzrecht kann einen Antrag im Eilrechtsschutz stellen. Dann verpflichtet das Gericht das Finanzamt, den Insolvenzantrag zurückzunehmen. Formaljuristisch müssen Sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach Paragraf 114 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung stellen.

Das Gericht prüft dann vor allem, ob der Insolvenzantrag des Finanzsamts ermessensfehlerhaft gewesen ist.

Hohe Anforderungen an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
Wichtig ist: Sie müssen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund darlegen. Dies ist kompliziert und es gibt viele Fallstricke. Darum ist es besser, Geld in einen guten Anwalt zu investieren.

Der Anordnungsanspruch – Die Begründung
Hier legen Sie dar, weshalb der Insolvenzantrag sachlich unbegründet ist. Folgende Gründe kommen häufiger vor:

  • Der Steuerbescheid ist nicht vollziehbar, zum Beispiel weil die Vollziehung nach einem Antrag Ihres Steuerberaters ausgesetzt wurde.
  • Sie sind nicht zahlungsunfähig, sondern die Zahlung stockt nur und Sie können sich binnen drei Wochen das notwendige Geld zum Ausgleich der Steuerforderung besorgen (zum Beispiel: Kredit).
  • Das Finanzamt hat Sie vor dem Insolvenzantrag nicht angehört.
  • Das Finanzamt hat kein Ermessen ausgeübt oder nur fehlerhaft (zum Beispiel: Druckantrag).
  • Das Finanzamt lehnt ohne Gründe von Ihnen angebotene Sicherheiten für die Steuerforderung ab.
  • Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der die Forderung begründende Steuerbescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wird (zum Beispiel: Zweitwohnungssteuer, Vergnügungssteuer und andere umstrittene Steuerarten).

Bedenken Sie immer: Der Insolvenzantrag des Finanzamts stellt ein hoheitliches Verwaltungshandeln dar, das Bestandteil eines Vollstreckungsverfahrens ist und in die Grundrechte des Unternehmers und Bürgers eingreift. Jeder Eingriff muss verhältnismäßig sein. Dies belegt auch die Abgabenordnung (AO), die der Finanzverwaltung in Paragraf 5 AO ein Handeln im Rahmen von pflichtgemäßem Ermessen auferlegt.

Der Anordnungsgrund
Hier legen Sie dar, dass ein Handeln des Gerichts erforderlich ist, um nachteilige Folgen der Insolvenz abzuwenden. Sie sollten insbesondere deutlich machen, dass die Folgen einer Insolvenz viel gravierender sind als die weitere Einzelzwangsvollstreckung gegen Sie.

Positive Urteile für Schuldner
Die Finanzgerichte sind bereit Ihnen zu helfen, wie nachstehende Urteile beispielhaft zeigen:

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Februar 2011 – VII B 226/10 –, Rn. 9, juris

„Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).“

Der Bundesfinanzhof hat auch Beispiele dafür genannt, welche Aspekte von der Finanzbehörde zu gewichten sind:

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Februar 2011 – VII B 226/10 –, Rn. 14, juris:

„Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen - ggf. ratenweise - Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.“

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Januar 2013 – 3 V 1340/12 –, Rn. 108 - 109, juris:

 „(1) Ist aus den Erwägungen der Finanzbehörde nicht zu erkennen , dass es neben ihr noch weitere Gläubiger desselben Schuldners gibt, liegt ein Ermessensdefizit vor, zumal das Insolvenzverfahren nicht der Befriedigung lediglich eines einzigen Gläubigers dienen darf (vgl. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. § 1 Satz 1 InsO: „die Gläubiger“; vgl. auch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge – Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311) und wie die Finanzbehörde die Möglichkeit hat, sich durch die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses pflichtgemäß Kenntnis von Verbindlichkeiten ihres Schuldners gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen (Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248). Ist die Finanzbehörde nach ihrer Kenntnis der einzige Gläubiger des Schuldners, so entspricht der Insolvenzantrag nicht den gesetzlichen Zielvorstellungen der Insolvenzordnung, nämlich der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (Schmerbach in FK-Inso, 6. Aufl. 2011, § 1, Rz 2; Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Kießner in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582; a.A. Schmerbach in FK-InsO, 6.Aufl. 2011, § 14, Rz 68) und ist hierdurch ermessensfehlerhaft (vgl. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

Tipp: Erwirken Sie Hängebeschlüsse

Finanzgerichte können durch Beschluss dem Finanzamt untersagen, aus bestehenden Steuerbescheiden zu vollstrecken, bis das Gericht über den Antrag auf einstweilige Regelungsanordnung entschieden hat. Bitten Sie das Gericht um einen solchen Beschluss, falls es wie so oft nicht direkt über Ihren eigentlichen Antrag entscheiden kann.

Tipp: Aussetzung der Vollziehung beantragen und durchsetzen

Beantragen Sie beim Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides, der dem Insolvenzantrag zugrunde liegt. Lehnt das Finanzamt ab, so beantragen Sie beim Finanzgericht die Anordnung der Aussetzung der Vollziehung. Diesen Antrag nach Paragraf 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung sollten Sie auf keinen Fall vergessen, weil allein eine Klage gegen den Steuerbescheid die sofortige Vollziehung nicht hindert.

Tipp: Holen Sie fehlende Steuerbescheide nach, um Schätzungsbescheide aus der Welt zu bekommen

Beruht der Insolvenzantrag auf einem Schätzbetrag, so sollten Sie etwaige Steuererklärungen sofort nachholen und Ihrem Steuerberater klar machen, was davon abhängt.

Tipp: Beantragen Sie rechtzeitig Stundungen oder Vollstreckungsaufschübe

Wenn Sie Ihre Steuern vorübergehend nicht zahlen können, sollten Sie über Ihren Steuerberater Rechtzeitig Kontakt aufnehmen, um eine Vollstreckung und einen Insolvenzantrag zu vermeiden. Sachliche Argumentation und ein freundlicher Umgangston können den Ernstfall vermeiden: den Insolvenzantrag.

Dr. Olaf Hiebert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und Verwaltung NRW



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Olaf Hiebert

Beiträge zum Thema