Kain erschlug den Abel - gleichwohl erbberechtigt?

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Die Zahl der Missetäter ist groß. Auch solcher im Erbrecht, die trotz großer oder kleiner (Straf-)Taten ihre Beteiligung am Nachlass einfordern wollen. 

Der Erblasser kann zu Lebzeiten einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil entziehen. Nach dem Erbfall kann ein solcher einseitig veranlasster Ausschluß einzelner Erben grundsätzlich nicht mehr erfolgen. Um in diesen besonders gelagerten Fällen eine als nicht zumutbar empfundene Beteiligung eines Erben zu vermeiden, kennt das Recht die sog. Erbunwürdigkeitserklärung.

Hätte der Erblasser einen Erben vom Nachlass ausgeschlossen, wenn er noch gekonnt hätte?

Allen Fällen der Erbunwürdigkeit ist die Ausgangslage gemein: Der Erblasser konnte nicht mehr seinen Erbwillen wirksam äußern, hätte aber bei entsprechender Möglichkeit hierzu, den betroffenen Erben in Kenntnis seiner Tat von der Beteiligung am Nachlass vollständig ausgeschlossen.

Aus Gründen der Rechtssicherheit setzt das Gesetz für die Annahme der Erbunwürdigkeit strenge Anforderungen voraus. Erbunwürdig ist, 

1. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,

2. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,

3. wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,

4. wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.


Die Fälle der Ziff.1 sind selbsterklärend. Ziff.4 umfasst die sog. Urkundsdelikte, wenn ein Erbe etwa eine Urkundefälschung begangen hat.

Schutz der freiheitlichen Willensbildung und -betätigung des Erblassers.

Schwieriger und in der Praxis höchst relevanter sind hingegen die Fälle der Ziff.2 und Ziff.3 des § 2339 BGB.  Die Tat richtet sich gegen Erblasser, indem dieser an einer freien Bildung oder Erklärung seines letzten Willens gehindert oder zu einer bestimmten Erklärung in diesem Sinne bestimmt hat. Auf welche Weise die Verhinderung erfolgt, ist unerheblich, sie kann insbesondere durch körperliche Einwirkung, Täuschung, Drohung oder Ausnutzen einer Zwangslage oder der Willensschwäche des Erblassers erfolgen.

Arglistige Täuschung als Grund für Erbunwürdigkeit.

Ein weites Feld bestimmt zudem der Begriff der "Arglist" im Sinne von Ziff.3: Arglistige Täuschung ist danach jedes Verhalten, das bewußt darauf abzielt, den Erblasser in einen Irrtum zu versetzen oder ihn darin zu halten und ihn hierdurch zu einer letztwilligen Verfügung zu veranlassen. Eine arglistige Täuschung kann daher auch darin liegen, daß der Erblasser über einen bereits vorhandenen wesentlichen Irrtum nicht aufgeklärt wird, sofern dies nach den Umständen rechtlich geboten war; so kann eine arglistige Täuschung auch durch Stillschweigen begangen werden, wenn Treu und Glauben nach der Verkehrsauffassung das Reden erfordern (so schon das Reichsgericht). 

Wandel der Verkehrsanschauung?

In einer anderen Entscheidung aus dem Jahre 1912 hat ebenfalls das Reichsgericht angenommen, daß Erbunwürdigkeit wegen arglistiger Täuschung für einen Fall angenommen werden kann, wenn der Erblasser zur Testamentserrichtung und Eheschließung durch die Annahme bewogen worden war, er werde in der Bedachten (der früheren Pflegerin seiner langjährig leidenden ersten Ehefrau, die danach auch ihn gepflegt hatte) eine treue, für ihn besorgte Gattin gewinnen, während diese in Wirklichkeit lediglich auf die Erbschaft ausging und in einem Liebesverhältnis stand, das sie fortzusetzen beabsichtigte. Das RG hat eine Pflicht zur Offenbarung  bejaht, weil die Eheschließung nur Mittel zu dem Zweck war, Erbin zu werden. 

Der BGH hat diese Sicht in einer Entscheidung 1968 (BGHZ 49, 155) bejaht: Erbunwürdig ist ein Ehegatte, der ein fortdauerndes ehewidriges Verhältnis verschweigt, obwohl er weiß, daß der andere Ehegatte im Vertrauen auf die Beteuerung seiner ehelichen Treue ein Testament zu seinen Gunsten errichtet.

In der Konsequenz ist auch bei offenkundigem Vorliegen eines Grundes im Sinne der Ziff.2 und 3 stets eine umfassende Prüfung und Ermittlung der jeweiligen Motivlage und bestimmenden Handlungsgründe zwingend erforderlich.

Notwendig: Anfechtungsklage.

Die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit kann erst nach Eintritt des Erbfalles erfolgen und zwar durch Anfechtungserklärung desjenigen, dem der Wegfall des Erbunwürdigen, sei es auch nur bei dem Wegfall eines anderen, zustatten kommt. Wer also stattdessen Erbe oder dessen Erbteil erhöht würde.

Dabei gelten auch hier Fristen und weitere Erfordernisse zu einer wirksamen Feststellung der Erbunwürdigkeit: Die Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist ab Kenntnis der Erbunwürdigkeitsgründe und muß zudem mittels Anfechtungsklage gerichtlich geltend gemacht werden. 


Foto(s): LEGALIS.Anwälte Partnerschaft. Biberach und Bad Waldsee

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