Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Karneval und Fasching: Haftungsrisiken bei Umzügen für Veranstalter und Teilnehmer

  • 4 Minuten Lesezeit
Karneval und Fasching: Haftungsrisiken bei Umzügen für Veranstalter und Teilnehmer
Christian Günther anwalt.de-Redaktion
  • Bei Umzügen müssen Veranstalter zumutbare Vorkehrungen vor möglichen Gefahren treffen.
  • Auch Umzugsteilnehmer können haften, wenn sie Vorgaben missachten.
  • Zuschauer müssen mit Bräuchen wie Bonbonwürfen rechnen und sich gegebenenfalls schützen.

Schutz vor Haftungsrisiken, ohne dass der Spaß beim Umzug auf der Strecke bleibt: Vor dieser Herausforderung stehen Veranstalter wie Teilnehmer wieder in den tollen Tagen. Sie müssen jedoch nicht jede Gefahr ausschließen. Welches närrische Treiben birgt daher besondere Haftungsrisiken und welches nicht? 

Passende Regeln aufstellen und überwachen 

Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, damit andere nicht verletzt werden. 

Besonders drastisch zeigt das ein 50.000-Euro-Schmerzensgeldurteil infolge des Eppinger Nachtumzugs. Viele Teilnehmer und Zuschauer verkleiden sich dabei als Hexen und führen entsprechende Requisiten wie z. B. Hexenkessel mit. 

Im Februar 2018 wurde eine junge Frau von einem als Hexe verkleideten Mann über einen mit brühend heißem Wasser gefüllten „Hexenkessel“ gehalten. Die Frau fiel dabei in den Kessel und erlitt schwere Verbrennungen an den Beinen. Den Eppinger Verkehrsverein als Veranstalter und den mutmaßlichen Täter verklagte sie daraufhin auf Schmerzensgeld

Der Verein hätte das Mitführen beheizter Wasserkessel zum einen verbieten müssen und zum anderen die Veranstaltung besser kontrollieren müssen, entschied das Landgericht Heilbronn Ende 2019 (Az.: Hu 6 O 402/18, Hu 6 O 389/19). Er habe dadurch mehrfach Verkehrssicherungspflichten verletzt und hafte deshalb für die Folgen. 

Begehen Teilnehmer mutwillig Straftaten am Rande des Umzugs – z. B. Fahrzeugbeschädigungen –, haften Veranstalter nicht, entschied das Amtsgericht Köln (Az.: 111 C 422/97). Veranstalter müssen Teilnehmer also nicht in jeglicher Hinsicht überwachen. Auch im Übrigen müssen Veranstalter für eine ausreichende, aber für keine vollständige Überwachung sorgen. 

Seit dem Vorfall wurde der seit 2003 stattfindende Eppinger Nachtumzug abgesagt, weil die weitere Veranstaltung insbesondere mit strengen Auflagen verbunden wäre. Der Veranstalter hat das Urteil akzeptiert. 

Auch Teilnehmer an Umzügen treffen Pflichten 

Ausreichend für die Verurteilung des Teilnehmers sei bereits, dass er den Kessel als Gruppenmitglied nicht gegen unbefugtes Herantreten oder Benutzen durch Dritte gesichert habe. Das heiße Wasser bildete eine Gefahrenquelle, aufgrund der eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht bestand. Dem Gericht zufolge musste der Mann die die Frau deshalb gar nicht über den Kessel gehalten haben. Es habe bereits das gemeinschaftlich geplante und durchgeführte Mitsichführen des Kessels genügt. Der ebenfalls zur Schmerzensgeldzahlung verurteilte Teilnehmer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

In einem Strafprozess hatte das Amtsgericht Heilbronn (AG) den Mann bereits wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Auch dagegen legte er Rechtsmittel ein.

Werfen kleiner Gegenstände hat Tradition 

Zu vielen Umzügen gehört das Werfen von Süßigkeiten. Beim Kölner Rosenmontagszug trafen zwei Schokoriegel eine Frau am Auge und verletzten sie schwer. Das Amtsgericht Köln wies ihre Schmerzensgeldklage jedoch ab (Az.: 123 C 254/10). 

Weder der Veranstalter noch der Verantwortliche für den Umzugswagen haben ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Das Werfen von kleineren Gegenständen während eines Karnevalsumzugs vom Umzugswagen aus sei sozial üblich, allgemein anerkannt, von allen Zuschauern erwartbar und insgesamt erlaubt. Ähnliche Fälle entschieden zuvor bereits das Amtsgericht Aachen bezüglich eines Pralinenkartons (Az.: 13 C 250/05), das Landgericht Trier bezüglich eines Bonbons (Az.: 1 S 150/94) und das Amtsgericht Eschweiler bezüglich einer Tulpe (Az.: 6 C 599/85), die bei Umzügen zu Verletzungen führten. 

Besondere Schutzmaßnahmen bei Menschenmengen 

Viele Umzüge sind Massenveranstaltungen. Veranstalter müssen die Menschenmengen lenken und überwachen, um Verletzungsgefahren insbesondere infolge einer Panik zu minimieren. 

Weitere Sicherheitsmaßnahmen sind erforderlich, wenn größere Fahrzeuge und Wagen am Umzug teilnehmen. Bei kleineren Umzügen genügen Personen, die verhindern, dass Personen den Gespannen zu nahekommen. Drängen sich viele Menschen an der Straße sind Absperrungen erforderlich. Diese sollten insbesondere an übersichtlichen Stellen stehen, an denen Menschen leicht auf die Straße geraten können. Das gilt insbesondere für minderjährige Zuschauer, stellt das Oberlandesgericht Koblenz fest (Az.: 3 U 985/13). Geklagt hatte eine Zuschauerin, die behauptete, von einem Wagen überrollt worden zu sein. Sie konnte allerdings nicht beweisen, dass der Veranstalter keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen durch Absperrungen und Überwachung getroffen hatte. 

Wer die Straße inmitten des Umzugs dennoch überquert, muss zudem selbst aufpassen. Das Amtsgericht Waldkirch wies die Klage einer Mutter ab, deren Tochter dabei mit einem Umzugsteilnehmer zusammengestoßen war und sich an den Zähnen verletzt hatte (Az.: 1 C 12/99). 

Ruhestörung und laute Geräusche 

Karneval und Fasching sind alles andere als „stille Feiertage“. Finden Umzüge nach 22 Uhr statt, müssen betroffene Anwohner Ruhestörungen eher hinnehmen. Das Verwaltungsgericht Koblenz ging in einem Eilverfahren davon aus, dass der Karneval gerade im Rheinland wesentlicher Bestandteil des heimatlichen Brauchtums sei. Es gebe ein Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltungen (Az.: 1 L 141/02.KO). Das Oberverwaltungsgericht Koblenz verlangte eine Kompromisslösung. In Wohngebieten darf danach länger, aber nicht unendlich lange, gefeiert werden (Az.: 6 B 10349/03.OVG). Immissionsschutzregeln gelten dagegen während der Hochphase nur eingeschränkt, wie das Amtsgericht Köln in Bezug auf Köln bemerkt (Az.: 532 OWi 183/96). 

Erleiden Zuschauer Hörschäden, haften Veranstalter nicht automatisch. Eine Zuschauerin soll durch den Knall kleiner Kanonen einen Tinnitus erlitten haben. Der Gebrauch von Konfettikanonen ist bei Umzügen üblich. Zuschauer müssen sich deshalb selbst schützen und Abstand halten, entschied das Landgericht Trier (Az.: 1 S 18/01). 

(GUE) 

Foto(s): ©Adobe Stock/Kotarl

Artikel teilen:


Beiträge zum Thema