Widerruf und Kaskadenverweis: OLG Frankfurt verurteilt MCE Bank (Az. 10 U 188/19)

  • 3 Minuten Lesezeit

Widerruf von Verbraucherkredit und Autofinanzierung

Der Widerruf des verbundenen Geschäfts nach Ablauf der eigentlich nur zwei Wochen geltenden Frist ist Grundlage vieler Klageverfahren vor Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unter anderem ist der Widerruf erfolgreich, wenn die im Vertrag durch die Bank dem Verbraucher zu erteilende Widerrufsinformation nicht klar und verständlich ist und zugleich nicht dem gesetzlichen Muster entspricht. Das Muster hat der Gesetzgeber zur Verfügung gestellt, damit Banken Rechtssicherheit erlangen können (Gesetzlichkeitsfiktion). Diese dem Laien schwer verständliche zweigestufte Prüfung beinhaltet also denklogisch die paradoxe Variante, dass auch das gesetzliche Muster möglicherweise nicht klar und verständlich ist, trotzdem aber eine wortgleich erteilte Widerrufsinformation als gesetzeskonform zu gelten hat und somit ein Widerruf nach Ablauf der Zweiwochenfrist nicht mehr möglich ist.

Kaskadenverweis: Ungeklärte Rechtsfragen

Teil des gesetzlichen Musters ist der sog. Kaskadenverweis. Der Kaskadenverweis verweist auf eine Norm, die wiederum auf weitere Normen verweist usw. und deshalb für Verbraucher unverständlich ist und für viele Juristen auch: „Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehens­nehmer alle Pflicht­angaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des   Darlehens, Angabe zum Nettodarlehens­betrag, Angabe zur Vertrags­lauf­zeit) erhalten hat“. § 492 Abs. 2 BGB enthält besagte weitere "Kaskaden"-ähnliche Verweisungen.

Der EuGH (Europäischer Gerichtshof) hat geurteilt, dass der Kaskadenverweis nicht den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie genügt. Bloß richtet sich die Richtlinie an den deutschen Gesetzgeber. Er hätte deutsche Gesetze erlassen sollen, die dem Verbraucherschutz ausreichend dienen. Gleichwohl sollen deutsche Gerichte die Richtlinie wenigstens zur Auslegung deutscher Gesetze heranziehen. Der BGH hat aber bereits entschieden, dass der Kaskadenverweis unerheblich ist, sofern die gesamte Widerrufsinformation dem gesetzlichen Muster entspricht. Sein wohl richtiges Argument: Der deutsche Gesetzgeber hat eindeutig geregelt, dass die vollständige Verwendung des Musters trotz etwaiger Unklarheiten zur Gesetzlichkeitsfiktion führt. Für Auslegung durch Richter ist hier kein Raum. Ein Gericht dürfe sich nicht über ein eindeutiges Gesetz hinwegsetzen und selbst Gesetzgeber spielen, so der BGH.

Gute Erfolgsaussichten bei Abweichung vom Muster

Was aber, wenn die Bank das Muster nicht vollständig übernommen hat?

Hier tut sich für die Rechtsprechung eine Zwickmühle auf. Einerseits ist der Kaskadenverweis Teil des Musters und offenbar hat der Gesetzgeber die Formulierung zumindest dann als ausreichend angesehen, wenn das Muster vollständig verwendet wird. Andererseits ist auch klar, dass die Gesetzlichkeitsfiktion eben nur bei vollständiger Übernahme greift. Die meisten Landgerichte und Oberlandesgerichte haben sich hier auf die Seite der Banken geschlagen.

Nun liegt aber ein erstes Urteil eines Oberlandesgerichtes vor, das zugunsten des Verbrauchers entschieden hat. Der Widerruf war wirksam, so das Gericht, weil der in der Widerrufsinformation enthaltene Kaskadenverweis nicht klar und verständlich ist und die Bank wegen einiger Abweichungen vom Muster keine Gesetzlichkeitsfiktion für sich in Anspruch nehmen kann (OLG Frankfurt, Urt. v. 22.09.2020 - 10 U 188/19). Somit liegt m.E. auch eine divergierende Rechtsprechung bei den Oberlandesgerichten vor, die andere OLG nicht mehr befugt, Berufungen der Verbraucher ohne Zulassung der Revision gemäß § 522 ZPO zurückzuweisen. Die Revision muss zugelassen werden. Auch haben Rechtsschutzversicherer Kostendeckungen zu erteilen, wenn entsprechend argumentiert wird. Glückwunsch an den erfolgreichen Kollegen Andreas Paul.

(Update: Der Bundesgerichtshof hat sich im Wesentlichen der Rechtsprechung des OLG Frankfurt angeschlossen, BGH XI ZR 525/19, XI ZR 498/19).

Widerrufsklagen haben somit in einer sehr großen Zahl der Fälle Erfolgsaussichten.

Kostenlose Erstberatung

Sie haben einen Diesel mit einem Darlehen finanziert oder geleast und möchten, dass ein Rechtsanwalt prüft, ob Sie die Raten zurück erhalten und den Wagen zurückgeben können? Sie fürchten Fahrverbote und Wertverlust? Rechtsanwalt Dr. Schweers prüft, ob Ihnen der Diesel-Widerruf zusteht. Rechtsanwalt Dr. Schweers wird von der Stiftung Warentest als erfolgreicher Rechtsanwalt i.S. Widerruf von Autokrediten gelistet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Stefan Schweers

Beiträge zum Thema