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Kein Pflichtteilsentzug nach Verzeihung?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]Hat der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten eine „Untat“ verziehen, darf er ihm deswegen später nicht den Pflichtteil entziehen.

Streitereien kommen in den besten Familien vor. Doch manchmal sitzt der Konflikt so tief, dass der gesetzliche Erbe mithilfe eines Testaments nicht nur enterbt, sondern ihm vielmehr auch der Pflichtteil entzogen wird. Der Pflichtteilsentzug ist gemäß § 2333 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) aber nur in gesetzlich genau definierten Fällen möglich, z. B. wenn er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt hat oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde.

Sohn macht Pflichtteilsanspruch geltend

Ein Mann hatte diverse Straftaten begangen und war deswegen rechtskräftig verurteilt worden. Sein Vater nahm die Straftaten zum Anlass, seinen Sohn zu enterben und ihm zusätzlich den Pflichtteil zu entziehen. Zwei Monate nach Errichtung des Testaments verstarb der Erblasser und der Sohn verlangte von der Alleinerbin seinen Pflichtteil. Er gab an, dass sein Vater ihm die Straftaten längst verziehen, ihn sogar im Gefängnis regelmäßig besucht und ihm Briefe geschrieben habe. Nach seiner Entlassung habe sein Vater ihn regelmäßig besucht; des Weiteren haben sie zusammen Weihnachten gefeiert und sein Vater habe ihm im Beisein von Zeugen finanzielle Unterstützung angeboten. Er habe daher trotz des Testaments Anspruch auf den Pflichtteil.

Pflichtteilentziehungsrecht ist erloschen

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschied. Unabhängig davon, ob überhaupt ein Recht des Erblassers zum Pflichtteilsentzug bestand, so hatte er seinem Sohn die Straftaten verziehen. Ein eventuell bestehendes Recht auf Entziehung des Pflichtteils - gestützt auf die Straftaten - ist damit gemäß § 2337 S. 1 BGB erloschen. Die Verzeihung muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es reicht aus, dass der Erblasser durch sein Verhalten zeigt, dass er das Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten nicht mehr als Kränkung empfindet und sich das familiäre Verhältnis der Beteiligten daraufhin wieder normalisiert.

Vorliegend hat der Erblasser regelmäßig Kontakt zu seinem Sohn gesucht und mit ihm zusammen Weihnachten gefeiert. Außerdem wollte er sein Kind finanziell unterstützen. Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass der Erblasser die Kränkungen durch seinen Sohn überwunden, mithin ein „Wandel zur Normalität" stattgefunden hat. Aufgrund der Verzeihung ist sein Recht zur Entziehung des Pflichtteils erloschen und lebt auch nicht durch die Errichtung eines Testaments wieder auf. Der Sohn hatte daher einen Anspruch auf seinen Pflichtteil.

(OLG Nürnberg, Beschluss v. 08.05.2012, Az.: 12 U 2016/11)

(VOI)

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