Kopie ist nicht gleich Original - von unauffindbaren Testamenten

  • 3 Minuten Lesezeit

Die gewillkürte Erbfolge ist - im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge - regelmäßig durch Vorlage der letztwilligen Verfügung nachzuweisen. Nur auf dieser Grundlage kann vom Nachlassgericht ein die Erbfolge ausweisender Erbschein ausgestellt werden. 

Ist der letzte Wille in einer öffentlichen Urkunde (also notariell beurkundetes Testament oder Erbvertrag) enthalten, begegnet dies in der Praxis keinen Schwierigkeiten. Anders verhält es sich bei privat erstellten Testamenten. 

Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB).

Was, wenn das Testament verschwunden ist?

Nur bekannt gewordene und bei dem Nachlassgericht abgelieferte Testament können eröffnet und damit die Erbfolge bestimmen. Der Erblasser, der ein privatschriftlich errichtetes Testament selbst verwahrt, trägt daher das Risiko, daß es entweder überhaupt nicht aufgefunden wird (unbekannt gebliebener Aufbewahrungsort), es ohne Zutun des Erblassers vernichtet wird (z.B. durch Brand) oder nach dem Tod zwar aufgefunden, aber nicht abgeliefert wird. In allen diesen Fällen gilt das Testament als nicht (mehr) existent. 

Risiko der Verwahrung trägt der Erblasser.

Ein eigenhändiges Testament sollte daher grundsätzlich sicher und vor allem auffindbar aufbewahrt werden. Ein Bankschließfach ist nur bedingt geeignet, da wegen der Zugangsberechtigung nach dem Eintritt des Erbfalls häufig Streit besteht und das Testament gerade die Erbfolge und damit auch den Zugang regeln soll. 

Reicht eine Kopie eines Testamentes als Nachweis aus?

Grundsätzlich ist nur das Original eines Testamentes zum Nachweis der Erbfolge geeignet (§ 2355 BGB). Ist ein (privatschriftliches) Testament nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt ausnahmsweise auch die Angabe anderer Beweismittel, § 2356 Abs.1 S.2 BGB. So auch die Entscheidung  OLG Naumburg, Beschluss vom 29.3.2012 – 2 Wx 60/11).

Kann zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts die Urschrift der Urkunde, auf die das Erbrecht gestützt wird, nicht vorgelegt werden, sondern nur eine Kopie, so können die Errichtung und der Inhalt des Testaments auch mit anderen Beweismitteln bewiesen werden.

Es berührt also die Wirksamkeit eines Testaments nicht, wenn das Testament ohne Zutun und Willen des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall könne die Errichtung und der Inhalt des Testaments durch sämtliche zulässigen Beweismittel bewiesen werden, insbesondere auch durch Vorlage einer Kopie und letztlich auch durch Vernehmung von Zeugen. Diese müssen dann z.B. bestätigen können, das Original des (jetzt verschwundenen) Testamentes gesehen zu haben.

Kann demnach der Beweis, dass das Original tatsächlich vom Erblasser verfasst worden und der Verlust des Originals nicht auf einen Widerruf des Testaments, z. B. durch bewusste Vernichtung durch den Erblasser, zurückzuführen sei, nicht erbracht werden, scheitert ein hierauf gestützter Erbscheinsantrag.

Ist das Fehlen des Originals ein Indiz für den Widerruf des (verschwundenen) Testaments?

In diesen Fällen stellt sich auch die Frage, ob die Nichtauffindbarkeit des Original-Testamentes daran liegt, daß der Erblasser das Original vernichtet hat. Im Falle der Vernichtung durch den Erblasser wird gem. § 2255 S.2 BGB vermutet, dass der Erblasser damit die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Dann ist die Behauptung auf eine anderweitige Erbfolge durch eine Testaments-Kopie nicht mehr ausreichend. 

Allerdings: Die Beweislast (Feststellungslast im Erbscheinsverfahren) für die Behauptung, der Erblasser habe einen Widerruf des Testaments durch Vernichtung der Originalurkunde beabsichtigt, trägt derjenige, der sich auf diese (rechtsvernichtende) Tatsache beruft. Die Nichtauffindbarkeit der Originalurkunde nach dem Tode des Erblassers begründet daher noch keine tatsächliche Vermutung, dass das Testament vom Erblasser mit Widerrufswillen vernichtet worden ist.

Fazit: qualifizierte Beratung ist geboten.

Ist ein Testament nach dem Erbfall nicht mehr auffindbar, kann dies für die Erbfolge - je nachdem, welche Interessenlage gegeben ist - unterschiedliche Auswirkungen haben. Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sind Ansprüche - etwa aus einem nur in Kopie vorliegenden Testament - rechtzeitig anzumelden und in einem Erbscheinsverfahren ggf. als Einwendung gegen einen anderslautenden Erbscheinsantrag vorzubringen.

Foto(s): LEGALIS.Anwälte Partnerschaft. Biberach und Bad Waldsee

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Joachim Marcel Stehle

Beiträge zum Thema