Kündigung wegen Eigenbedarf – wegen Suizidgefahr unwirksam?

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Vermieter einer Wohnung haben die Möglichkeit, einem Mieter wegen Eigenbedarf zu kündigen und die Wohnung bei Bedarf sogar räumen zu lassen. Der Mieter kann sich jedoch gegen eine Eigenbedarfskündigung und eine Räumungsklage wehren, wenn die Kündigung für ihn einen Härtefall darstellt.

Mit der Frage, ob die Räumung einer Wohnung für einen selbstmordgefährdeten Mieter in hohem Alter zumutbar ist, hat sich das Amtsgericht München beschäftigt (AG München, Urteil v. 22.11.2019, Az.: 411 C 19436/18).

Wann kann man wegen Eigenbedarf kündigen?

Grundsätzlich können Vermieter Mietern einer Mietwohnung wegen Eigenbedarf kündigen, wenn für sie selbst, einen Familien- oder Haushaltsangehörigen tatsächlich Eigenbedarf besteht (§ 573 BGB). Zu diesem Personenkreis der Familien- und Haushaltsangehörigen zählen etwa Eltern, Kinder, Geschwister, Nichten und Neffen, Großeltern und Enkel, aber auch Pflegepersonal oder Hausangestellte des Vermieters.

Eine Eigenbedarfskündigung ist jedoch nicht möglich, wenn der Mieter sich auf einen Härtefall berufen kann: Selbst wenn alle Anforderungen für eine Eigenbedarfskündigung vorliegen – liegt ein Härtefall vor, muss der Mieter nicht ausziehen. 

Der Fall vor Gericht

Im Fall vor dem AG München machte eine Vermieterin Eigenbedarf für ihren erwachsenen Sohn geltend. Der Sohn wohnte nach der Trennung von seiner Freundin in einem 9-qm-Zimmer bei seinem Vater. Er hatte ein Umgangsrecht mit seinem Kind erstritten, zu dem auch Übernachtungen zählten. Damit er dieses Recht ausüben konnte, musste die insgesamt 52 qm große Wohnung des Vaters regelmäßig umgestellt werden. Um die Situation für ihren Sohn zu verbessern, kündigte die Vermieterin dem 89-jährigen Mieter ihrer Wohnung. In die 80-qm-Wohnung sollte der Sohn und – zumindest zeitweise – sein Kind einziehen.

Der Mieter hatte die Wohnung 1975 mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau angemietet. Er wehrte sich gegen die Kündigung und berief sich auf einen Härtefall: Als Härtegrund machte er Hüft- und Kniegelenkserkrankungen geltend. Zudem sei er langjährig im Wohnumfeld verwurzelt und finde keine Ersatzwohnung.

Keine Räumung bei Selbstmordgefahr

Das AG München gab dem Mieter Recht. Die Kündigung der Vermieterin war zwar nach Ansicht des AG München gerechtfertigt, da der behauptete Eigenbedarf tatsächlich bestand. Der Sohn benötigte eine Wohnung nicht nur für sich, sondern auch, um das Umgangsrecht mit seinem Kind ausüben zu können.

Dennoch konnte der Mieter der Eigenbedarfskündigung erfolgreich widersprechen und wegen Vorliegens eines Härtefalls die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.

Ausschlaggebend waren für das Gericht allerdings nicht die starke Verwurzelung im Wohnumfeld und der körperliche Zustand des Mieters. Vielmehr fiel das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ins Gewicht: Der psychische Gesundheitszustand des Mieters war wegen der Kündigung stark beeinträchtigt, der Sachverständige stellte eine „mittelschwere depressive Episode“ fest.

Der Verlust von Wohnung und Lebensmittelpunkt sei für den alleinstehenden alten Mann ein nicht zu lösendes Problem, das bei ihm Suizidgedanken auslöse. Ein Umzug werde das psychische Befinden des Mieters vermutlich verschlechtern und unter Umständen eine schwere depressive Episode auslösen. In diesem Fall wäre auch ein Suizid des Mieters nicht ausgeschlossen. 

Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis: In der konkreten Situation war es dem Mieter nicht zuzumuten, die Wohnung zu räumen. Das Mietverhältnis war deshalb auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, weil nicht abzusehen ist, wann die Selbstmordgefahr beim Mieter nicht mehr besteht.

Fazit

Droht sich der psychische Zustand eines Mieters durch eine Eigenbedarfskündigung so zu verschlechtern, dass ein Selbstmord des Mieters nicht auszuschließen ist, kann das einen Härtefall darstellen. Dieser Härtefall kann dann wiederum dazu führen, dass eine an sich berechtigte Kündigung wegen Eigenbedarf nicht wirksam ist und das Mietverhältnis weitergeführt werden muss.

Hat Ihr Vermieter Ihnen oder z. B. einem Verwandten in fortgeschrittenem Alter wegen Eigenbedarf gekündigt? Möchten Sie sich gegen diese Kündigung wehren? Sprechen Sie mich an – als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ich helfe Ihnen gerne! Sie erreichen mich telefonisch oder per E-Mail.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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