„Kurzarbeit Null kürzt den Urlaub“ - Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.03.2021, Az.: 6 Sa 824/20

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Am 12.03.2021 ist vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein interessantes Urteil (Az.: 6 Sa 824/20) im Zuge der arbeitsrechtlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie ergangen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass eine Anordnung von Kurzarbeit „Null“ dazu führt, dass der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern zu kürzen ist. Für den Zeitraum, in dem sich Arbeitnehmer in Kurzarbeit „Null“ befunden haben, entstehe kein Urlaubsanspruch.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag der Lebenssachverhalt einer Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten zu Grunde. Für diese Arbeitnehmerin wurde infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember 2020 wiederholt Kurzarbeit „Null“ angeordnet. Sie befand sich für mehrere Monate in Kurzarbeit „Null“ und hat dementsprechend in dieser Zeit nicht gearbeitet. Der Arbeitgeber gewährte nur anteilig Urlaub für die Monate, in denen auch gearbeitet wurde. Die Arbeitnehmerin begehrte die Gewährung des vollständigen Jahresurlaubs. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, da der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin nach seiner Ansicht bereits vollumfänglich erfüllt worden sei.

Die Arbeitnehmerin begehrte - zunächst erfolglos vor dem Arbeitsgericht Essen - die Feststellung, dass ihr der reguläre vollständige Urlaubsanspruch zusteht. Sie ist der Ansicht, Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse des Arbeitgebers. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit, da der Arbeitgeber die Kurzarbeit vorzeitig beenden kann und Arbeitnehmer in dieser Zeit Meldepflichten unterliegen. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit „Null“ keine Urlaubsansprüche entstanden wären.

Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist in seiner Entscheidung der Argumentation des Arbeitgebers gefolgt. Aufgrund der mehrere Monate andauernden Kurzarbeit „Null“ habe die Arbeitnehmerin keine Urlaubsansprüche in diesem Zeitraum erworben, da Urlaub eine Pflicht zur Tätigkeit voraussetze. Wenn keine Tätigkeit ausgeübt werde, dann müsse sich der Arbeitnehmer auch nicht davon erholen. Vorliegend steht der Jahresurlaub 2020 der Arbeitnehmerin deshalb nur anteilig zu. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist der Ansicht, dass Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt werden sollen. Es sei daher der Jahresurlaub für jeden vollen Monat in Kurzarbeit „Null“ um 1/12 zu kürzen. Dies sei auch vereinbar mit dem europäischen Recht, da während der Kurarbeit „Null“ der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG bereits nicht entstehe.

Anmerkung

Grundsätzlich erscheint die Entscheidung sachgerecht, denn ohne die Anstrengungen einer Tätigkeit bedarf es keiner Erholung von der Tätigkeit. Gleichwohl handelt es sich bei Kurzarbeit nicht um eine gewünschte Auszeit des Arbeitnehmers, sondern vielmehr um einen konjunkturbedingten, unfreiwilligen „Zwangsurlaub“.

Bisher wurde nicht über andere Formen der Kurzarbeit entscheiden. Nach Ansicht des Gerichts sind Kurzarbeiter jedoch wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln. Folglich dürften auch andere Konstellationen als Kurzarbeit „Null“ dementsprechend zu lösen sein.

Praxisbeispiel: Ein Arbeitnehmer arbeitet regulär mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei eine 5-Tage-Woche. Es besteht ein Urlaubsanspruch von 20 Tagen im Jahr. Im Zuge der Corona-Pandemie wird ordnungsgemäß eine dreimonatige Kurzarbeit „60%“ angeordnet. In der Folge arbeitet der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum wöchentlich lediglich drei Tage mit jeweils acht Stunden. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf folgend entsteht in diesen drei Monaten lediglich ein anteiliger Urlaubsanspruch in Höhe von 3/5 des regulären Urlaubs. Für neun Monate reguläre Arbeit erwirbt der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 15 Tagen. In den drei Monaten Kurzarbeit erwirbt er lediglich einen Anspruch auf drei weitere Urlaubstage. Insgesamt beträgt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers somit nur 18 Tage.

Der Urlaubsanspruch dürfte hingegen vollständig bestehen bleiben, wenn der Arbeitnehmer weiterhin fünf Tage in der Woche arbeitet und lediglich seine tägliche Stundenanzahl reduziert wird. Aufgrund der jeweiligen Ausgestaltung durch den Arbeitgeber kann sich eine Ungleichbehandlung ergeben. Diese Ungleichbehandlung erscheint problematisch.

Das Landesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall die Revision zugelassen. Eine Entscheidung dieser Frage durch das Bundarbeitsgericht wird wahrscheinlich und kann mit Spannung erwartet werden.

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