LAG: Der Betriebsrat darf in Präsenzsitzung tagen!

  • 3 Minuten Lesezeit

Ein aktueller Fall: Der Arbeitgeber hatte seinem Betriebsrat eine Präsenzsitzung angesichts der akuten Coronapandemie untersagt. Dies ließ sich die Interessenvertretung der Arbeitnehmer nicht gefallen und hat sich im Eilrechtsschutzverfahren an die Arbeitsgerichte gewandt. Nun entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Die Sitzung ist als Präsenzveranstaltung durchzuführen! Die Hintergründe und Auswirkungen dieser Entscheidung erläutern wir in diesem Rechtstipp.


1. Betriebsratsarbeit – Eine echte Herausforderung während der Coronapandemie 

Die aktuelle Krisensituation ist neu und erfordert ein hohes Maß an Anpassungsbereitschaft. Für Betriebsräte stellt sie eine besondere Herausforderung dar. Denn die gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungspflichten gelten uneingeschränkt weiter. Problematisch allerdings ist, dass der Betriebsrat vielerorts nicht in Präsenzveranstaltung tagen kann. Die weitreichenden Corona-Hygienebestimmungen und Infektionsschutzmaßnahmen erfordern Kreativität bei der Durchführung der Betriebsratssitzungen. So hat auch der Gesetzgeber einen rechtlichen Weg geschaffen, wie sich Betriebsräte auch in Zeiten der Kontaktbegrenzung auf virtuelle Weise verständigen können: Das Betriebsverfassungsgesetz erlaubt – befristetet bis zum 31.12.2020 – Betriebsratsbeschlüsse im Rahmen von Video- oder Telefonkonferenzen.


2. Die Hintergründe der Entscheidung – Betriebsratssitzung in Corona-Zeiten

 Dass eine virtuelle Konferenz nicht immer genügt, um die Betriebsratsarbeit ordnungsgemäß abzuhalten, zeigt der aktuelle Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG, Beschl. v. 24.8.2020, Az. 12 TaBVGa 1015/20).

Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Der Arbeitgeber – ein Unternehmen, das Rehabilitationskliniken betreibt – hat seinem Gesamtbetriebsrat die Durchführung einer Präsenzsitzung verboten. Stattdessen sollte die Veranstaltung nach den Vorstellungen des Arbeitgebers als Video- beziehungsweise Telefonkonferenz abgehalten werden. Zur Begründung machte das Unternehmen geltend, dass wegen des überregionalen Zusammentreffens der Betriebsräte aufgrund der Covid-19-Pandemie ein erhöhtes Infektionsrisiko bestünde. Dies sei insbesondere mit Blick auf eine mögliche Verbreitung der Krankheit in den Kliniken nicht hinnehmbar. Der Gesamtbetriebsrat hat sich gegen die Untersagung gewehrt und argumentiert, dass am Veranstaltungsort die gesetzlichen Maßgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden könnten.

Das LAG hat sich der Argumentation der Betriebsräte angeschlossen und nunmehr entschieden, dass die geplante Präsenzveranstaltung durchgeführt werden kann. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes nämlich entscheide der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates darüber, ob eine Sitzung einzuberufen ist. Im Zuge dieser Entscheidung steht ihm auch die Wahl des Sitzungsortes zu. Auf eine Video- oder Telefonkonferenz musste sich der Gesamtbetriebsrat hier übrigens nicht verweisen lassen. Denn in der Präsenzveranstaltung waren geheime Wahlen geplant, die naturgemäß nicht im Rahmen einer digitalen Konferenz möglich seien. Schließlich sei die Sitzung auch nach den am Veranstaltungsort derzeit geltenden Kontakt- und Betriebsbeschränkungen zulässig. Das - auch bei Einhaltung sämtlicher Schutzmaßnahmen verbleibende - Ansteckungsrisiko berechtige den Arbeitgeber hier nicht zur Untersagung der Präsenzveranstaltung.


3. Auswirkungen der Entscheidung für die Zukunft 

Ob Betriebsräte ihre Sitzungen künftig wieder in Präsenzveranstaltungen abhalten dürfen, ist aktuell noch nicht abzusehen und wurde von den Richtern am Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen. Zwar hatte der Gesamtbetriebsrat im hiesigen Fall auch einen Antrag gestellt, der auf eine generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen abzielte. Dieser wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, es müsse stets im Einzelfall geprüft und festgestellt werden, ob eine Untersagung der Sitzung als Präsenzveranstaltung erforderlich und angemessen sei.

Unabhängig hiervon sollte der Betriebsrat in Absprache mit dem Arbeitgeber herausarbeiten, welche Maßnahmen des Infektionsschutzes sinnvoll und unerlässlich zur Durchführung von Präsenzsitzungen sind. Empfehlenswert ist es darüber hinaus auch, die gefundenen Ergebnisse in einer Betriebsabsprache schriftlich zu dokumentieren.

Angesprochen werden sollten beispielsweise folgende, von den Behörden empfohlene Punkte:

  • Begrüßung ohne Handschlag
  • Wahrung des Mindestabstandes von 1,5 m
  • regelmäßige Reinigung und Desinfizierung der Hände
  • regelmäßiges Lüften der Räumlichkeiten

Bei Fragen zur Betriebsratsarbeit in Zeiten von Corona, nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Hülya Senol

Beiträge zum Thema