Lockdown „light“ ab 02. November 2020 - Bund-Länder-Beschluss vom 28. Oktober 2020

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Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder haben am 28. Oktober 2020 weitreichende, ergänzende Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens in der gesamten Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der steigenden Neuinfektionen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie beschlossen.

Insoweit soll ab 02. November 2020 insbesondere gelten:

der Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist beschränkt auf den eigenen und einen weiteren Hausstand, jedoch in der Summe nicht mehr als 10 Personen

  • Reisen zu privaten Zwecken sollen vermieden werden, Übernachtungsangebote im Inland zu touristischen Zwecken werden untersagt
  • Einrichtungen zur Freizeitgestaltung werden geschlossen, wie beispielsweise Theater, Opfern, Messen, Kinos, Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder, Vereinssport im Freizeit- und Amateursportbetrieb, Prostitutionsstätten
  • Unterhaltungsveranstaltungen werden untersagt
  • Gastronomiebetriebe, Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen werden geschlossen, mit Ausnahme der Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen zum Verzehr zu Hause
  • Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios werden geschlossen; medizinisch notwendige Behandlungen in Physio-, Ergo und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege bleiben weiter erlaubt; Friseursalons bleiben mit speziellen Hygieneauflagen geöffnet
  • der Groß- und Einzelhandel bleibt unter Auflagen zur Hygiene und Steuerung des Zutritts geöffnet, soweit sich nur ein Kunde pro 10 qm Verkaufsfläche dort aufhält
  • Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet

Den vollständigen Bund-Länder-Beschluss zur Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie können Sie einsehen unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1805024/5353edede6c0125ebe5b5166504dfd79/2020-10-28-mpk-beschluss-corona-data.pdf?download=1

Ziel und Zweck soll es sein die Neuinfektionszahlen bundesweit unter 50 pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu senken, da nach den Statistiken des Robert-Koch-Institutes die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75% der Fälle unklar sind. Bei Erreichung der festgelegten Obergrenzen sei die Nachverfolgung besser gewährleistet und das unkontrollierte Fortschreiten der Pandemie eingedämmt.

Vorstehender Beschluss der Bund-Länder-Konferenz vom 28. Oktober 2020 hat bis zur Umsetzung durch die einzelnen Bundesländer im Wege des Erlasses von Rechtsverordnungen nach § 32 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm. § 28 IfSG mit dem Ziel der Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten keine Rechtswirkung, da die Anordnung von derart grundrechtseingreifenden Maßnahmen einer Rechtsgrundlage bedarf.

Es wird insoweit abzuwarten bleiben, wie die Sächsische Landesregierung die vereinbarten Ziele vom 28. Oktober 2020 kurzfristig umsetzt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die weitergehenden Beschränkungen in einer neuen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung geregelt werden.

Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung wurden beispielsweise die landesweiten Beherbergungsverbote mittlerweile nahezu bundesweit außer Vollzug gesetzt, da nach der Erkenntnislage des RKI kein Nachweis für den rasanten Anstieg der Infektionszahlen im Zusammenhang mit Übernachtungen in Hotels oder Gastgewerben hergestellt werden kann und das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 GG unverhältnismäßig eingeschränkt wird (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.10.2020, 1 S 3156/20; OVG Berlin Brandenburg, Beschl. v. 16.10.2020, 11 S 87/20; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 15.10.2020, 13 MN 371/20; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 23.10.2020, 3 MR 47/20).

 Im Hinblick auf die landesweit verhängten Sperrstundenregelungen und Alkoholausschankverbote bahnt sich ein bundesweiter Flickenteppich an, da nach unserer Auffassung zu Recht das Infektionsgeschehen nach den Erkenntnissen des RKI in den Gaststätten und Bars – insbesondere da entsprechende Hygienekonzepte langfristig von den Betreibern erarbeitet wurden – von untergeordneter Bedeutung sind, sodass der damit bewirkte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 GG durch Anordnung solcher Beschränkungen unverhältnismäßig ist (so auch: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.10.2020, I 33/20; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 29.10.2020, Az. 13 MN 393/20; ablehnend: VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.10.2020, 2 L 2667/20, 2 L 2671/20 und 2 L 2672/20).

 Der nunmehr beabsichtigte Lockdown „light“ wird die ohnehin bereits wirtschaftlich stark geschädigte Beherbergungs- und Gastgewerbebranche an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit treiben. Entsprechend angekündigte Entschädigungsleistungen durch den Bund von bis zu 10 Milliarden Euro werden den wirtschaftlichen Einbruch, bei bereits aufgebrauchten Rücklagen aus dem ersten Lockdown, wahrscheinlich nicht komplett kompensieren können.

Dies vor Augen geführt ist der Lockdown „light“ weder argumentativ mit den Erkenntnissen des RKI zum steigenden Infektionsgeschehen in der Beherbergungs- und Gastgewerbebranche vertretbar, noch ergibt sich wohl eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Lockdown „light“ aus §§ 32 Abs. 1, 28 IfSG, da selbst der Ministerpräsident des Landes Thüringen Herr Bodo Ramelow bei der Bund-Länder-Konferenz zu Protokoll erklären ließ, dass bisher durch das Parlament keine konkreten Rechtsgrundlagen zur Anordnung eingriffsintensiver Maßnahmen wie beispielsweise Ausgangssperren, Kontaktverbote und die Verhängung eines sogenannten Lockdowns geschaffen wurden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung die bevorstehenden erheblichen Grundrechtseingriffe schnellst möglich überprüfen wird und unverhältnismäßige Anordnung der Länder konsequent aufhebt.

  

Rechtsanwalt Jan Marcel Binner

Hilbert Kampf Sgumin Rechtsanwälte Partnerschaft



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